149
Bundesgesetzblatt
Teil I Z 1997 A
1973 Ausgegeben zu Bonn am 8. März 1973 Nr.17
Tag Inhalt Seite
1. 3. 73 Neufassung des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) 149
451-1
Hinweis auf andere Verkündungsblätter
Bundesgesetzblatt Teil II Nr. 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Rech tsvorschriflen der Europäischen Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Bekanntmachung
der Neufassung des Jugendgerichtsgesetzes (JGG)
Vom 1. März 1973
Auf Grund des § 67 des Gesetzes über das Zentral- g) Artikel 4 Nr. 3 des Gesetzes zur allgemeinen Ein-
register und das Erziehungsregister (Bundeszentral- führung eines zweiten Rechtszuges in Staats-
registergescl.z --- BZRG) vom 18. März 1971 (Bundes- schutz-Strafsachen vom 8. September 1969 (Bun-
gesetzbl. I S. 243) wird nachstehend der Wortlaut desgesetzbl. I S. 1582),
des Jugendgerichtsgesetzes vorn 4. August 1953
(Bundesgesetzbl. J S. 751) in der ab 23. November h) § 66 des Gesetzes über das Zentralregister und
1972 geltenden Passung bekanntgemacht, wie sie das Erziehungsregister (Bundeszentralregister-
sich aus gesetz - BZRG) vom 18. März 1971 (Bundes-
a) Artikel 1 des Ejnführungsgesetzes zum Wehr- gesetzbl. I S. 243),
strafgesetz vom 30. März 1957 (Bundesgesetzbl. I i) Artikel 2 des Gesetzes zur .Änderung des Geset-
S. 306), zes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln
b) Artikel IX des Gesetzes zur .Änderung und Er- (Opiumgesetz) vom 22. Dezember 1971 (Bundes-
gänzung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes gesetzbl. I S. 2092),
vom 1 l. August 1961 (Bundesgesetzbl. I S. 1193),
c) Artikel 3 des Zweiten Gesetzes zur Sicherung des j) Artikel VI Nr. 2 des Gesetzes zur Neuordnung
Straßenverkehrs vom 26. November 1964 (Bun- des Wehrdisziplinarrechts vom 21. August 1972
desgesetzbl. I S. 921 ), (Bundesgesetzbl. I S. 1481)
d) Artikel 12 Nr. 1 des Gesetzes zur .Änderung der ergibt.
Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfas-
sungsgesetzE-)S (StPAG) vom 19. Dezember 1964 Für das Land Berlin ergeben sich daraus Beson-
(Bundesgesetzbl. I S. 1067), derheiten, daß dort das Einführungsgesetz zum
e) Artikel 47 des Einführungsgesetzes zum Gesetz Wehrstrafgesetz vom 30. März 1957 (Bundesge-
über Ordnungswidrigkeiten (EGOWiG) vom setzbl. I S. 306) und das Gesetz zur Neuordnung
24. Mai 1968 (Bundesgesetzbl. I S. 503), des Wehrdisziplinarrechts vom 21. August 1972
f) Artikel 11 des Ersten Gesetzes zur Reform des (Bundesgesetzbl. I S. 1481) nicht gelten. Wegen der
Strafrechts (1. StrRG) vom 25. Juni 1969 (Bundes- Geltungsbeschränkungen wird auf die Fußnoten zu
gesetzbl. I S. 645), den einzelnen Vorschriften hingewiesen.
Bonn, den 1. März 1973
Der Bundesminister der Justiz
Gerhard Jahn
150 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1973, Teil I
Jugendgerichtsgesetz (J GG)
Inhaltsübersicht
§ §
Erster Teil Bewährungsaufsicht und Bewährungshilfe ..... 24
Anwendungsbereich Bestellung und Pflichten des Bewährungshelfers 25
Pcrsön lichcr und sachlicher Anwendungsbereich 1 Widerruf der Strafaussetzung ............... . 26
Anwendung des allgemeinen Rechts ......... . 2 Erlaß der Jugendstrafe ...................... . 26 a
Sechster Abschnitt
Zweiter Teil Aussetzung der Verhängung
Jugendliebe der Jugendstrafe
Voraussetzungen ........................... . 27
Erstes Hauptstück Bewährungszeit ............................ . 28
Bewährungsaufsicht ......................... . 29
Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen
Verhängung der Jugendstrafe; Tilgung des
Schuldspruchs .............................. . 30
Erster Abschnitt
Allgemeine Vorschriften Siebenter Abschnitt
Verantwortlichkeit 3 Mehrere Straftaten
Rechtliche Einordnung der Straftaten Jugend-
Mehrere Straftaten eines Jugendlichen 31
licher ...................................... . 4
Die Folgen der Jugendstraftat ............... . Mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und
5
Reifestufen ................................. . 32
Nebenfolgen ............................... . 6
Maßregeln der Sicherung und Besserung ..... . 7
Verbindung von Maßnahmen und Jugendstrafe 8 Zweites Hauptstück
Jugendgerichtsverfassung und Jugendstrafverfahren
Zweiter Abschnitt
Erziehungsmaßregeln Erster Abschnitt
Arten 9 Jugendgerichtsverfassung
Weisungen ................................ . 10
Jugendgerichte 33
Nachträgliche Änderung von Weisungen; Folgen
Aufgaben des Jugendrichters ................ . 34
der Zuwiderhandlung ....................... . 11
Jugendschöffen ............................. . 35
Erziehungsbeistandschaft und Fürsorgeerziehung 12
Jugendstaatsanwalt ......................... . 36
Dritter Abschnitt Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaats-
anwälte .................................... . 37
Zuchtmittel 38
Jugendgerichtshilfe ......................... .
Arten und Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Verwarnung ............................... . 14 Zweiter Abschnitt
Auferlegung besonderer Pflichten ............ . 15 Zuständigkeit
Jugendarrest 16
Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters 39
Sachliche Zuständigkeit des Jugendschöffen-
Vierter Abschnitt 40
gerichts .................................... .
Die Jugendstrafe Sachliche Zuständigkeit der Jugendkammer ... . 41
Form und Voraussetzungen .................. . 17 Ortliche Zuständigkeit ...................... . 42
Dauer der Jugendstrafe ..................... . 18
Jugendstrafe von unbestimmter Dauer 19 Dritter Abschnitt
Jugendstrafverfahren
Fünfter Abschnitt
Erster Unterabschnitt
Aussetzung der Jugendstrafe
zur Bewährung Das Vorverfahren
(weggefallen) 20 Umfang der Ermittlungen ................... . 43
Strafaussetzung 21 Vernehmung des Beschuldigten .............. . 44
Bewährungszeit ............................ . 22 Absehen von der Verfolgung ................ . 45
Bewährungsauflagen ........................ . 23 Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen ..... . 46
Nr. 17 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 8. März 1973 151
§ §
Zweiter Unterabschnitt
Ablehnung des Antrags ..................... . 77
Das Ilauplverfahren Verfahren und Entscheidung ................. . 78
Einslellung des Verfahrens durch den Richter 47
Nichtöffenllichkeit .......................... . 48 Neunter Unterabschnitt
Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen 49
Ausschluß von Vorschriften des allgemeinen
Anwesenheit in der Hauptverhandlung ...... . 50 Verfahrensrechts
Zeitweilige Ausschließung von Beteiligten ... . 51
Strafbefehl und beschleunigtes Verfahren .... . 79
Berücksichtigung von Untersuchungshaft bei
Privatklage und Nebenklage ................ . 80
Jugendarrest und Jugendstrafe .............. . 52
Entschädigung des Verletzten ................ . 81
Uberweisung an den Vormundschaftsrichter .. . 53
Urteilsgründe 54
Dritter Unterabschnitt Drittes Hauptstück
Rechtsmittel verfahren Vollstreckung und Vollzug
Anfechtung von Entscheidungen ............. . 55
Teilvollstreckung einer Einheitsstrafe ........ . 56 Erster Abschnitt
Vollstreckung
Vierter Unterabschnitt
Verfahren bei Aussetzung der Jugendstrafe Erster Unterabschnitt
zur Bewährung
Verfassung der Vollstreckung und
Entscheidung über die Aussetzung . . . . . . . . . . . . 57 Zuständigkeit
Weitere Entscheidungen ..................... . 58 Vollstreckungsleiter 82
Anfechtung ................................ . 59 Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren .. . 83
Bewährungsplan ............................ . 60 Ortliche Zuständigkeit ...................... . 84
l-Iaftbefehl ................................. . 61
Abgabe und Ubergang der Vollstreckung .... . 85
Fünfter Unterabschnitt
Zweiter Unterabschnitt
Verfahren bei Aussetzung der Verhängung
der Jugendstrafe Jugendarrest
Entscheidungen ............................. . 62 Umwandlung des Freizeitarrestes ............ . 86
Anfechtung ................................. . 63 Vollstreckung des Jugendarrestes ............ . 87
Bewährungsplan 64
Dritter Unterabschnitt
Sechster Unterabschnitt Jugendstrafe
Ergänzende Entscheidungen Entlassung zur Bewährung während der Voll-
Nachträgliche Entscheidungen über Weisungen streckung einer bestimmten Jugendstrafe 88
und Pflichten ............................... . 65 Entlassuhg während der Vollstreckung einer
Ergänzung rechtskräftiger Entscheidungen bei Jugendstrafe von unbestimmter Dauer ....... . 89
mehrfacher Verurteilung .................... . 66
Zweiter Abschnitt
Siebenter Unterabschnitt
Vollzug
Gemeinsame Verfahrensvorschriften
Jugendarrest ............................... . 90
Stellung des Erziehungsberechtigten und des ge-
Aufgabe des Jugendstrafvollzugs ............ . 91
setzlichen Vertreters ........................ . 67
Notwendige Verteidigung ................... . 68 Jugendstrafanstalten ........................ . 92
Untersuchungshaft .......................... . 93
Beistand ................................... . 69
Mitteilungen ............................... . 70 Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder
einer Entziehungsanstalt .................... . 93 a
Vorläufige Anordnungen über die Erziehung .. 71
Untersuchungshaft .......................... . 72
Unterbringung zur Beobachtung ............. . 73
Viertes Hauptstück
Kosten und Auslagen ....................... . 74
Beseitigung des Strafmakels durch Richterspruch
Achter Unterabschnitt (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bis 96
Jugendrichterliche Verfügung und Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
vereinfachtes Jugendverfahren Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
Jugendrichterliche Verfügung ............ , .. . 75 Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
Voraussetzungen des vereinfachten Jugendver- (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
fahrens .................................... . 76 Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Bu!Hlc1::qcsctzblatt, Jahrgang 1973, Tc;il I
§
Piin!ic's 11,rnptslück Vierter Ah§drnHt
J ll\J('lidl id1c\ vor Ceridllen, Hernnwad1sende vor GericMen, dfe für
d ic) h·, r i.l l l~Jc111c:ine St.rn f'.><1chen zustündig sind allgemeine Strn.l'sachcn zu.:,tämtla
Zust;i,1di(Jkcil .............................. . 102 Entsprechende Anwendung .................. . 112
Vcriii1ul11nq mehrerer Slrnfs,ic:h(:n ............ . 103
Ver 1,1!,rcn gc~Jcn .lugcnclliche ................ . 104 Vierter Teil
Sondervorschriften für Soldaten
der Bundeswehr
Anwendung des Jugendstrafrechts . . . . . . . . . . . . 112 a
Dritter Teil Erziehungshilfe durch den Disziplinar-
Heranwachsende vorgesetzten ............................... . 112 b
Vollstreckung .............................. . 112 C
Erster Abschnitt Anhörung . des Disziplinarvorgesetzten ....... . 112 d
Verfahren vor Gerichten, die für allgemeine
Anwendung des sachlichen Strafrechts
Strafsachen zuständig sind .................. . 112 e
An wcndung des Jugendstrafrechts auf Heran-
wachsende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Fünfter Teil
Milderung des allgemeinen Strafrechts für
Heranwachsende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Schluß- und Dbergangsvorschriften
Bewährungshelfer ........................... 113
Vollzug von Freiheitsstrafe in der Jugendstraf-
Zweiter Abschnitt
anstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Gerichtsverfassung und Verfahren Rechtsvorschriften der Bundesregierung über
G('.richtsverfussung .......................... 107 den Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Zuständigkeit ............................... 108 Zeitlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Gerichtsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
(zeitlich überholt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
Freiheitsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
Dritter Abschnitt
Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
Vollstreckung, Vollzug und Beseitigung (vollzogene Änderungs- und Aufhebungsvor-
des Strafmakels durch Richterspruch schriften) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121, 122
Vollstreckung und Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Berlin-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
Beseitigung des Strafmakels dmch Richterspruch 111 Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
Erster Teil Zweiter Teil
Anwendungsbereich Jugendliche
§ 1 Erstes Hauptstück
Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen
(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder
ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die
Erster Abschnitt
nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe be-
droht ist. Allgemeine Vorschriften
(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vier-
zehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, §3
wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht ein- Verantwortlichkeit
undzwanzig Jahre alt ist.
Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich,
(3) Strafrechtlich ist nicht verantwortlich, wer zur wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und
Zeit der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist. geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht
der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu
§2 handel~. Zur Erziehung eines Jugendlichen, der
Anwendung des allgemeinen Rechts mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist,
Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit kann der Richter dieselben Maßnahmen anordnen
in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. wie der Vormundschaftsrichter.
Nr. 17 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 8. März 1973 153
§4 (3) Der Richter kann neben Erziehungsmaßregeln,
Rechtliche Einordnung Zuchtmitteln und Jugendstrafe auf die nach diesem
der Straftaten Jugendlicher Gesetz zulässigen Nebenstrafen und Nebenfolgen
erkennen.
Ob die Straftat eines Jugendlichen als Verbrechen,
Vergehen oder Ubertretung anzusehen ist und wann
sie verjährt, richtet sich nach den Vorschriften des
allgemeinen Strafrechts. Zweiter Abschnitt
Erziehungsmaßregeln
§5
§9
Die Folgen der Jugendstraftat
Arten
(l) Aus Anlaß der Slraftat eines Jugendlichen
können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden. Erziehungsmaßregeln sind
(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit 1. die Erteilung von Weisungen,
Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn 2. die Erziehungsbeistandschaft,
Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen. 3. die Fürsorgeerziehung.
(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird ab-
gesehen, wenn die Unterbringung in einer Heil-
oder Pflegeanstalt oder in einer Trinkerheilanstalt § 10
oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch Weisungen
den Richter entbehrlich macht.
