1197
Bundesgesetzblatt
Teil I Z1997 A
1970 Ausgegeben zu Bonn am 11. August 1970 Nr. 79
Tag Inhalt Seite
6. 8. 70 Neufassung des Gesetzes für Jugendwohlfahrt (JWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.197
Bundcs9csctzbl. III 2162-1, 100-1, 2120-1, 2170-1, 2182-2, 243-1, 310-4, 315-1, 367-1, 400-1, 400-2, 404-1, 404-9,
450-2, B20-1, 821-1, 822-1
Bekanntmachung
der Neufassung des Gesetzes für Jugendwohlfahrt (JWG)
Vom 6. August 1970
Auf Grund des Artikels 3 des Gesetzes zur Än- des Artikels 1 des Ersten Gesetzes zur Reform des
derung und Ergänzung des Gesetzes für Jugend- Strafrechts (1. StrRG) vom 25. Juni 1969 (Bundes-
wohlfahrt vom 27. Juni 1970 (Bundesgesetzbl. I S. 920) gesetzbl. I S. 645),
wird nachstehend der gemäß Artikel ,5 dieses Ge-
setzes vom 1. Juli 1970 an gellende Wortlaut des des Artikels 2 § 3 des Zweiten Gesetzes zur Ände-
Gesetzes für Jugendwohlfahrt vom 11. August 1961 rung des Bundessozialhilfegesetzes vom 14. August
(Bundesgesetzbl. I S. 1205) in der Fassung 1969 (Bundesgesetzbl. I S. 1153) und
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 18. Juli 1967 2 BvF 3 bis 8/62, 2 BvR 139, 140, des Artikels 1 des Gesetzes zur Änderung und Er-
:334, 335/62 (Bundcsgcsetzhl. 1 S. 896), gänzung des Gesetzes für Jugendwohlfahrt vom
27.Juni 1970
des Artikels 1 des Gesetzes zur Änderung und Er-
gänzung des Gesetzes für Juqendwohlfahrt vom
22. Dezember 1967 (Bundesgesetzbl. I S. 1348), bekanntgemacht.
Bonn, den 6. August 1970
Der Bundesminister
für Ju9end, Familie und Gesundheit
In Vertretung
Heinz Westphal
Gesetz für Jugendwohlfahrt
(JWG)
in der Fassung vom 6. August 1970
Inhaltsübersicht
§§
Abschnitt I
Allgemeines bis 3
Abschnitt II
Jugendwohlfahrtsbehörden
l. Jugendamt
a) Zuständigkeit ..... , .................... , . , .... , . , ..... , . 4 bis 11
b) Aufbau und Verfahren ............... , . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 bis 18
2. Landesjugendamt .......... , ......... , ................ , . . . . 19 bis 21
3. Oberste Landesbehörde , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
4. Besondere Aufgaben aller Jugendwohlfahrtsbehörden . . . . . . . . 23
1198 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1970, Teil I
Abschnitt III §§
Bundesregierung und Bundesjugendkuratorium 24 bis 26
Ab s c h n i t t IV
Schulz der Pflegekinder
1. Erlaubnis zur Annc1hme ................................... . 27 bis 30
2. Aufsicht .................................................. . 31 und 32
3. Vorlüulige Unterbringung ................................. . 33
4. Behördlich angeordnete Familienpflege ..................... . 34
5. Ermlichli~Jung der Länder 35 und 36
Abschnitt V
Stellung des Jugendamts im Vormundschaftswesen;
Vereinsvonnundschaft
1. Amtspflegschaft und Amtsvormundschaft
a) Allgemeine Bestimmungen ............................. . 37 bis 39b
b) Gesetzliche Amtspflegschaft und gesetzliche
Amtsvormundschaft .................................... . 40 bis 44
c) BestellLe Amtspflegschaft und bestellte Amtsvormundschaft 45
2. Beistandschaft und Gegenvormundschaft des Jugendamts ..... 46
J. WciLE!rc Aufgaben des Jugendamts im Vormundschaftswesen .. 47 bis 52
4. Vereinsvormundschaft ..................................... . 53 und 54
Abschnitt Va
Vormundschaft und Pflegschaft über Volljährige ................ . 54 a
A b s c h n i t t VI
faziehungsbeistandschaft, Freiwillige Erziehungshilfe und Für-
sorgeerziehung
1. Erzil:!rnngsbeislandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bis 61
2 rrciwilligc Erziehungshilfe und Fürsorgeerziehung 62 bis 77
Ab s c h n i tt VII
Heimaufsicht und Schutz von Minderjährigen unter 16 Jahren in
Heimen 78 und 79
A b s c h n i tt VIII
Kostentrngung bei Hilfen zur Erziehung für einzelne Minderjährige 80 bis 85
Ab s c h n i t t IX
Straftaten und Ordnungswidrigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 bis 88
Schlußbeslimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Abschnitt I § 2
Allgemeines (1) Organe der öffentlichen Jugendhilfe sind die
Jugendwohlfahrtsbehörden (Jugendämter, Landes-
§ 1 jugendämter, oberste Landesbehörden), soweit nicht
gesetzlich die Zuständigkeit anderer öffentlicher
(1) Jedes deutsche Kind hat ein Recht auf Erzie-
Körperschaften oder Einrichtungen, insbesondere
hung zur leiblichen, seelischen und gesellschaft-
der Schule, gegeben ist.