(1) Weisungen sind Gebote und Verbote, welche
die Lebensführung des Jugendlichen regeln und da-
§6 durch seine Erziehung fördern und sichern sollen.
Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugend-
Nebenfolgen
lichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt
(1) Auf Unfähigkeit, öffentliche Ämter zu beklei- werden. Der Richter kann dem Jugendlichen ins-
den, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen besondere auferlegen,
oder in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder 1. Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufent-
zu stimmen, sowie auf Zulässigkeit von Polizei- haltsort beziehen,
aufsicht darf nicht erkannt werden.
2. bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen,
(2) Der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter
3. eine Lehr- oder Arbeitsstelle anzunehmen,
zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu
erlangen (§ 31 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), tritt 4. einer Arbeitsauflage nachzukommen,
nicht ein. 5. den Verkehr mit bestimmten Personen oder den
Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu
§7 unterlassen,
Maßregeln der Sicherung und Besserung 6. keine geistigen Getränke zu genießen oder nicht
Als Maßregeln der Sicherung und Besserung im zu rauchen oder
Sinne des allgemeinen Strafrechts können nur die 7. bei einer Verletzung von Vehrkehrsvorschriften
Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, die an einem polizeilichen Verkehrsunterricht teil-
Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer zunehmen.
Entziehungsanstalt oder die Entziehung der Erlaub- (2) Der Richter kann dem Jugendlichen auch mit
nis zum Führen von Kraftfahrzeugen angeordnet Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des ge-
werden (§ 42 a Abs. 1 Nr. 1, 2 und 7 des Strafgesetz- setzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heil-
buches). erzieherischen Behandlung durch einen Sachver-
ständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen.
§8
Hat der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr
Verbindung von Maßnahmen und Jugendstrafe vollendet, so soll dies nur mit seinem Einverständ-
(1) Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel, ebenso nis geschehen.
mehrere Erziehungsmaßregeln oder mehrere Zucht-
mittel können nebeneinander angeordnet werden. § 11
Mit der Anordnung der Fürsorgeerziehung darf
Nachträgliche Änderung von Weisungen;
Jugendarrest nicht verbunden werden.
Folgen der Zuwiderhandlung
(2) Der Richter kann neben Jugendstrafe Weisun-
gen erteilen, die Erziehungsbeistandschaft anordnen (1) Der Richter kann Weisungen nachträglich
ändern oder von ihnen befreien, wenn dies aus
und besondere Pflichten auferlegen. Auf Fürsorge-
erziehung und auf andere Zuchtmittel kann er neben Gründen der Erziehung geboten ist.
Jugendstrafe nicht erkennen. Steht der Jugendliche (2) Kommt der Jugendliche Weisungen schuldhaft
unter Bewährungsaufsicht, so ruht eine gleichzeitig nicht nach, so kann Jugendarrest verhängt werden,
bestehende Erziehungsbeistandschaft bis zum Ab- wenn eine Belehrung über die Folgen schuldhafter
lauf der Bewährungszeit. Zuwiderhandlung erfolgt war.
154 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1973, Teil I
§ 12 § 16
Erziehungs beistandschaft und Fürsorgeerziehung Jugendarrest
Die Voraussetzungen, die Ausübung und Aus- (l) Der Jugendarrest ist Freizeitarrest, Kurzarrest
führung sowie die Beendigung der Erziehungs- oder Dauerarrest.
beistandschaft. und der Führsorgeerziehung richten (2) Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche
sich nach dem Vorschriften über Jugendwohlfahrt. Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf minde-
Eines Versuchs, den Erziehungsbeistand nach § 56
stens eine Freizeit und höchstens vier Freizeiten be-
des Gesetzes für Jugendwohlfahrt zu bestellen, oder messen.
die Freiwillige Erziehungshilfe nach § 63 des Ge-
setzes für Jugendwohlfahrt zu gewähren, bedarf es (3) Der Kurzarrest wird statt des Freizeitarrestes
nicht. verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus
Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und
weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugend-
Dritter Abschnitt lichen beeinträchtigt werden. Dabei stehen zwei
Zuchtmittel Tage Kurzarrest einer Freizeit gleich. Die Gesamt-
dauer des Kurzarrestes darf aber sechs Tage nicht
§ 13
überschreiten.
Arten und Anwendung (4) Der Dauerarrest beträgt mindestens eine
Woche und höchstens vier Wochen. Er wird nach
(1) Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmit- vollen Tagen oder Wochen bemessen.
teln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Ju-
gendlichen aber eindringlich zum Bewußtsein ge-
bracht werden muß, daß er für das von ihm began-
gene Unrecht einzustehen hat. Vierter Abschnitt
(2) Zuchtmittel sind Die Jugendstrafe
1. die Verwarnung, § 17
2. die Auferlegung besonderer Pflichten, Form und Voraussetzungen
3. der Jugendarrest. (1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer
(3) Zuchtmittel haben nicht die Rechtswirkungen J ugendstraf anstal t.
einer Strafe. Sie begründen nicht die Anwendung (2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn
von strafrechtlichen Rückfallvorschriften. wegen der schädlichen Neigungen des Jugend-
lichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erzie-
§ 14 hungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung
nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der
Verwarnung Schuld Strafe erforderlich ist.
Durch die Verwarnung so11 dem Jugendlichen das
Unrecht der Tat eindringlich vorgehalten werden. § 18
Dauer der Jugendstrafe
§ 15 (1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt
Auferlegung besonderer Pflichten sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es
sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach
(1) Als besondere Pflichten kann der Richter dem dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von
Jugendlichen auferlegen, mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist,
1. den Schaden wiedergutzumachen, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen
2. sich persönlich bei dem Verletzten zu entschul- des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.
digen oder (2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die
3. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützi- erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.
gen Einrichtung zu zahlen.
Dabei dürfen an den Jugendlichen keine unzumut- § 19
baren Anforderungen gestellt werden. Jugendstrafe von unbestimmter Dauer
(2) Der Richter soll die Zahlung eines Geldbetra:- (1) Der Richter verhängt Jugendstrafe von un-
ges nur anordnen, wenn bestimmter Dauer, wenn wegen der schädlichen
1. der Jugendliche eine leichte Verfehlung began- Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervor-
gen hat und anzunehmen ist, daß er den Geld- getreten sind, eine Jugendstrafe von höchstens vier
betrag aus Mitteln zahlt, über die er selbständig Jahren geboten ist und sich nicht voraussehen läßt,
verfügen darf, oder welche Zeit erforderlich ist, um den Jugendlichen
2. dem Jugendlichen der Gewinn, den er aus der Tat durch den Strafvollzug zu einem rechtschaffenen
erlangt, oder das Entgelt, das er für sie erhalten Lebenswandel zu erziehen.
hat, entzogen werden soll. (2) Das Höchstmaß der Jugendstrafe von unbe-
(3) Bei schuldhafter Nichterfüllung von besonde- stimmter Dauer beträgt vier Jahre. Der Richter kann
ren Pflichten gilt § 11 Abs. 2 entsprechend. ein geringeres Höchstmaß bestimmen oder das
Nr. 17 -- Tag der Ausgabe: Bonn, den 8. März 1973 155
Mindestrnilf:I (§ 1B J\bs. 1) erhöhen. Der Unterschied § 23
zwischen dcrn Mindest- und dem Höchstmaß soll Bewährungsauflagen
nicht weni~Jer als zwei Juhre betragen.
(1) Der Richter soll für die Dauer der Bewährungs-
(3) Die Jugendstrafe von unbestimmter Dauer zeit die Lebensführung des Jugendlichen durch Auf-
wird nach den für das Vollstreckungsverfahren gel- lagen beeinflussen, die eine umfassende erziehe-
tenden Vorschriften (§ 89 Abs. 3 und 4) in eine rische Einwirkung gewährleisten. Zu diesem Zweck
bestimmte Jugendstrafe umgewandelt, sobald der soll er dem Jugendlichen Weisungen erteilen (§ 10)
Jugendliche aus dem Strafvollzug entlassen wird. oder besondere Pflichten auferlegen (§ 15). Diese
Anordnungen kann er auch nachträglich treffen,
ändern oder aufheben.
(2) Macht der Jugendliche Zusagen für seine
Fünfter Abschnitt künftige Lebensführung oder erbietet er sich zu an-
Aussetzung der Jugendstrafe gemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das
zur Bewährung be9angene Unrecht dienen, so sieht der Richter in
der Regel von entsprechenden Auflagen vorläufig
ab, wenn die Erfüllung der Zusagen oder des An-
§ 20 erbietens zu erwarten ist.
(weggefallen)
§ 24
§ 21 Bewährungsaufsicht und Bewährungshilfe
Strafaussetzung (1) Der Richter unterstellt den Jugendlichen für
die Dauer der Bewährungszeit der Aufsicht und
(1) Bei der Verurteilung zu einer bestimmten Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers.
Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr kann Er kann ihn auch einem ehrenamtlichen Bewäh-
der Richter dje Vollstreckung der Strafe zur Bewäh- rungshelfer unterstellen, wenn dies aus Gründen der
rung aussetzen, wenn zu erwarten ist, daß der Erziehung zweckmäßig erscheint.
Jugendliebe sich schon dje Verurteilung zur War-
nung dienen lc1ssen und auch ohne die Einwirkung (2) Der Bewährungshelfer steht dem Jugendlichen
des Strnfvollzugs unter der erzieherischen Einwir- helfend und betreuend zur Seite. Er überwacht im
kung in der Bewührun~Jszcit künftig einen recht- Einvernehmen mit dem Richter die Erfüllung der
schaffenen Lebenswunde] führen wird. Dabei sind Auflagen, Zusagen und Anerbieten. Der Bewäh-
namentlich die Persönlichkeit des Jugendlichen, rungshelfer soll die Erziehung des Jugendlichen
sein Vorleben, die Umstünde seiner Tat, sein Ver- fördern und möglichst mit dem Erziehungsberech-
halten nc1ch der Tat, seine Lebensverhältnisse und tigten und dem gesetzlichen Vertreter vertrauens-
die Wirkungr:n zu berücksichtigen, die von der Aus- voll zusammenwirken. Er hat bei der Ausübung
setzung für ihn zu erwarten sind. seines Amtes das Recht auf Zutritt zu dem Jugend-
lichen. Er kann von dem Erziehungsberechtigten,
(2) Der Richter kann unter den Voraussetzungen dem gesetzlichen Vertreter, der Schule, dem Lehr-
des Absatzes l auch die Vollstreckung einer höhe- herrn oder dem sonstigen Leiter der Berufsausbil-
ren bestimmten Ju9endstrafe, die zwei Jahre nicht dung Auskunft über die Lebensführung des Jugend-
übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn beson- lichen verlangen.
dere Umstünde in der Tat und in der Persönlichkeit § 25
des Jugendlichen vorliegen.
Bestellung und Pflichten des Bewährungshelfers
(3) Die Strafoussetzun9 kann nicht auf einen Teil
der Jugendstrafe beschränkt werden. Sie wird durch Der Bewährungshelfer wird vom Richter bestellt.
eine Anrechmm9 von Untersuchungshaft oder einer Der Richter kann ihm für seine Tätigkeit nach § 24
anderen Freiheilsentziehun9 nicht aus9eschlossen. Abs. 2 Anweisungen erteilen. Der Bewährungshelfer
berichtet über die Lebensführung des Jugendlichen
in Zeitabständen, die der Richter bestimmt. Gröb-
§ 22 liche oder beharrliche Verstöße gegen Bewährungs-
Bewährungszeit auflagen teilt er dem Richter mit.
(1) Der Richter bestimmt die Dauer der Bewäh- § 26
rungszeit. Sie darf drei Jahre nicht überschreiten
Widerruf der Strafaussetzung
und zwei Jahre nicht unterschreiten.
(1) Der Richter widerruft die Aussetzung der
(2) Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechts-
kraft der Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe, wenn der Jugendliche
Ju9endstrafe. Sie kann nachträglich bis auf ein Jahr 1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht,
verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf vier Jahre 2. gegen Bewährungsauflagen gröblich oder beharr-
verlän9ert werden. In den Fällen des § .21 Abs. 2 lich verstößt oder
darf die Bewührungszeit jedoch nur bis auf zwei 3. sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungs-
Jahre verkürzt werden. helfers beharrlich entzieht
(3) Wähnmd der Bewährun9szeit ruht die Ver- und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Straf-
jährung der Vollstreckung der Jugendstrafe. aussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat.
156 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1973, Teil I
(2) Der Richter sieht jedoch von dem Widerruf (2) Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1
ab, wenn es ausreicht, die Bewährungszeit zu ver- nach Ablauf der Bewährungszeit nicht vor, so wird
längern (§ 22 Abs. 2) oder weitere Bewährungsauf- der Schuldspruch getilgt.
lagen zu erteilen (§ 23).
(3) Leistungen, die der Jugendliche zur Erfüllung Siebenter Abschnitt
von Bewährungsauflagen (§ 23 Abs. 1), Anerbieten
oder Zusagen (§ 23 Abs. 2) erbracht hat, werden
Mehrere Straftaten
nicht erstattet. Der Richter kann jedoch, wenn er die § 31
Strafaussetzung widerruft, solche Leistungen auf die
Jugendstrafe anrechnen. Mehrere Straftaten eines Jugendlichen
(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straf-
§ 26 a taten begangen hat, setzt der Richter nur einheitlich
Erlaß der Jugendstrafe Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugend-
strafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8),
Widerruft der Richter die Strafaussetzung nicht, können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und
so erläßt er die Jugendstrafe nach Ablauf der Be-
Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maß-
währungszeit. § 26 Abs. 3 Satz 1 ist anzuwenden. nahmen mit der Strafe verbunden werden. Die
gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und
Sechster Abschnitt der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden.
Aussetzung der Verhängung (2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils
der Jugendstrafe der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld fest-
gestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zucht-
§ 27 mittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt worden,
Voraussetzungen aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder
sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des
Kann nach Erschöpfung der Ermittlungsmöglich- Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maß-
keiten nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob in nahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung
der Straftat eines Jugendlichen schädliche Nei- bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen
gungen von einem Umfang hervorgetreten sind, daß des Richters, wenn er auf Jugendstrafe erkennt.
eine Jugendstrafe erforderlich ist, so kann der Rich-
ter die Schuld des Jugendlichen feststellen, die Ent- (3) Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig,
scheidung über die Verhängung der Jugendstrafe so kann der Richter davon absehen, schon abge-
aber für eine von ihm zu bestimmende Bewährungs- urteilte Straftaten in die neue Entscheidung ein-
zeit aussetzen. zubeziehen. Dabei kann er Erziehungsmaßregeln
und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn er auf
§ 28
Jugendstrafe erkennt.
Bewährungszeit
§ 32
(1) Die Bewährungszeit darf zwei Jahre nicht
Mehrere Straftaten
überschreiten und ein Jahr nicht unterschreiten.
in verschiedenen Alters- und Reifestuf en
(2) Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechts-
Für mehrere Straftaten, die gleichzeitig abgeur-
kraft des Urteils, in dem die Schuld des Jugend-
teilt werden und auf die teils Jugendstrafrecht und
lichen festgestellt wird. Sie kann nachträglich bis
teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, gilt
auf ein Jahr verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis
einheitlich das Jugendstrafrecht, wenn das Schwer-
auf zwei Jahre verlängert werden.
gewicht bei den Straftaten liegt, die nach Jugend-
strafrecht zu beurteilen wären. Ist dies nicht der
§ 29
Fall, so ist einheitlich das allgemeine Strafrecht an-
Bewährungsaufsicht zuwenden.
Der Jugendliche wird für die Dauer der Bewäh-
rungszeit unter Bewährungsaufsicht gestellt. Die Zweites Hauptstück
§§ 23 bis 25 sind anzuwenden. Jugendgerichtsverfassung
und Jugendstrafverfahren
§ 30
Verhängung der Jugendstrafe; Erster Abschnitt
Tilgung des Schuldspruchs Jugendgerichtsverfassung
(1) Stellt sich vor allem durch schlechte Führung
des Jugendlichen während der Bewährungszeit her- § 33 *)
aus, daß die in dem Schuldspruch mißbilligte Tat Jugendgerichte
auf schädliche Neigungen von einem Umfang zu-
(1) Uber Verfehlungen Jugendlicher entscheiden
rückzuführen ist, daß eine Jugendstrafe erforderlich
die Jugendgerichte.
ist, so erkennt der Richter auf die Strafe, die er im
Zeitpunkt des Schuldspruchs bei sicherer Beurtei- *) Soweit § 33 Abs. 4 Ermächtigungen der obersten Landesbehörden
lung der schädlichen Neigungen des Jugendlichen zum Erlaß von Rechtsverordnungen vorsieht, sind die Landes-
regierungen zum Erlaß dieser Rechtsverordnungen ermächtigt. Die
ausgesprochen hätte. Eine Aussetzung dieser Strafe Landesregierungen können die Ermächtigungen auf oberste Landes-
behörden übertragen (Gesetz über Rechtsverordnungen im Bereich
nach § 21 ist unzulässig. der Gerichtsbarkeit vom 1. Juli 1960, Bundesgesetzbl. I S. 481).
Nr. 17 -Tag der Ausgabe: Bonn, den 8. März 1973 157
(2) Juq(~ndnericht.e sind der Amtsrichter als Ju- des Gerichtsverfassungsgesetzes. Für die Aufnahme
gendrjchler, das Schöffen~Jcricht (Jugendschöffen- in die Liste ist die Zustimmung von zwei Dritteln
gericht.) und die Sl.rc1fkmnmcr (Jugendkammer). der stimmberechtigten Mitglieder erforderlich. Die
Vorschlagsliste ist im Jugendamt eine Woche lang
(3) In der Ifouptverhandlung ist das Jugend-
zu jedermanns Einsicht aufzulegen. Der Zeitpunkt
schöffenrwricht. mit dem Jugendrichter als Vorsit-
der Auflegung ist vorher öffentlich bekannt-
zendem und zwei Jugendschöffen, die Jugendkam-
zumachen.
mer mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzen-
den und zwr>i Jugendschöffen besetzt. Als Jugend- (4) Bei der Entscheidung über Einsprüche gegen
schöffen sollen zu jeder Hauptverhandlung ein die Vorschlagsliste des Jugendwohlfahrtsausschus-
Mann und eine Frau herangezogen werden. ses und bei der Wahl der Jugendschöffen und -hilfs-
schöffen führt der Jugendrichter den Vorsitz in dem
(4) Die Landesjuslizverwaltung kann einen Amts-
Schöffenwahlausschuß.
richter zum Jugendrichter für den Bezirk mehrerer
Amtsgerichte bestellen (Bezirksjugendrichter). Sie (5) Die Jugendschöffen werden in besondere
kann auch bei einem Amtsgericht ein gemeinsames für Männer und Frauen getrennt zu führende
Jugendschölfengericht für den Bezirk mehrerer Schöffenlisten aufgenommen.
Amtsgerichte einrichten.
§ 36
§ 34 Jugendstaatsanwalt
Aufgaben des Jugendrichters Für Verfahren, die zur Zuständigkeit der Jugend-
(1) Dem Jugendrichter obliegen alle Aufgaben, die gerichte gehören, werden Jugendstaatsanwälte
ein Amtsrichter im Strafverfahren hat. bestellt.
(2) Der Jugendrichter soll nach Möglichkeit zu-
gleich auch Vormundschaftsrichter sein. Ist dies § 37
nicht durchführbar, so sollen ihm für die Minder- Auswahl der Jugendrichter
jährigen über vierzehn Jahre die vormundschafts- und Jugendstaatsanwälte
richterlichen Erziehungsaufgaben übertragen wer-
Die Richter bei den Jugendgerichten und die
den. Aus besonderen Gründen, namentlich wenn der
Jugendstaatsanwälte sollen erzieherisch befähigt
Jugendrichter für dEm Bezirk mehrerer Amtsgerichte
und in der Jugenderziehung erfahren sein.
bestellt ist, kann hiervon abgewichen werden.
(3) Vormundschaftsrichterliche Erziehungsaufga-
ben sind § 38
1. die Unterstützung der Eltern, des Vormundes und Jugendgerichtshilfe
des Pflegers durch geeignete Maßregeln (§ 1631
(1) Die Jugendgerichtshilfe wird von den Jugend-
Abs. 2, §§ 1800, 1915 des Bürgerlichen Gesetz-
buches), ämtern im Zusammenwirken mit den Vereinigungen
für Jugendhilfe ausgeübt.
2. die Maßnahmen zur Abwendung einer Gefähr-
dung des Minderjährigen (§§ 1666, 1838, 1915 des (2) Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen
Bürgerlichen Gesetzbuches), die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Ge-
3. die Entscheidungen, welche die Erziehungsbei- sichtspunkte im Verfahren vor den Jugendgerichten
standschaft und die Fürsorgeerziehung betreffen. zur Geltung. Sie unterstützen zu diesem Zweck die
beteiligten Behörden durch Erforschung der Persön-
lichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Be-
schuldigten und äußern sich zu den Maßnahmen,
§ 35 die zu ergreifen sind. Soweit nicht ein Bewährungs-
Jugendschöffen helfer dazu berufen ist, wachen sie darüber, daß der
Jugendliche Weisungen und besonderen Pflichten
(1) Die Schöffen der Jugendgerichte (Jugend-
nachkommt. Erhebliche Zuwiderhandlungen teilen
schöffen) werden auf Vorschlag des Jugendwohl-
sie dem Richter mit. Während der Bewährungszeit
fahrtsausschusses für die Dauer von zwei Geschäfts-
arbeiten sie eng mit dem Bewährungshelfer zusam-
jahren von dem in § 40 des Gerichtsverfassungs-
men. Während des Vollzugs bleiben sie mit dem
gesetzes vorgesehenen Ausschuß gewählt. Dieser
Jugendlichen in Verbindung und nehmen sich seiner
soll eine gleiche Anzahl von Männern und Frauen
Wiedereingliederung in die Gemeinschaft an.
wählen.
(2) Der Jugendwohlfahrtsausschuß soll ebenso- (3) Im gesamten Verfahren gegen einen Jugend-
viele Münner wie Frauen und mindestens die dop- lichen ist die Jugendgerichtshilfe heranzuziehen.
pelte Anzahl von Personen vorschlagen, die als Dies soll so früh wie möglich geschehen. Bei Uber-
Jugendschöffen und -hilfsschöffen benötigt werden. tretungen kann von der Heranziehung der Jugend-
Die Vorgeschlagenen sollen erzieherisch befähigt gerichtshilfe abgesehen werden, wenn ihre Mitwir-
und in der Jugenderziehung erfahren sein. kung für die sachgemäße Durchführung des Verfah-
rens entbehrlich ist. Vor der Erteilung von Wei-
(3) Die Vorschlagsliste des Jugendwohlfahrtsaus- sungen (§ 10) sind die Vertreter der Jugendgerichts-
schusses gilt als Vorschlagsliste im Sinne des § 36 hilfe stets zu hören.
Z w (' i i "· 1 /\ l 1• eh n i Lt 1. der Richter, dem die vormundschaftsrichterlichen
Erziehungsaufgaben für den Beschuldigten ob-
'/.t1::t~i11(! i:J kc:it
liegen,
§ :rn
2. der Richter, in dessen Bezirk sich der auf freiPm
Sachlk:he Zlrn!.iindi{1b:a clcs Jugendrichters Fuß befindliche Beschuldigte zur Zeit der Erhe-
(1) Dc!r .lt1CJ(:ndric:hter isl :;.uslJnclig für Verfeh- bung der Anklage aufhält,
ltin\JC'n .luq<'ndlic her, wc·nn nur Erziehungsmaß- 3. solange der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch
r<!q<~ln, ZllchlmiLl.el, nach diesC'm Gesetz zulässige nicht vollständig verbüßt hat, der Richter, dem
NdK:nsLr,den und Ncbenfolqen oder die Entziehung die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.
der Fahrerlaubnis zu erwc1rl.en sind und der Staats-
anwalt J\nklc1qe beim Ei11zelrichter erhebt. § 209 (2) Der Staatsanwalt soll die Anklage nach Mög-
Abs. 2 und 3 dc~r Strafprozd)ordnung gilt entspre- lichkeit vor dem Richter erheben, dem die vor-
chend. mundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben ob-
liegen, solange aber der Beschuldigte eine Jugend-
(2) Der Ju~Jendric:hter darf auf Jugendstrafe von strafe noch nicht vollständig verbüßt hat, vor dem
rnPhr als einem .fohr oder von unbestimmter Dauer Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters
nicht erkennen. obliegen.
§ 40
(3) Wechselt der Angeklagte seinen Aufenthalt, so
Sachliche Zuständigkeit
kann der Richter das Verfahren mit Zustimmung des
des Jugendschöffengerichts
Staatsanwalts an den Richter abgeben, in dessen
(1) Das Jugendschöffengericht ist zuständig für Bezirk sich der Angeklagte aufhält. Hat der Richter,
alle Verfehlungen, die nicht zur Zuständigkeit eines an den das Verfahren abgegeben worden ist, gegen
anderen Jugendgerichts gehören. § 209 Abs. 2 und 3 die Ubernahme Bedenken, so entscheidet das ge-
der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. meinschaftliche obere Gericht.
(2) Das Jugendschöffengericht kann bis zur Eröff-
nung des Hauptverfahrens von Amts wegen die
Entscheidung der Jugendkc1rnmer darüber herbei-
führen, ob sie eine Sache wegen ihres besonderen
Dritter Abschnitt
Umfangs übernehmen will.
(3) Vor Erlaß des Ubernahmebeschlusses fordert Jugendstrafverfahren
der Vorsitzende der Jugendkammer den Angeschul-
digten auf, sich innerhalb einer zu bestimmenden
Erster Unterabschnitt
Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner
Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung oder Das Vorverfahren
eine Voruntersuchung (§ 178 der Strafprozeßord-
nung) beantragen will.
§ 43
(4) Der Beschluß, durch den die Jugendkammer
die Sache übermmmt oder die Ubernahme ablehnt, Umfang der Ermittlungen
ist nicht anfechtbar. Der Ubernahmebeschluß ist mit
(1) Nach Einleitung des Verfahrens sollen so bald
dem Eröffnungsbeschluß zu verbinden.
wie möglich die Lebens- und Familienverhältnisse,
§ 41 der Werdegang, das bisherige Verhalten des Be-
schuldigten und alle übrigen Umstände ermittelt
Sachliche Zuständigkeit der Jugendkammer werden, die zur Beurteilung seiner seelischen,
(1) Die Jugendkammer ist als erkennendes Gericht geistigen und charakterlichen Eigenart dienen kön-
des ersten Rechtszuges zuständig in Sachen, nen. Der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche
1. die nach den allgemeinen Vorschriften zur Zu- Vertreter, die Schule und der Lehrherr oder der
ständigkeit des Schwurgerichts gehören und sonstige Leiter der Berufsausbildung sollen, soweit
möglich, gehört werden. Die Anhörung des Lehr-
2. die sie nach Vorlage durch das Jugendschöffen-
herrn oder Ausbildungsleiters unterbleibt, wenn der
gericht wegen ihres besonderen Umfangs über-
Jugendliche davon unerwünschte Nachteile, nament-
nimmt (§ 40 Abs. 2).
lich den Verlust seines Arbeitsplatzes, zu besorgen
(2) Die Jugendkammer ist außerdem zuständig für hätte. § 38 Abs. 3 ist zu beachten.
die Verhandlung und Entscheidung über das Rechts-
mittel der Berufung gegen die Urteile des Jugend- (2) Bei Fürsorgezöglingen erhält die Fürsorge-
richters und des Jugendschöffengerichts. Sie trifft erziehungsbehörde Gelegenheit zur Äußerung.
auch die in § 73 Abs. 1 des Gerichtsverfassungs-
gesetzes bezeichneten Entscheidungen. (3) Soweit erforderlich, ist eine Untersuchung des
Beschuldigten, namentlich zur Feststellung seines
§ 42 Entwicklungsstandes oder anderer für das Verfahren
wesentlicher Eigenschaften, herbeizuführen. Nach
Ortliche Zuständigkeit
Möglichkeit soll ein zur kriminalbiologischen Unter-
(1) Neben dem Richter, der nach dem allgemeinen suchung von Jugendlichen befähigter Sachverstän-
Verfahrensrecht oder nach besonderen Vorschriften diger mit der Durchführung der Anordnung beauf-
zuständig ist, sind zuständig tragt .werden.
Nr. 17 -Tag der Ausgabe: Bonn, den 8. März 1973 159
§ 44 § 48
Vernehmung des Beschuldigten Nichtöffentlichkeit
Ist Jugendstrafe zu erwarten, so soll der Staats- (1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht
anwalt oder der Vorsitzende des Jugendgerichts den einschließlich der Verkündung der Entscheidungen
Beschuldigten vernehmen, ehe die Anklage erhoben ist nicht öffentlich.
wird. (2) Neben den am Verfahren Beteiligten ist dem
§ 45
Verletzten, den Beamten der Kriminalpolizei und,
falls der Angeklagte unter Bewährungsaufsicht steht
Absehen von der Verfolgung oder für ihn ein Erziehungsbeistand bestellt ist, dem
(1) Hält der Staatsanwalt eine Ahndung durch Helfer und dem Erziehungsbeistand die Anwesen-
Urteil für entbehrlich, so kann er bei dem Jugend- heit gestattet. Andere Personen kann der Vorsit-
richter anregen, dem geständigen Beschuldigten eine zende aus besonderen Gründen, namentlich zu Aus-
Arbeitsauflage zu machen, ihm besondere Pflichten bildungszwecken, zulassen.
aufzuerlegen, die Teilnahme an einem polizeilichen (3) Sind in dem Verfahren auch Heranwachsende
Verkehrsunterricht anzuordnen oder eine Ermah- oder Erwachsene angeklagt, so ist die Verhandlung
nung auszusprechen. § 11 Abs. 2 und § 15 Abs. 3 öffentlich. Die Offentlichkeit kann ausgeschlossen
sind nicht anzuwenden. Entspricht der Jugendrichter werden, wenn dies im Interesse der Erziehung
der Anregung, so hat der Staatsanwalt von der Ver- jugendlicher Angeklagter geboten ist.
folgung abzusehen.
(2) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des § 49
Richters von der Verfolgung absehen, wenn Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen
1. eine erzieherische Maßnahme, die eine Ahndung
(1) Im Verfahren vor dem Jugendrichter werden
durch den Richter entbehrlich macht, bereits an-
geordnet ist oder Zeugen nur vereidigt, wenn es der Richter wegen
der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder
2. die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeß- zur Herbeiführung einer wahren Aussage für not-
ordnung vorliegen. wendig hält. Von der Vereidigung von Sachverstän-
digen kann der Jugendrichter in jedem Falle ab-
§ 46
sehen.
Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen
(2) Sind in dem Verfahren auch Heranwachsende
Der Staatsanwalt soll das wesentliche Ergebnis oder Erwachsene angeklagt, so ist Absatz 1 nicht
der Ermittlungen in der Anklageschrift (§ 200 Abs. 2 anzuwenden.
der Strafprozeßordnung) so darstellen, daß die § 50
Kenntnisnahme durch den Beschuldigten möglichst
Anwesenheit in der Hauptverhandlung
keine Nachteile für seine Erziehung verursacht.
(1) Die Hauptverhandlung kann nur dann ohne
den Angeklagten stattfinden, wenn dies im all-
Zweiter Unterabschnitt gemeinen Verfahren zulässig wäre, besondere
Gründe dafür vorliegen und der Staatsanwalt zu-
Das Hauptverfahren stimmt.
(2) Der Vorsitzende soll auch die Ladung des Er-
§47 ziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertre-
Einstellung des Verfahrens durch den Richter ters anordnen. Die Vorschriften über die Ladung,
(1) Ist die Anklage eingereicht, so kann der Rich- die Folgen des Ausbleibens und die Gebühren von
ter das Verfahren einstellen, wenn Zeugen gelten entsprechend.
1. er eine Ahndung für entbehrlich hält und gegen (3) Dem Vertreter der Jugendgerichtshilfe sind
den geständigen Angeklagten eine in § 45 Abs. 1 Ort und Zeit der Hauptverhandlung mitzuteilen. Er
bezeichnete Maßnahme anordnet, erhält auf Verlangen das Wort.
2. die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 vorliegen
oder § 51
3. der Angeklagte mangels Reife strafrechtlich nicht Zeitweilige Ausschließung von Beteiligten
verantwortlich ist. (1) Der Vorsitzende soll den Angeklagten für die
(2) Die Einstellung bedarf der Zustimmung des Dauer solcher Erörterungen von der Verhandlung
Staatsanwalts. Der Einstellungsbeschluß kann auch ausschließen, aus denen Nachteile für die Erziehung
in der Hauptverhandlung ergehen. Er wird mit entstehen können. Er hat ihn von dem, was in seiner
Gründen versehen und ist nicht anfechtbar. Die Abwesenheit verhandelt worden ist, zu unterrichten,
Gründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit es für seine Verteidigung erforderlich ist.
soweit davon Nachteile für die Erziehung zu be- (2) Der Vorsitzende soll auch Angehörige, den
fürchten sind. Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Ver-
(3) Wegen derselben Tat kann nur auf Grund treter des Angeklagten von der Verhandlung aus-
neuer Tatsachen oder Beweismittel von neuem An- schließen, soweit gegen ihre Anwesenheit Bedenken
klage erhoben werden. bestehen.
160 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1973, Teil I
§ 52 ten angeordnet werden sollen oder weil die Aus-
Berücksichtigung von Untersuchungshaft wahl und Anordnung der Erziehungsmaßregeln dem
bei Jugendarrest und Jugendstrafe Vormundschaftsrichter überlassen worden sind.
Diese Vorschrift gilt nicht, wenn die Entscheidung
(1) Wird auf Jugendarrest erkannt und ist dessen Fürsorgeerziehung angeordnet hat.
Zweck durch Untersuchungshaft oder eine andere
wegen der Tat erlittene Freiheitsentziehung ganz (2) Wer eine zulässige Berufung eingelegt hat,
oder teilweise erreicht, so kann der Richter im Urteil kann gegen das Berufungsurteil nicht mehr Revision
aussprechen, daß oder wieweit der Jugendarrest einlegen. Hat der Angeklagte, der Erziehungs-
nicht vollstreckt wird. berechtigte oder der gesetzliche Vertreter eine zu-
lässige Berufung eingelegt, so steht gegen das Be-
(2) Der Richter soll erlittene Untersuchungshaft rufungsurteil keinem von ihnen das Rechtsmittel der
auf Jugendstrafe nur anrechnen, soweit sich ihr Revision zu.
Vollzug erzieherisch günstig ausgewirkt hat oder die
Versagung der Anrechnung auch bei Berücksichti- § 56
gung der Erziehungsaufgabe des Strafvollzugs eine
unbillige Härte wäre. Teilvollstreckung einer Einheitsstrafe
(3) Wird auf Jugendstrafe von unbestimmter (1) Ist ein Angeklagter wegen mehrerer Straftaten
Dauer Untersuchungshaft angerechnet, so hat der zu einer Einheitsstrafe verurteilt worden, so kann das
Richter zugleich zu bestimmen, wieweit sich die Rechtsmittelgericht vor der Hauptverhandlung das
Anrechnung auf das Mindest- und das Höchstmaß Urteil für einen Teil der Strafe als vollstreckbar er-
der Strafe auswirkt. Dabei ist mindestens ein Viertel klären, wenn die Schuldfeststellungen bei einer Straf-
der Untersuchungshaft auf das Mindestmaß anzu- tat oder bei mehreren Straftaten nicht beanstandet
rechnen. worden sind. Die Anordnung ist nur zulässig, wenn
sie dem wohlverstandenen Interesse des Angeklag-
§ 53 ten entspricht. Der Teil der Strafe darf nicht über
Dberweisung an den Vormundschaftsrichter die Strafe hinausgehen, die einer Verurteilung
wegen der Straftaten entspricht, bei denen die
Der Richter kann dem Vormundschaftsrichter im
Schuldfeststellungen nicht beansta_ndet worden sind.
Urteil die Auswahl und Anordnung von Erziehungs-
maßregeln überlassen, wenn er nicht auf Jugend- (2) Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde
strafe erkennt. Der Vormundschaftsrichter muß dann zulässig.
eine Erziehungsmaßregel anordnen, soweit sich
nicht die Umstände, die für das Urteil maßgebend
waren, verändert haben.
Vierter Unterabschnitt
§ 54 Verfahren
bei Aussetzung der Jugendstrafe
Urteilsgründe
zur Bewährung
(1) Wird der Angeklagte schuldig gesprochen, so
wird in den Urteilsgründen auch ausgeführt, welche § 57
Umstände für seine Bestrafung, für die angeordneten
Maßnahmen, für die Uberlassung ihrer Auswahl und Entscheidung über die Aussetzung
Anordnung an den Vormundschaftsrichter oder für (1) Die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewäh-
das Absehen von Zuchtmitteln und Strafe bestim- rung wird im Urteil oder, solange der Strafvollzug
mend waren. Dabei soll namentlich die seelische, noch nicht begonnen hat, nachträglich durch Be-
geistige und körperliche Eigenart des Angeklagten schluß angeordnet. Für den nachträglichen Beschluß
berücksichtigt werden. ist der Richter zuständig, der in der Sache im ersten
(2) Die Urteilsgründe werden dem Angeklagten Rechtszuge erkannt hat; der Staatsanwalt und der
nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Er- Jugendliche sind zu hören.
ziehung zu befürchten sind. (2) Hat der Richter die Aussetzung im Urteil ab-
gelehnt, so ist ihre nachträgliche Anordnung nur
zulässig, wenn seit Erlaß des Urteils Umstände her-
Dritter Unterabschnitt vorgetreten sind, die allein oder in Verbindung mit
Rechtsmittel verfahren den bereits bekannten Umständen eine Aussetzung
der Jugendstrafe zur Bewährung rechtfertigen.
§ 55 (3) Kommen Bewährungsauflagen (§ 23) in Be-
tracht, so ist der Jugendliche in geeigneten Fällen
Anfechtung von Entscheidungen zu befragen, ob er Zusagen für seihe künftige Le-
(1) Eine Entscheidung, in der lediglich Erziehungs- bensführung macht oder sich zu Leistungen erbietet,
maßregeln oder Zuchtmittel angeordnet oder die die der Genugtuung für das begangene Unrecht
Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln dienen. Kommt die Weisung in Betracht, sich einer
dem Vormundschaftsrichter überlassen sind, kann heilerzieherischen Behandlung zu unterziehen, so
nicht wegen des Umfangs der Maßnahmen und nicht ist der Jugendliche, der das sechzehnte Lebensjahr
deshalb angefochten werden, weil andere oder vollendet hat, zu befragen, ob er hierzu seine Ein-
weitere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hät- willigung gibt.
Nr. 17 -- Tag der Ausgabe: Bonn, den 8. März 1973 161
(4) § 260 Abs. 4 Sdlz 2, § 263 Abs. 4 und § 267 und versprechen, daß er den Bewährungsauflagen
Abs. 3 Salz 3 der Strnfprozcßordnung gelten ent- nachkommen will. Auch der Erziehungsberechtigte
sprechend. und der gesetzliche Vertreter sollen den Bewäh-
§ 58 rungsplan unterzeichnen.
W eitere Entscheidungen
§ 61
(1) Entscheidungen, die jnfolge der Aussetzung
erforderlich werden (§§ 22, 23, 26, 26 a), trifft der Haftbefehl
Richter durch Beschluß. Der Staatsanwalt, der Ju- (1) Kommt ein Widerruf der Aussetzung in Be-
gendliche und der BewährunrJshelfer sind zu hören. tracht, so kann der Richter, um sich der Person des
Der Beschluß ist zu begründen. Jugendlichen zu versichern, vorläufige Maßnahmen
(2) Zuständig ist der Richter, der die Aussetzung treffen, notfalls einen Haftbefehl erlassen.
angeordnet hat. Er kann die Entscheidungen ganz (2) Die auf Grund eines Haftbefehls nach Absatz 1
oder teilweise dem Jugendrichter übertragen, in erlittene Haft wird auf die zu vollstreckende Jugend-
dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält. § 42 strafe angerechnet. Die §§ 114 bis 115 a der Straf-
Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend. prozeßordnung gelten sinngemäß.
§ 59
Fünfter Unterabschnitt
Anfechtung
Verfahren
(1) Gegen eine Entscheidung, durch welche die Aus-
bei Aussetzung der Verhängung
setzung der Jugendstrafe angeordnet oder abgelehnt
der Jugendstrafe
wird, ist, wenn sie für sich allein angefochten wird,
sofortige Beschwerde zulässig. Das gleiche gilt,
§ 62
wenn ein Urteil nur deshalb angefochten wird, weil
die Strafe nicht ausgesetzt worden ist. Entscheidungen
(2) Gegen eine Entscheidung über die Dauer der (1) Entscheidungen nach den§§ 27 und 30 ergehen
· Bewährungszeit (§ 22) oder über Bewährungsauf- auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil. Für
lagen (§ 23) ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur die Entscheidung über die Aussetzung der Verhän-
darauf gestützt werden, daß die Bewährungszeit gung der Jugendstrafe gelten § 263 Abs. 4 und § 267
nachträglich verlängert worden oder eine getroffene Abs. 3 Satz 3 der Strafprozeßordnung sinngemäß.
Anordnung gesetzwidrig ist.
(2) Mit Zustimmung des Staatsanwalts kann die
(3) Gegen den Widerruf der Aussetzung der Tilgung des Schuldspruchs nach Ablauf der Bewäh-
Jugendstrafe (§ 26 Abs. 1) ist sofortige Beschwerde rungszeit auch ohne Hauptverhandlung durch Be-
zulässig. schluß angeordnet werden.
(4) Der Beschluß über den Straferlaß (§ 26 a) (3) Ergibt eine während der Bewährungszeit durch-
ist nicht anfechtbar. geführte Hauptverhandlung nicht, daß eine Jugend-
(5) Wird gegen ein Urteil eine zulässige Revision strafe erforderlich ist (§ 30 Abs. 1), so ergeht der
und gegen eine Entscheidung, die sich auf eine in Beschluß, daß die Entscheidung über die Verhän-
dem Urteil angeordnete Aussetzung der Jugend- gung der Strafe ausgesetzt bleibt.
strafe zur Bewährung bezieht, Beschwerde eingelegt, (4) Für die übrigen Entscheidungen, die infolge
so ist das Revisionsgericht auch zur Entscheidung einer Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe
über die Beschwerde zuständig. erforderlich werden, gilt § 58 Abs. 1 und Abs. 2
Satz 1 sinngemäß.
§ 60 § 63
Bewährungsplan Anfechtung
(1) Rechtskräftig angeordnete Bewährungsauf- (1) Ein Beschluß, durch den der Schuldspruch nach
lagen stellt der Vorsitzende in einem Bewährungs- Ablauf der Bewährungszeit getilgt wird (§ 62 Abs. 2)
plan zusammen. Er händigt ihn dem Jugendlichen oder die Entscheidung über die Verhängung der
aus und belehrt ihn zugleich über die Bedeutung der Jugendstrafe ausgesetzt bleibt (§ 62 Abs. 3), ist nicht
Aussetzung, die Bewährungszeit und die Bewäh- anfechtbar.
rungsauflagen sowie über die Möglichkeit des Wi-
(2) Im übrigen _gilt § 59 Abs. 2 und 5 sinngemäß.
derrufs der Aussetzung. Zugleich ist ihm aufzu-
geben, jeden Wechsel seines Aufenthalts oder Ar-
beitsplatzes während der Bewährungszeit anzuzei- § 64
gen. Auch bei nachträglichen Änderungen des Be-
Bewährungsplan
währungsplans ist der Jugendliche über den wesent-
lichen Inhalt zu belehren. § 60 gilt sinngemäß. Der Jugendliche ist über die
Bedeutung der Aussetzung, die Bewährungszeit und
(2) Der Name des Bewährungshelfers wird in den die Bewährungsauflagen sowie darüber zu belehren,
Bewährungsplan eingetragen.
daß er die Festsetzung einer Jugendstrafe zu er-
(3) Der Jugendliche soll durch seine Unterschrift warten habe, wenn er sich während der Bewährungs-
bestätigen, daß er den Bewährungsplan gelesen hat, zeit schlecht führe.
162 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1973, Teil I
Sechster Unterabschnitt (2) Ist eine Mitteilung an den Beschuldigten vor-
Ergänzende Entscheidungen geschrieben, so soll die entsprechende Mitteilung
an den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen
Vertreter gerichtet werden.
§ 65
(3) Die Rechte des gesetzlichen Vertreters zur
Nachträgliche Entscheidungen Wahl eines Verteidigers und zur Einlegung von
über Weisungen und Pflichten Rechtsbehelfen stehen auch dem Erziehungsberech-
(1) Nachträgliche Entscheidungen, die sich auf tigten zu.
Weisungen (§ 11) oder besondere Pflichten (§ 15 (4) Der Richter kann diese Rechte dem Erziehungs-
Abs. 3) beziehen, trifft der Richter des ersten Rechts- berechtigten und dem gesetzlichen Vertreter ent-
zuges nach Anhören des Staatsanwalts und des ziehen, soweit sie verdächtig sind, an der Verfehlung
Jugendlichen durch Beschluß. Er kann das Verfah- des Beschuldigten beteiligt zu sein, oder soweit sie
ren an den Jugendrichter abgeben, in dessen Bezirk wegen einer Beteiligung verurteilt sind. Liegen die
sich der Jugendliche aufhält, wenn dieser seinen Voraussetzungen des Satzes 1 bei dem Erziehungs-
Aufenthalt gewechselt hat. § 42 Abs. 3 Satz 2 gilt berechtigten oder dem gesetzlichen Vertreter vor,
entsprechend. so kann der Richter die Entziehung gegen beide aus-
sprechen, wenn ein Mißbrauch der Rechte zu be-
(2) Hat der Richter die Anderung von Weisungen
fürchten ist. Stehen dem Erziehungsberechtigten
abgelehnt, so ist der Beschluß nicht anfechtbar. Hat
und dem gesetzlichen Vertreter ihre Rechte nicht
er Jugendarrest verhängt, so ist gegen den Beschluß mehr zu, so bestellt der Vormundschaftsrichter einen
sofortige Beschwerde zulässig. Diese hat auf-
Pfleger zur Wahrnehmung der Interessen des Be-
schiebende Wirkung.
schuldigten im anhängigen Strafverfahren. Die
Hauptverhandlung wird bis zur Bestellung des
§ 66 Pflegers ausgesetzt.
Ergänzung rechtskräftiger Entscheidungen (5) Sind mehrere erziehungsberechtigt, so kann
bei mehrfacher Verurteilung jeder von ihnen die in diesem Gesetz bestimmten
Rechte des Erziehungsberechtigten ausüben. In der
(1) Ist die einheitliche Festsetzung von Maß-
Hauptverhandlung oder in einer sonstigen Verhand-
nahmen oder Jugendstrafe (§ 31) unterblieben und
lung vor dem Richter wird der abwesende Er-
sind die durch die rechtskräftigen Entscheidungen
ziehungsberechtigte als durch den anwesenden ver-
erkannten Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und
treten angesehen. Sind Mitteilungen oder Ladungen
Strafen noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt
vorgeschrieben, so genügt es, wenn sie an einen
oder sonst erledigt, so trifft der Richter eine solche
Erziehungsberechtigten gerichtet werden.
Entscheidung nachträglich. Dies gilt nicht, soweit
der Richter nach § 31 Abs. 3 von der Einbeziehung
§ 68
rechtskräftig abgeurteilter Straftaten abgesehen
hatte. Notwendige Verteidigung
(2) Die Entscheidung ergeht auf Grund einer Der Vorsitzende bestellt dem Beschuldigten einen
Hauptverhandlung durch Urteil, wenn der Staats- Verteidiger, wenn
anwalt es beantragt oder der Vorsitzende es für 1. einem Erwachsenen ein Verteidiger zu bestellen
angemessen hält. Wird keine Hauptverhandlung wäre,
durchgeführt, so entscheidet der Richter durch Be-
2. dem Erziehungsberechtigten und dem gesetz-
schluß. Für die Zuständigkeit und das Beschluß-
lichen Vertreter ihre Rechte nach diesem Ge-
verfahren gilt dasselbe wie für die nachträgliche
setz entzogen sind oder
Bildung einer Gesamtstrafe nach den allgemeinen
Vorschriften. Ist eine Jugendstrafe teilweise ver- 3. zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Ent-
büßt, so ist der Richter zuständig, dem die Aufgaben wicklungsstand des Beschuldigten (§ 73) seine
des Vollstreckungsleiters obliegen. Unterbringung in einer Anstalt in Frage kommt.
§ 69
Siebenter Unterabschnitt Beistand
Gemeinsame Verfahrens- (1) Der Vorsitzende kann dem Beschuldigten in
vorschriften jeder Lage des Verfahrens einen Beistand bestellen,
wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung vor-
liegt.
§ 67
(2) Der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche
Stellung des Erziehungsberechtigten Vertreter dürfen nicht zum Beistand bestellt werden,
und des gesetzlichen Vertreters wenn hierdurch ein Nachteil für die Erziehung zu
(1) Soweit der Beschuldigte ein Recht darauf hat, erwarten wäre.
gehört zu werden, Fragen und Anträge zu stellen (3) Dem Beistand kann Akteneinsicht gewährt
oder bei Untersuchungshandlungen anwesend zu werden. Im übrigen hat er bei dem Schlußgehör
sein, steht dieses Recht auch dem Erziehungsberech- (§ 169b der Strafprozeßordnung) und in der Haupt-
tigten und dem gesetzlichen Vertreter zu. verhandlung die Rechte eines Verteidigers.
1. 17 . Bonn, den 8. März 1~r73
~ 70 scheidet der Richter, der für die cles
Hauptverfahrens zuständig wäre.
Mi aci hm~:cn
(2) Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde
Vorm u nrLclir: fl :, ric ·I 11f'r und Juqcnd~Jerichtshilfc,
in ~j(:(!iqnPI c:n 1:;iJ 1('.ll duc!1 d ic Schule:, werden von
zulässig. Sie hat. aufschiebende Wirkung.
clcr Ein ki I tmq und dc'm /\ usq,mg des Verfahrens (3) Die Verwahrung in der Anstalt darf die Dauer
un ! (:rrich Ld. Si(\ benilcJ1ricl1 li~Jen den Staatsanwalt, von sechs Wochen nicht überschreiten.
W<!nn ihnen bckimn 1. wi rrl, dil ß gegen den Bcschul-
diqlcn noch ein anderes S1rc_lf verfahren anhängig ist. §74
Kosten und Auslagen
§ 71
Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann da-
Vorfäufige Anordnungen über die Erziehung von abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten
(l) Bis zur fü,clüskraft des Urteils kann der Richter und Auslagen aufzuerlegen.
vorlüufige Anordnungen über die Erziehung des
Jugendlichen treffen. Die Anordnung der vor-
Achter Unterabschnitt
läufigen f-ürsorgcerziehung ist nicht zulässig.
Jugendrichterliche Verfügung
(2) 1st. Jugendstn1fe zu erwarten, so kann der Rich-
und vereinfachtes Jugendverfahren
ter uuch die einstweilige Unterbringung in einem
geeigneten Erziehungsheim anordnen, wenn dies
§ 75
geboten ist, um einem Mißbrauch der Freiheit zu
neuen Strnft.a ten ent~Jcqenzuwirken oder um den Jugendrichterliche Verfügung
Ju~Jendlichen vor einer weiteren Gefährdung seiner (1) Bei Obertretungen kann der Jugendrichter
Entwicklung zu bewahren. für die einstweilige Un- durch richterliche Verfügung eine Arbeits- oder
terbringun9 q(~lten die §§ 114 bis 115 a, 117 bis 118 b, eine Geldauflage anordnen, auf ein Fahrverbot er-
120, 125 und 126 der Strufprozeßordnung sinngemäß. kennen oder die Einziehung oder eine Verwar-
nung aussprechen. Die Heranziehung der Jugend-
§ 72
gerichtshilfe ist nicht erforderlich. Im übrigen gilt
Untersuchungshaft § 413 Abs. 1 bis 4 der Strafprozeßordnung sinn-
gemäß.
(1) Untersuchun~Jshaft darf nur verhängt und voll-
streckt werden, wenn ihr Zweck nicht durch eine (2) Der Jugendrichter kann das Verfahren unter
vorläufige Anordnung über die Erziehung oder den Voraussetzungen des § 45 einstellen. Der Be-
durch cmderc Müßnahmen erreicht werden kann. schluß ist nicht anfechtbar.
(2) Uber die Vollstreckung eines Haftbefehls und (3) Kommt der Jugendliche einer Auflage schuld-
über die Maßnahmen zur Abwendung seiner Voll- haft nicht nach, so kann Jugendarrest bis zu vier-
streckung entscheidet der Richter, der den Haft- zehn Tagen verhängt werden, wenn der Jugendliche
befehl erlassen hut, in dring';nden Fällen der Jugend- über die Folgen schuldhafter Nichterfüllung in der
richter, in dessen Bezirk die Untersuchungshaft voll- Verfügung belehrt worden war. Die Anordnung
zogen werden müßte. steht einer jugendrichterlichen Verfügung gleich.
(3) Unter denselben Voraussetzungen, unter denen
§ 76
ein Haftbef eh] erlassen werden kann, kann auch die
einstweilige Unterbringung in einem Erziehungs- Voraussetzungen des vereinfachten
heim (§ 71 Abs. 2) angeordnet werden. In diesem Jugendverfahrens
Falle kann der Richter den Unterbringungsbefehl (1) Der Staatsanwalt kann bei dem Jugendrichter
nachträglich durch einen Haftbefehl ersetzen, wenn schriftlich oder mündlich beantragen, im verein-
sich dies als notwendig erweist. fachten Jugendverfahren zu entscheiden, wenn zu
(4) Befindet sich ein Jugendlicher in Unter- erwarten ist, daß der Jugendrichter ausschließlich
suchungshaft, so ist das Verfahren mit besonderer Weisungen erteilen, die Erziehungsbeistandschaft
Beschleunigung durchzuführen. anordnen, Zuchtmittel verhängen oder auf ein Fahr-
verbot erkennen wird. Der Antrag des Staatsanwalts
(5) Die richterlichen Entscheidungen, welche die
steht der Anklage gleich.
Untersuchungshaft betreffen, kann der zuständige
Richter aus wichtigen Gründen sämtlich oder zum (2) Das vereinfachte Jugendverfahren ist mit
Teil einem anderen Jugendrichter übertragen. Zustimmung des Staatsanwalts auch nach voran-
gegangener jugendrichterlicher Verfügung zulässig,
§ 73 wenn Einspruch eingelegt ist.
Unterbringung zur Beobachtung
§ 77
(1) Zur Vorbereitung eines Gutachtens über den
Ablehnung des Antrags
Entwicklungsstand des Beschuldigten kann der Rich-
ter nach Anhören eines Sachverständigen und des (1) Der Jugendrichter lehnt die Entscheidung im
Verteidigers anordnen, daß der Beschuldigte in eine vereinfachten Verfahren ab, wenn sich die Sache
zur kriminalbiologischen Untersuchung Jugend- hierzu nicht eignet, namentlich wenn die Anord-
licher geeignete Anstalt gebracht und dort beob- nung der Fürsorgeerziehung oder die Verhängung
achtet wird. Im vorbereitenden Verfahren ent- von Jugendstrafe wahrscheinlich oder eine umfang-
164 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1973, Teil I
reiche BewPisilufnahme erforderlich ist. Der Be- Drittes Hauptstück
schluß kann bis zur Verkündung des Urteils er-
gehen. Er ist nicht anfechtbar. Vollstreckung und Vollzug
(2) Lehnt der Jugendrichter die Entscheidung im
vereinfachten Verfahren ab, so reicht der Staats- Erster Abschnitt
anwalt eine Anklageschrift ein.
Vollstreckung
§ 78
Verfahren und Entscheidung Erster Unterabschnitt
(1) Der Jugendrichter entscheidet im vereinfach- Verfassung
ten Jugendverfahren auf Grund einer mündlichen der Vollstreckung
Verhandlung durch Urteil. Er darf auf Fürsorge- und Zuständigkeit
erziehung oder Jugendstrafe nicht erkennen.
(2) Der Staatsanwalt ist nicht verpflichtet, an der § 82
Verhandlung teilzunehmen. Nimmt er nicht teil, so
Vollstreckungsleiter
bedarf es seiner Zustimmung zu einer Einstellung
des Verfahrens in der Verhandlung oder zur Durch- (1) Vollstreckungsleiter ist der Jugendrichter.
führung der Verhandlung in Abwesenheit des An- (2) Soweit Erziehungsbeistandschaft oder Fürsor-
geklagten nicht. geerziehung angeordnet ist, richtet sich die weitere
(3) Zur Vereinfachung, Beschleunigung und Zuständigkeit nach den Vorschriften über Jugend-
jugendgemäßen Gestaltung des Verfahrens darf von wohlfahrt.
Verfahrensvorschriften abgewichen werden, soweit
dadurch die Erforschung der Wahrheit nicht beein- § 83
trächtigt wird. Die Vorschriften über die Anwesen- Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren
heit des Angeklagten (§ 50), die Stellung des Erzie-
Die Entscheidungen des Vollstreckungsleiters nach
hungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters
den §§ 86 bis 89 sind jugendrichterliche Entschei-
(§ 67) und die Mitteilung von Entscheidungen (§ 70)
dungen. Sie können, soweit nichts anderes bestimmt
müssen beachtet werden.
ist, mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.
Die §§ 67 bis 69 gelten sinngemäß.
Neunter Unterabschnitt
Ausschluß von Vorschriften
§ 84
des allgemeinen Verfahrensrechts
Ortliche Zuständigkeit
§79
(1) Der Jugendrichter leitet die Vollstreckung in
Strafbefehl und beschleunigtes Verfahren allen Verfahren ein, in denen er selbst oder unter
(1) Gegen einen Jugendlichen darf kein Straf- seinem Vorsitz das Jugendschöffengericht im ersten
befehl erlassen werden. Rechtszuge erkannt hat.
(2) Das beschleunigte Verfahren des allgemeinen (2) Soweit, abgesehen von den Fällen des Ab-
Verfahrensrechts ist unzulässig. satzes 1, die Entscheidung eines anderen Richters zu
vollstrecken ist, steht die Einleitung der Vollstrek-
§ 80 kung dem Jugendrichter des Amtsgerichts zu, dem
die vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufga-
Privatklage und Nebenklage
ben obliegen.
(1) Gegen einen Jugendlichen kann Privatklage
nicht erhoben werden. Eine Verfehlung, die nach (3) In den Fällen der Absätze 1 und 2 führt der
den allgemeinen Vorschriften durch Privatklage Jugendrichter die Vollstreckung durch, soweit § 85
verfolgt werden kann, verfolgt der Staatsanwalt nichts anderes bestimmt.
auch dann, wenn Gründe der Erziehung oder ein
berechtigtes Interesse des Verletzten, das dem Er- § 85 *)
ziehungszweck nicht entgegensteht, es erfordern.
Abgabe und Ubergang der Vollstreckung
(2) Gegen einen jugendlichen Privatkläger ist
Widerklage zulässig. Auf Jugendstrafe darf nicht (1) Ist Jugendarrest zu vollstrecken, so gibt der
erkannt werden. zunächst zuständige Jugendrichter die Vollstrek-
kung an den Jugendrichter ab, der nach § 90 Abs. 2
(3) Nebenklage ist unzulässig. Dies gilt auch,
Satz 2 als Vollzugsleiter zuständig ist.
wenn eine staatliche Behörde die Rechte eines
Nebenklägers hat. (2) Ist Jugendstrafe zu vollstrecken, so geht nach
§ 81 der Aufnahme des Verurteilten in die Jugendstraf-
Entschädigung des Verletzten
*) Soweit § 85 Abs. 2 Ermächtigungen der obersten Landesbehörden
zum Erlaß von Rechtsverordnungen vorsieht, sind die Landes-
Die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die regierungen zum Erlaß dieser Rechtsverordnungen ermächtigt. Die
Entschädigung des Verletzten werden im Verfahren Landesregierungen können die Ermächtigungen auf oberste Landes-
behörden übertragen (Gesetz über Rechtsverordnungen im Bereich
gegen einen Jugendlichen nicht angewendet. der Gerichtsbarkeit vom 1. Juli 1960, Bundesgesetzbl. I S. 481).
Nr. 17 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 8. März 1973 165
anslalt die Vollstreckung auf den Jugendrichter Sie ist bei einer Jugendstrafe von mehr als einem
eines in deren Nähe gelegenen Amtsgerichts über, Jahr nur zulässig, wenn der Verurteilte mindestens
den die Landesjustizverwaltung hierfür allgemein ein Drittel der Strafe verbüßt hat.
bestimmt hat.
(3) Der Vollstreckungsleiter entscheidet über die
(3) Aus wichtigen Gründen kann der Vollstrek- Entlassung auf Antrag oder von Amts wegen nach
kungsleiter die Vollstreckung widerruflich an einen Anhören des Staatsanwalts und des Vollzugsleiters.
sonst nicht oder nicht mehr zuständigen Jugend- Dem Verurteilten ist Gelegenheit zur mündlichen
richter abgeben. Äußerung zu geben.
(4) Wird der Antrag auf Entlassung abgelehnt, so
bestimmt der Vollstreckungsleiter eine Frist von
Zweiter Unterabschnitt höchstens sechs Monaten, vor deren Ablauf ein
Jugendarrest neuer Antrag nicht gestellt werden darf.
(5) Ordnet der Vollstreckungsleiter die Entlas-
§ 86 sung zur Bewährung an, so stellt er den Verurteilten
unter Bewährungsaufsicht. § 22 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1,
Umwandlung des Freizeitarrestes
2 und die § § 23 bis 26 a gelten sinngemäß; an die
Der Vollstreckungsleiter kann Freizeitarrest in Stelle des erkennenden Richters tritt der Vollstrek-
Kurzarrest umwandeln, wenn die Voraussetzungen kungsleiter. Auf das Verfahren und die Anfechtung
des§ 16 Abs. 3 nachträglich eingetreten sind. von Entscheidungen sind die §§ 58, 59 Abs. 2 bis 4
und die§§ 60 und 61 entsprechend anzuwenden.
§ 87
Vollstreckung des Jugendarrestes § 89
(1) Die Vollstreckung des Jugendarrestes wird Entlassung während der Vollstreckung
nicht zur Bewährung ausgesetzt. einer Jugendstrafe von unbestimmter Dauer
(2) Für die Anrechnung von Untersuchungshaft (1) Der Vollstreckungsleiter entläßt den zu einer
auf Jugendarrest gilt § 450 der Strafprozeßordnung Jugendstrafe von unbestimmter Dauer Verurteilten
sinngemäß. zur Bewährung, wenn dieser das Mindestmaß seiner
Strafe verbüßt hat und verantwortet werden kann zu
(3) Ist Jugendarrest teilweise verbüßt, so sieht
erproben, ob er außerhalb des Jugendstrafvollzugs
der Vollstreckungsleiter von der Vollstreckung des
einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird.
Restes ab, wenn dies aus Gründen der Erziehung ge-
boten ist. Von der Vollstreckung des Jugendarrestes (2) § 88 Abs. 3 bis 5 gilt sinngemäß.
kann er ganz absehen, wenn zu erwarten ist, daß der (3) Zugleich mit der Anordnung der Entlassung
Jugendarrest neben einer Strafe, die gegen den Ver- wandelt der Vollstreckungsleiter die Jugendstrafe
urteilten wegen einer anderen Tat verhängt worden von unbestimmter Dauer in der Weise in eine be-
ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten stimmte um, daß für den Fall des Widerrufs der Ent-
hat, seinen erzieherischen Zweck nicht mehr erfül- lassung eine Reststrafe zu vollstrecken ist. Diese
len wird. Vor der Entscheidung hört der Vollstrek- beträgt mindestens drei Monate und höchstens ein
kungsleiter nach Möglichkeit den erkennenden Jahr. Sie darf zusammen mit dem bereits verbüßten
Richter und den Staatsanwalt. Teil der Strafe das Höchstmaß der Jugendstrafe von
(4) Die Vollstreckung des Jugendarrestes ist un- unbestimmter Dauer nicht überschreiten.
zulässig, wenn seit Eintritt der Rechtskraft ein Jahr (4) Wenn es aus besonderen Gründen geboten
verstrichen ist. erscheint, kann der Vollstreckungsleiter die Ent-
lassung auch endgültig anordnen. Dabei wandelt er
die Jugendstrafe von unbestimmter Dauer in der
Dritter Unterabschnitt Weise in eine bestimmte um, daß die Strafe im Zeit-
punkt der Entlassung verbüßt ist.
Jugendstrafe
§ 88
Zweiter Abschnitt
Entlassung zur Bewährung
Vollzug
während der Vollstreckung
einer bestimmten Jugendstrafe
§ 90
(1) Der Vollstreckungsleiter kann den zu einer
bestimmten Jugendstrafe Verurteilten zur Bewäh- Jugendarrest
rung entlassen, wenn dieser einen Teil der Strafe (1) Der Vollzug des Jugendarrestes soll das Ehr-
verbüßt hat und verantwortet werden kann zu er- gefühl des Jugendlichen wecken und ihm eindring-
proben, ob er außerhalb des Jugendstrafvollzugs lich zum Bewußtsein bringen, daß er für das von ihm
einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird. begangene Unrecht einzustehen hat.
(2) Vor Verbüßung von sechs Monaten darf die (2) Der Jugendarrest wird in Jugendarrestanstal-
Entlassung zur Bewährung nur ausnahmsweise aus ten oder Freizeitarresträumen der Landesjustizver-
besonders wichtigen Gründen angeordnet werden. waltung vollzogen. Vollzugsleiter ist der Jugend-
166 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1973, Teil I
richter am Ort des Vollzugs. An Fürsorgezöglingen, (3) Den Vertretern der Jugendgerichtshilfe und,
die sich in Heimerziehung befinden, kann der Voll- wenn der Beschuldigte unter Bewährungsaufsicht
streckungsleiter im Einvernehmen mit der Fürsorge- steht oder für ihn ein Erziehungsbeistand bestellt
erziehungsbehörde Jugendarrest in der Fürsorge- ist, dem Helfer und dem Erziehungsbeistand ist der
erziehungsanstalt vollziehen lassen. Verkehr mit dem Beschuldigten in demselben Um-
(3) Im Freizeitarrest und im Kurzarrest bis zu fang wie einem Verteidiger gestattet.
zwei Tagen kann der Jugendliche vereinfachte Kost
und hartes Lager erhalten. § 93 a
(4) Der Kurzarrest von mehr als zwei Tagen und Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt
der Dauerarrest können durch strenge Tage ver- oder einer Entziehungsanstalt
schärft werden, an denen der Jugendliche verein-
fachte Kost und hartes Lager erhält. (1) Die Maßregel nach § 42 a Abs. 1 Nr. 2 des
Strafgesetzbuches wird in einer Einrichtung voll-
zogen, in der die für die Behandlung suchtkranker
§ 91 Jugendlicher erforderlichen besonderen therapeuti-
Aufgabe des Jugendstrafvollzugs schen Mittel und sozialen Hilfen zur Verfügung
stehen.
(1) Durch den Vollzug der Jugendstrafe soll der
Verurteilte dazu erzogen werden, künftig einen (2) Um das angestrebte Behandlungsziel zu errei-
rechtschaffenen und verantwortungsbewußten Le- chen, kann der Vollzug aufgelockert und weitge-
benswandel zu führen. hend in freien Formen durchgeführt werden.
(2) Ordnung, Arbeit, Unterricht, Leibesübungen
und sinnvolle Beschäftigung in der freien Zeit sind
die Grundlagen dieser Erziehung. Die beruflichen Viertes Hauptstück
Leistungen des Verurteilten sind zu fördern. Lehr-
Beseitigung
werkstätten sind einzurichten. Die seelsorgerische
des Strafmakels durch Richterspruch
Betreuung wird gewährleistet.
(3) Um das angestrebte Erziehungsziel zu errei-
§§ 94 bis 96
chen, kann der Vollzug aufgelockert und in geeigne-
ten Fällen weitgehend in freien Formen durchge- (weggefallen)
führt werden.
(4) Die Beamten müssen für die Erziehungsauf- § 97
gabe des Vollzugs geeignet und ausgebildet sein.
Voraussetzungen
(1) Wird die Strafe oder ein Strafrest bei Verur-
§ 92 teilung zu nicht mehr als zwei Jahren Jugendstrafe
Jugendstrafanstalten nach Aussetzung oder Entlassung zur Bewährung
erlassen, so erklärt der Richter den Strafmakel als
(1) Die Jugendstrafe wird in Jugendstrafanstalten beseitigt.
vollzogen.
(2) Hat der Jugendrichter die Uberzeugung er-
(2) An einem Verurteilten, der das achtzehnte langt, daß sich ein zu Jugendstrafe verurteilter
Lebensjahr vollendet hat und sich nicht für den
Jugendlicher durch einwandfreie Führung als recht-
Jugendstrafvollzug eignet, braucht die Strafe nicht schaffener Mensch erwiesen hat, so erklärt er von
in der Jugendstrafanstalt vollzogen zu werden. Ju-
Amts wegen oder auf Antrag des Verurteilten, des
gendstrafe, die nicht in der Jugendstrafanstalt voll-
Erziehungsberechtigten oder des gesetzlichen Ver-
zogen wird, wird nach den Vorschriften des Straf-
treters den Strafmakel als beseitigt. Dies kann auch
vollzugs für Erwachsene vollzogen. Hat der Ver-
auf Antrag des Staatsanwalts oder, wenn der Ver-
urteilte das vierundzwanzigste Lebensjahr vollen-
urteilte im Zeitpunkt der Antragstellung noch min-
det, so soll Jugendstrafe nach den Vorschriften des
derjährig ist, auf Antrag des Vertreters der Jugend-
Strafvollzugs für Erwachsene vollzogen werden.
gerichtshilfe geschehen.
(3) Uber die Ausnahme vom Jugendstrafvollzug
(3) In den Fällen des Absatzes 2 kann die Anord-
entscheidet der Vollstreckungsleiter.
nung erst zwei Jahre nach Verbüßung oder Erlaß
der Strafe ergehen, es sei denn, daß der Verurteilte
§ 93 sich der Beseitigung des Strafmakels besonders wür-
dig gezeigt hat. Während des Vollzugs oder während
Untersuchungshaft einer Bewährungszeit ist die Anordnung unzulässig.
(1) An Jugendlichen wird die Untersuchungshaft
nach Möglichkeit in einer besonderen Anstalt oder
wenigstens in einer besonderen Abteilung der Haft- § 98
anstalt oder, wenn Freiheitsstrafe nicht zu erwarten Verfahren
ist, in einer Jugendarrestanstalt vollzogen.
(1) Zuständig ist der Jugendrichter des Amts-
(2) Der Vollzug der Untersuchungshaft soll erzie- gerichts, dem die vormundschaftsrichterlichen Er-
herisch gestaltet werden. ziehungsaufgaben für den Verurteilten obliegen. Ist
Nr. 17 -- Tag der Ausgabe: Bonn, den 8. März 1973 167
der Verurteilte volljühriq, so ist der Jugendrichter ringer Bedeutung kann die Strafkammer mit Zustim-
zustündig, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen mung des Staatsanwalts die Strafsache gegen einen
Wohnsitz hat. Jugendlichen an das Jugendschöffengericht ab-
(2) Der Jugendrichter beauftragt mit den Ermitt- geben.
lungen über die Führung des Verurteilten und des- § 103
sen Bewährung vorzugsweise die Stelle, die den Verbindung mehrerer Strafsachen
Verurteilten ntich der Vcrbüßung der Strafe betreut
hat. Er kann eigene Ermittlungen anstellen. Er hört (1) Strafsachen gegen Jugendliche und Erwach-
den Verurteilten und, wenn dieser minderjährig ist, sene können nach den Vorschriften des allgemeinen
den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Verfahrensrechts verbunden werden, wenn es zur
Vertreter, ferner die Schule und die zuständige Ver- Erforschung der Wahrheit oder aus anderen wich-
waltungsbehörde. tigen Gründen geboten ist.
(3) Nach Abschluß der Ermittlungen ist der (2) Der Staatsanwalt erhebt die Anklage vor dem
Staatsanwalt zu hören. Jugendgericht, wenn das Schwergewicht bei dem
Verfahren gegen Jugendliche liegt.
(3) Beschließt der Richter die Trennung der ver-
§ 99
bundenen Sachen, so erfolgt zugleich Abgabe der
Entscheidung abgetrennten Sache an den Richter, der ohne die
(1) Der Jugendrichter entscheidet durch Beschluß. Verbindung zuständig gewesen wäre.
(2) Hält er die Voraussetzungen für eine Beseiti-
§ 104
gung des Strafmakels noch nicht für gegeben, so ·fii.
kann er die Entscheidung um höchstens zwei Jahre Verfahren gegen Jugendliche
aufschieben. (1) In Verfahren gegen Jugendliche vor den für
(3) Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten gel-
zulässig. ten die Vorschriften dieses Gesetzes über
1. Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen
(§§ 3 bis 32),
§ 100
2. die Heranziehung und die Rechtsstellung der
(weggefallen) Jugendgerichtshilfe (§§ 38, 50 Abs. 3),
3. den Umfang der Ermittlungen im Vorverfahren
§ 101 (§ 43),
Widerruf 4. das Absehen von der Verfolgung und die Ein-
stellung des Verfahrens durch den Richter
Wird der Verurteilte, dessen Strafmakel als be- (§§ 45, 47),
seitigt erklärt worden ist, vor der Tilgung des Ver-
5. die Untersuchungshaft (§§ 52, 72),
merks wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen
Vergehens erneut zu Freiheitsstrafe verurteilt, so 6. die Urteilsgründe (§ 54),
widerruft der Richter in dem Urteil oder nachträg- 7. das Rechtsmittelverfahren (§§ 55, 56),
lich durch Beschluß die Beseitigung des Strafmakels. 8. das Verfahren bei Aussetzung der Jugendstrafe
In besonderen Fällen kann er von dem Widerruf ab- zur Bewährung und der Verhängung der Jugend-
sehen. strafe (§§ 57 bis 64),
9. die Beteiligung und die Rechtsstellung des Er-
ziehungsberechtigten und des gesetzlichen Ver-
treters (§§ 67, 50 Abs. 2),
Fünftes Hauptstück
10. die notwendige Verteidigung (§ 68),
Jugendliebe vor Gerichten,
11. Mitteilungen (§ 70),
die für allgemeine Strafsachen zuständig sind
12. die Unterbringung zur Beobachtung (§ 73),
13. Kosten und Auslagen (§ 74) und
§ 102
14. den Ausschluß von Vorschriften des allgemei-
Zuständigkeit nen Verfahrensrechts (§§ 79 bis 81).
Die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes und (2) Die Anwendung weiterer Verfahrensvorschrif-
des Oberlandesgerichts sowie die Zuständigkeit der ten dieses Gesetzes steht im Ermessen des Richters.
Strafkammer nach § 74 a des Gerichtsverfassungs-
gesetzes werden durch die Vorschriften dieses Ge- (3) Soweit es aus Gründen der Staatssicherheit
geboten ist, kann der Richter anordnen, daß die
setzes nicht berührt. In den zur Zuständigkeit von
Heranziehung der Jugendgerichtshilfe und die Be-
Oberlandesgerichten im ersten Rechtszug gehören-
den Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2 des Gerichtsver- teiligung des Erziehungsberechtigten und des ge-
fassungsgesetzes) entscheidet der Bundesgerichtshof setzlichen Vertreters unterbleiben.
auch über Beschwerden gegen Entscheidungen die- (4) Hält der Richter Erziehungsmaßregeln für er-
ser Oberlandesgerichte, durch welche die Ausset- forderlich, so hat er deren Auswahl und Anordnung
zung der Jugendstrafe zur Bewährung angeordnet dem Vormundschaftsrichter zu überlassen. § 53
oder abgelehnt wird (§ 59 Abs. 1). In Fällen von ge-· Satz 2 gilt entsprechend.
168 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1973, Teil I
(5) Entscheidungen, die mich einer Aussetzung (2) Der Jugendrichter ist für Verfehlungen Her-
der Jugendstrafe zur Bewi:ihrung erforderlich wer- anwachsender auch zuständig, wenn die Anwen-
den, sind dem Jugendrichter zu übertragen, in des- dung des allgemeinen Strafrechts zu erwarten ist
sen Bezirk sich der Jugendliche aufhält. Das gleiche und nach § 25 des Gerichtsverfassungsgesetzes der
gilt für Entscheidungen nach einer Aussetzung der Amtsrichter allein zu entscheiden hätte.
Verhi:ingung der Jugendstrafe mit Ausnahme der (3) Das Jugendschöffengericht darf wegen der
Entscheidungen über die Festsetzung der Strafe und Verfehlung eines Heranwachsenden nicht auf Frei-
die Tilgung des Schuldspruchs (§ 30). heitsstrafe von mehr als drei Jahren erkennen. Ist
höhere Freiheitsstrafe zu erwarten, so ist die Ju-
Dritter Teil gendkammer zuständig.
Heranwachsende § 109
Verfahren
Erster ALsdmitt
(1) Von den Vorschriften über das Jugendstraf-
Anwendung verfahren (§§ 43 bis 81) sind im Verfahren gegen
des sachlichen Strafrechts einen Heranwachsenden die §§ 43, 50 Abs. 2, 3 und
die §§ 67 bis 70 und 73 entsprechend anzuwenden.
§ 105
Die Offentlichkeit kann ausgeschlossen werden,
Anwendung des Jugendstrafrechts wenn dies im Interesse der Erziehung des Angeklag-
auf Heranwachsende ten geboten ist.
(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung,
(2) Wendet der Richter Jugendstrafrecht an
die nach den allgemeinen .-.Vorschriften mit Strafe
(§ 105), so gelten auch die §§ 52 bis 66, 74, 79 Abs. 1
bedroht ist, so wendet der Richter die für einen
und § 81 entsprechend.
Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 32
an, wenn
1. die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Dritter Abschnitt
Täters bei Berücksichtigung auch der Umwelt-
bedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach Vollstreckung,
seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch Vollzug und Beseitigung des
einem Jugendlichen gleichstand, oder Strafmakels durch Richterspruch
2. es sich nach der J\rt, den Umständen oder den § 110
Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung
Vollstreckung und Vollzug
handelt.
(1) Die Vorschriften über die Vollstreckung und
(2) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heran-
den Vollzug bei Jugendlichen (§§ 82 bis 93 a) gelten
wachsende beträgt zehn Jahre.
für Heranwachsende entsprechend, soweit der Rich-
§ 106 ter Jugendstrafrecht angewendet (§ 105) und nach
diesem Gesetz zulässige Maßnahmen oder Jugend-
Milderung des allgemeinen Strafrechts
strafe verhängt hat.
für Heranwachsende
(1) Ist wegen der Straftat eines Heranwachsenden (2) § 93 ist entsprechend anzuwenden, solange der
das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so kann der Heranwachsende das einundzwanzigste Lebensjahr
Richter an Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe noch nicht vollendet hat.
auf eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu fünfzehn
§ 111
Jahren erkennen.
Beseitigung des Strafmakels
(2) Sicherungsverwahrung darf der Richter nicht
durch Richterspruch
anordnen. Er kann anordnen, daß der Verlust der
Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Die Vorschriften über die Beseitigung des Straf-
Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 31 makels durch Richterspruch (§§ 97 bis 101) gelten
Abs. 1 des Strafgesetzbuches), nicht eintritt. für Heranwachsende entsprechend, soweit der Rich-
ter Jugendstrafe verhängt hat.
Zweiter Abschnitt
Vierter Abschnitt
Gerichtsverfassung und Verfahren
Heranwachsende vor Gerichten,
§ 107 die für allgemeine Strafsachen
Gerichtsverfassung zuständig sind
Die Vorschriften über die Jugendgerichtsverfas-
§ 112
sung (§§ 33 bis 38) gelten für Heranwachsende ent-
sprechend. Entsprechende Anwendung
§ 108
Die§§ 102 bis 104 gelten für Verfahren gegen Her-
Zuständigkeit anwachsende entsprechend. Die in § 104 Abs. 1 ge-
(1) Die Vorschriften über die Zuständigkeit der nannten Vorschriften sind nur insoweit anzuwen-
Jugendgerichte (§§ 39 bis 42) gelten auch bei Ver- den, als sie nach dem für die Heranwachsenden gel-
fehlungen Heranwachsender. tenden Recht nicht ausgeschlossen sind.
f 1,. 1'/ Til\J dr:1 A usgiJ be: Bonn, Jen 3. MJrz 1073
S(>n(lervor~;c·11 riften Vollstrec!nmg
fiir Soldal.e11 dc:r !:un<ksw(~hr (1) Der Vollstreckungsleiter erklä:rt die Eu.iE>
hungsmaßrngel nach § 112 a Nr. 2 für erledigt, vvcnt,
§ 112 il '
1
)
ihr Zweck erreicht ist.
(2) Der Vollstreckungsleiter sieht davon ab,
Jugendarrest, der wegen einer vor Beginn des Wehr-
Dcis Ju~wndslrnfrcchl (§§] bis 32, 105) gilt für die
dienstverhältnisses begangenen Tat verhängt ist,
Dauer des Wchrdicnsl.verllüitnisscs eines Jugend-
gegenüber Soldaten der Bundeswehr zu vollstrek-
liclH)n oder llercrnwcichscndc:n mit folgenden Ab-
ken, wenn die Besonderheiten des Wehrdienstes es
wcichuncien:
erfordern und ihnen nicht durch einen Aufschub der
1. L.rziclmnqsbcisl.il ndschc1 ft. und Fürsorgeerziehung Vollstreckung Rechnung getragen werden kann.
dürfen nicht an9eordnel werden.
(3) Die Entscheidungen des Vollstreckungslei-
2. Bedc1rf der J u~wndl ichc oder Heranwachsende ters nach den Absätzen 1 und 2 sind jugendrichter-
nach seiner sit.Uicben oder geistigen Entwicklung liche Entscheidungen im Sinne des § 83.
besonderer erzieherischer Einwirkung, so kann
der Richter Erziehungshilfe durch den Disziplinar-
§ 112 d *)
vor9eselzlen als Erziehungsmaßregel anordnen.
Anhörung des Disziplinarvorgesetzten
3. Bei der Ertci lung -von Weisungen und der Auf-
erleqtmg besonderer Pflichten soll der Richter die Bevor der Richter oder der Vollstreckungsleiter
Besonderheiten des Wehrdienstes berücksichti- einem Soldaten der Bundeswehr Weisungen erteilt
~Jen. Weisungen und besondere Pflichten, die oder besondere Pflichten auferlegt, die Erziehungs-
bereits erteilt oder dLÜerkgt sind, soll er diesen maßregel nach § 112 a Nr. 2 anordnet oder für er-
Besonderheiten anpassen. ledigt erklärt, von der Vollstreckung des Jugend-
4. Als ehrenamtlicher Bewi:ihrungshelfer kann ein arrestes nach § 112 c Abs. 2 absieht oder einen Sol-
Soldal bestellt werden. fa untersteht bei der Be- daten als Bewährungshelfer bestellt, soll er den
währungsaufsicht (§ 25 Satz 2) nicht den Anwei- nächsten Disziplinarvorgesetzten des Jugendlichen
sungen des Richlers. oder Heranwachsenden hören.
5. Von der Uberwi:lchun~J durch einen Bewährungs- § 112 e *)
helfer, der nicht Soldat ist, sind Angelegenheiten
ausgeschlossen, für welche clie militärischen Vor- Verfahren vor Gerichten,
gesetzten des Jugendlichen oder Heranwachsen- die für allgemeine Strafsachen zuständig sind
den zu sorgen huben. Mc1ßnahmen des Disziplinar- In Verfahren gegen Jugendliche oder Heranwach-
vorgesetzten haben den Vorrang.
sende vor den für allgemeine Strafsachen zustän-
digen Gerichten (§ 104) sind die §§ 112 a, 112 b und
§ 112 b *) 112 d anzuwenden.
Erziehungshilfe
durch den Disziplinarvorgesetzten
(1) Hat der Richter Erziehungshilfe (§ 112 a Nr. 2) Fünfter Teil*)
angeordnet, so sorgt der nächste Disziplinarvorge-
setzte dafür, daß der Jugendliche oder Heranwach-
Schluß- und Ubergangsvorschriften
sende, auch außerhalb des Dienstes, überwacht und
betreut wird. § 113
(2) Zu diesem Zweck werden dem Jugendlichen Bewährungshelfer
oder Heranwachsenden Pflichten und Beschränkun- Für den Bezirk eines jeden Jugendrichters ist
gen auferlegt, die sich auf den Dienst, die Freizeit, mindestens ein hauptamtlicher Bewährungshelfer
den Urlaub und die Auszahlung der Besoldung be- anzustellen. Die Anstellung kann für mehrere Be-
ziehen können. Das Nähere wird durch Rechtsver- zirke erfolgen oder ganz- unterbleiben, wenn wegen
ordnung (§ 115 Abs. 3) geregelt. des geringen Anfalls von Strafsachen unverhältnis-
(3) Die Erziehungshilfe dauert so lange, bis ihr mäßig hohe Aufwendungen entstehen würden. Das
Zweck erreicht ist. Sie endet jedoch spätestens, Nähere über die Tätigkeit des Bewährungshelfers
wenn sie ein Jahr gedauert hat oder wenn der ist durch Landesgesetz zu regeln.
Soldat zweiundzwanzig Jahre alt oder aus dem
Wehrdienst entlassen wird. § 114
(4) Die Erziehungshilfe kann auch neben Jugend- Vollzug von Freiheitsstrafe
strafe angeordnet werden. in der Jugendstrafanstalt
In der Jugendstrafanstalt dürfen an Verurteilten,
die das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht
*) Der Vierte Teil (§§ 112 a bis 112 c) gilt nicht im Land Berlin. Der
Fünfte Teil gill im Land Berlin als Vierter Teil. vollendet haben und sich für den Jugendstrafvollzug
170 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1973, Teil I
eignen, ü uch Frcihejtsstrnfen vollzogen werden, die § 117 *)
nach allgemeinem Strafrecht verhängt worden sind. Gerichtsverfassung
(1) Die Wahl der Jugendschöffen nach § 35 er-
§ 115 *) folgt erstmalig innerhalb von sechs Monaten nach
Rechtsvorschriften der Bundesregierung Inkrafttreten dieses Gesetzes, später gleichzeitig mit
über den Vollzug der Wahl der Schöffen für die Schöffengerichte und
die Strafkammern.
(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates (2) Wo ein Jugendwohlfahrtsausschuß noch nicht
für den Vollzug der Jugendstrafe, des Jugend- besteht, wird die Vorschlagsliste nach § 35 Abs. 3
arrestes und der Untersuchungshaft Vorschriften zu vom Jugendamt aufgestellt.
erlassen über die Art der Unterbringung, die Be-
handlung, die Lebenshaltung, die erzieherische,
seelsorgerische und berufliche Betreuung, die Ar- § 118 *)
beit, den Unterricht, die Gesundheitspflege und kör- (Zuständigkeit und Verfahren)
perliche Ertüchtigung, die Freizeit, den Verkehr mit
der Außenwelt, die Ordnung und Sicherheit in der
Vollzugsanstalt und die Ahndung von Verstößen § 119
hiergegen, die Aufnahme und die Entlassung sowie Freiheitsstrafen
das Zusammenwirken mit den der Jugendpflege und
Jugendfürsorge dienenden Behörden und Stellen. (1) Jugendgefängnisstrafen, auf die gegen einen
Jugendlichen vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes
(2) Die Rechtsverordnungen der Bundesregierung erkannt worden ist, werden für die Anwendung
dürfen für die Ahndung von Verstößen gegen die dieses Gesetzes der Jugendstrafe gleichgestellt.
Ordnung oder Sicherheit der Anstalt nur Hausstra-
fen vorsehen, die der Vollzugsleiter oder bei Unter- (2) Die Vorschriften über die beschränkte Aus-
suchungshaft der Richter verhängt. Die schwersten kunft und Tilgung von Jugendstrafen werden auch
Hausstrafen sind die Beschränkung des Verkehrs auf Gefängnis- oder Festungshaftstrafen angewen-
mit der Außenwelt auf dringende Fälle bis zu drei det, die von Wehrmachtgerichten oder Gerichten
Monaten und Arrest bis zu zwei Wochen. Mildere wehrmachtähnlicher Formationen gegen einen Ju-
Hausstrafen sind zulässig. Dunkelhaft ist verboten. gendlichen verhängt worden sind.
(3) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates § 120
zur Durchführung des § 112 b Abs. 2 Vorschriften
Verweisungen
über Art, Umfang und Dauer der Pflichten und Be-
schränkungen zu erlassen, die dem Jugendlichen Verweisungen auf Vorschriften des Reichsjugend-
oder Heranwachsenden hinsichtlich des Dienstes, gerichtsgesetzes vom 6. November 1943 (Reichsge-
der Freizeit, des Urlaubs und der Auszahlung der setzbl. I S. 637) gelten als Verweisungen auf die an
Besoldung auferlegt werden oder durch den näch- ihre Stelle getretenen Vorschriften dieses Gesetzes.
sten Disziplinarvorgesetzten auferlegt werden kön-
nen.
§§ 121 u. 122
§ 116 (Änderungs- und Aufhebungsvorschriften)
Zeitlicher Geltungsbereich
§ 123
(1) Das Gesetz wird auch auf Verfehlungen ange-
wendet, die vor seinem Inkrafttreten begangen wor- Berlin-Klausel
den sind. Für diese Verfehlungen ist das Mindest-
Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1
maß der Jugendstrafe drei Monate.
des Dritten Dberleitunsgesetzes vom 4. Januar 1952
(2) Auf Jugendstrafe darf gegen einen Heran- (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin. Rechts-
wachsenden nicht erkannt werden, wenn die Straftat verordnungen, die auf Grund der in diesem Gesetz
vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen ist enthaltenen Ermächtigung erlassen werden, gelten
und nach dem allgemeinen Strafrecht die Verhän- im Land Berlin nach § 14 des Dritten Dberleitungs-
gung einer Freiheitsstrafe von weniger als drei gesetzes.
Monaten zu erwarten gewesen wäre.
§ 124 **)
(3) Auf Jugendstrafe von unbestimmter Dauer
darf gegen einen Heranwachsenden nur erkannt Inkrafttreten
werden, wenn die Tat nach dem Inkrafttreten dieses
Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1953 in Kraft.
Gesetzes begangen ist oder wenn bei mehreren
Straftaten das Schwergewicht in der Zeit nach dem
Inkrafttreten des Gesetzes liegt. *) § 117 Abs. 1 Satz 2, 3 u. § 118: Zeitlich überholt
U) § 124 betrifft das Inkrafttreten des Gesetzes in der ursprünglichen
Fassung vom 4. August 1953. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der
späteren Änderungen ergibt sich aus den in der vorangestellten
•) § 115 Abs. 3 gilt nicht im Land Berlin. Bekanntmachung näher bezeichneten Gesetzen.
Nr. 17 -Tag der Ausgabe: Bonn, den 8. März 1973 171
B undesgesetzhla tt
Teil II
Nr. 9, ausgegeben am 3. März 1973
Tag Inhalt Seite
5. 2. 73 Bckilnntmachung des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch-
lilnd und der Regierung der Demokratischen Volksrepublik Algerien über finanzielle
Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
12. 2. 73 Bekilnnlmachung über den Geltungsbereich des Ubereinkommens zur Durchführung von
.Artikel VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
13. 2. 73 Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Genfer Protokolls über die Schieds-
klc1useln im I landelsverkchr und des Genfer Abkommens zur Vollstreckung ausländischer
Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
13. 2. 73 BckiJnntrnachung von Erklärungen zu dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flücht-
linge und über den Geltungsbereich des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge 96
15. 2. 73 Bekunnlmachung über den Geltungsbereich des Abkommens über Internationale Aus-
stellungen und der Protokolle zur Änderung des Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
15. 2. 73 Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Europäischen Ubereinkommens über die
internaliorwle Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
27. 2. 73 Bekanntmachung von dem Generalsekretär des Rates für die Zusammenarbeit auf dem
Ccbicte des Zollwesens zugegangenen Antworten zur Empfehlung des Rates über gegen-
scili~Je Verwaltungshilfe ......... ·.................................................... 98
Hinweis auf Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften,
die mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
unmittelbare Rechtswirksamkeit in der Bundesrepublik Deutschland erlangt haben
Veröffentlicht im Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften
Datum und Bezeichnung der Rechtsvorschrift
- Ausgabe in deutscher Sprache -
vom Nr./Seite
Vorschriften für die Agrarwirtschaft
1. 2. 73 Verordnung (EWG) Nr. 276/73 der Kommission zur Festsetzung
d E!r auf Gel r e i de , M eh 1e, Grobgrieß und Feingrieß
von Weizen oder RomJen anwendbaren Abschöpfungen 2. 2. 73 L 32/1
1. 2. 73 Verordnung (EWG) Nr. 277/73 der Kommission über die Fest-
setzung der Prämien, die den Abschöpfungen für Getreide
und Malz hinzugefügt werden 2. 2. 73 L 32/3
1. 2. 73 Verordnung (EWG) Nr. 278/73 der Kommission zur Fest-
setzung der bei der Erstattung für Getreide anzuwendenden
Berichtigung 2. 2. 73 L 32/5
1. 2. 73 Verordnung (EWG) Nr. 279/73 der Kommission zur Festsetzung
der für G e l r e i d e , M eh 1 e , G r o b g r i e ß und Fein g r i e ß
von Weizen oder Roggen anwendbaren Erstattungen 2. 2. 73 L 32/7
1. 2. 73 Verordnung (EWG) Nr. 280/73 der Kommission zur Festsetzung
der bei Re i s und Br u c h reis anzuwendenden Abschöpfungen 2. 2. 73 L 32/10
1. 2. 73 Verordnunq (EWG) Nr. 281/73 der Kommission zur Festsetzung
der Prtimien als Zuschlag zu den Abschöpfungen für Reis und
Bruchreis 2.2. 73 L 32/12
1. 2. 73 Verordnung (EWC) Nr. 282/73 der Kommission zur Festsetzung
der Erslaltlm9cn bei der Ausfuhr für Reis und Bruchreis 2. 2. 73 L 32/14
1. 2. 73 Verordnun9 (EWG) Nr. 283/73 der Kommission zur Festsetzung
der bei der Erstallung für Reis und Bruchreis anzuwen-
denden Berichligung 2.2. 73 L 32/16
172 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1973, Teil I
Veröffentlicht im Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften
Datum und Bezeichnung der Rechtsvorschrift
- Ausgabe in deutscher Sprache -
vom Nr./Seite
1. 2. 73 Verordnung (EWG) Nr. 284/73 der Kommission über die Fest-
sclzun~J der Abschöpfungen bei der Einfuhr von Weiß -
zucker und Rohzucker 2.2. 73 L 32/18
1. 2. 73 Verordnung (EWG) Nr. 285/73 der Kommission zur Festsetzung
der Erstattungen für Milch und Milcherzeugnisse, die
in unv<!ründerlem Zustand ausgeführt werden 2.2. 73 L 32/19
1. 2. 73 Verordnung (EWG) Nr. 286/73 der Kommission zur Änderung
der Erstc1ttung bei der Ausfuhr in unverändertem Zustand für
Weißzucker und Rohzucker 2. 2. 73 L 32/21
1. 2. 73 Verordnung (EWG) Nr. 287/73 der Kommission zur Änderung
der Erstattungen bei der Ausfuhr in unverändertem Zustand
für Melasse, Sirupe und bestimmte andere Erzeugnisse auf
dem Zuckersektor 2. 2. 73 L 32/22
1. 2. 73 Verordnung (EWG) Nr. 288/73 der Kommission zur Ände-
rung der Erstcill.ungssätze für die Ausfuhr von Zucker und
von Sirupen aus Zuckerrüben oder Zuckerrohr in Form
von nicht unter Anhang II des Vertrages fallenden Waren 2. 2. 73 L 32/24
31. l. 73 Verordnung (EWG) Nr. 289/73 der Kommission zur.Festsetzung
der ab 1. Pebruar 1973 geltenden Erstattungssätze bei der
Ausfuhr von Eiern und Eigelb in Form von nicht unter An-
hang JI des Vertruges fallenden Waren 2. 2. 73 L 32/26
31. 1. 73 Veronlnung (EWG) Nr. 290/73 der Kommission zur Festsetzung
der cJb 1. Febnrnr 1973 geltenden Erstattungssätze bei der
Ausfuhr lwstirnrnler Getreide- und Reiserzeugnisse
in Form von nicht unler Anhang II des Vertrages fallenden
Waren 2. 2. 73 L 32/28
31. 1. 73 Vc!ronln11n9 (EWC;) Nr. 2~)1/73 der Kommission zur Festsetzung
cler tt b 1. Februar 1973 geltenden Erstattungssätze bei der
Ausluhr von bestimmten Milcherzeugnissen in Form von
nicht uni.er Anhang II des Vertrages fallenden \\Taren 2.2. 73 L 32/30
2. 2. 73 Verordnung (EWG) Nr. 292/73 der Kommission zur Festsetzung
dc!r auf Getreide, Mehle, Grobgrieß und Feingrieß
von Weizen oder Roggen anwendbaren Abschöpfungen 3. 2. 73 L 33/1
2. 2. 73 Verordnung {EWG) Nr. 293/73 der Kommission über die Fest-
setzung der Priimien, die den Abschöpfungen für Getreide
und Malz hinzu~Jefügt werden. 3. 2. 73 L 33/3
2. 2. 73 Verordnung (EWG) Nr. 294/73 der Kommission zur Änderung
der bei der Erstattung für Getreide anzuwendenden Be-
richtigung 3. 2. 73 L 33/5
2. 2. 73 Verordnung (EWG) Nr. 295/73 der Kommission über die Fest-
setzung der Abschöpfungen bei der Einfuhr von Weiß -
zucker und Rohzucker 3.2. 73 L 33/7
2.2. 73 Verordnung (EWC) Nr. 296/73 der Kommission zur Festsetzung
der Abschöpfungen bei dPr Einfuhr von O I i v e n ö I 3.2. 73 L 33/8
2. 2. 73 Verorclnun9 (EWC) Nr. 297/73 der Kommission zur Festsetzung
der Abschöpfungen bei der Ausfuhr von O 1i v e n ö I 3.2. 73 L 33/10
2. 2. 73 Verordnung (EWG) Nr. 298/73 der Kommission zur Festsetzung
des Betrages der Beihilfe für Olsa a t e n 3. 2. 73 L 33/11
2. 2. 73 Verordnung {EWG) Nr. 299/73 der Kommission zur Festsetzung
des Grundbetra9s der Abschöpfung bei der Einfuhr von Sirup
und bestimmten anderen Erzeugnissen des Zuckersektors 3. 2. 73 L 33/12
Herausgeber: Der Bundesminister der Justiz
Verlag: Bundesanzeiger Verlagsges.m.b.H. - Druck: Bundesdruckerei Bonn
Im Bundesgesetzblatt Teil I werden G<!sdze, Verordnungen, Anordnungen und damit im Zusammenhang stehende Bekanntmachungen veröffentlicht.
Im Bundesgesetzblatt Teil II werden völkerrechtliche Vereinbarungen, Verträge mit der DDR und die dazu gehörenden Rechtsvorschriften und
Be kann tmadrnngen sowie Zolltarilvt•rordnungen veröffentlicht.
Bezugs b e d in g u n gen : Laufender Bezug nur im Postabonnement. Abbestellungen müssen bis spätestens 30. 4. bzw. 31. 10. jeden Jahres
beim Verlag vorlieqen. Postanschrift für Abonnemenlsbestellungen sowie Bestellungen bereits erschienener Ausgaben: Bundesgesetzblatt,
53 Bonn 1, Postfach 624, Tel. (0 22 21) 22 40 86 bis 88.
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Bundesgesetzbli:i1.l.er, die vor dem 1 . .Juli 1972 ausgegeben worden sind. Lieferung gegen Voreinsendung des Betrages auf das Postscheckkonto
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