lichen Tüchtigkeit.
(2) Das Recht und die Pflicht der Eltern z'1r Er- (2) Die öffentliche Jugendhilfe umfaßt alle be-
ziehung werden durch dieses Gesetz nicht berührt. hördlichen Maßnahmen zur Förderung der Jugend-
Gegen den Willen des Erziehungsberechtigten ist wohlfahrt (Jugendpflege und Jugendfürsorge) und
ein Eingreifen nur zulässig, wenn ein Gesetz es regelt sich, unbeschadet der bestehenden Gesetze,
erlaubt. nach den folgenden Vorschriften.
(3) Insoweit der Anspruch des Kindes auf Erzie-
hung von der Familie nicht erfüllt wird, tritt, un- §·3
beschadet der Mitarbeit freiwilliger Tätigkeit, (1) Die öffentliche Jugendhilfe soll die in der
öffentliche Jugendhilfe ein. Familie des Kindes begonnene Erziehung unter-
Nr. 79 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 11. August 1970 1199
stützen und ergänzen. Die von den Personensorge- 5. allgemeine Kinder- und Jugenderholung sowie
berechtigten bestimmte Grundrichtung der Erzie- erzieherische Betreuung von Kindern und Jugend-
hung ist bei allen Maßnahmen der öffenUichen lichen im Rahmen der Familienerholung,
Jugendhilfe zu beachten, sofern hierdurch das Wohl 6. Freizeithilfen, politische Bildung und internatio-
des Kindes nicht gefährdet wird. Ihr Recht, die nale Begegnung,
religiöse Erziehung zu bestimmen, ist im Rahmen
des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung 7. Erziehungshilfen während der Berufsvorberei-
vom 15. Juli 1921 (Reichsgesetzbl. S. 939) stets zu tung, Berufsausbildung und Berufstätigkeit ein-
beachten. schließlich der Unterbringung außerhalb des
(2) Den Wünschen der Personensorgeberechtig- Elternhauses,
ten, die sich auf die Gestaltung der öffentlichen 8. erzieherische Maßnahmen des Jugendschutzes
Jugendhilfe im Einzelfall richten, soll entsprochen und für gefährdete Minderjährige.
werden, soweit sie angemessen sind und keine un- Maßnahmen nach den Nummern 1 und 5 bis 7 kön-
vertretbaren Mehrkosten erfordern. nen sich auch auf junge Menschen über 21 Jahre
(3) Die Zusammenarbeit mit den Personensorge- erstrecken.
berechtigten ist bei allen Maßnahmen der öffent-
lichen Jugendhilfe anzustreben. (2) Zu den Aufgaben nach Absatz 1 gehört es
auch, Einrichtungen und Veranstaltungen sowie die
eigenverantwortliche Tätigkeit der Jugendverbände
Abschnitt II und sonstigen Jugendgemeinschaften unter Wah-
rung ihres satzungsgemäßen Eigenlebens zu fördern,
Jugendwohlfahrtsbehörden insbesondere
1. Jugendamt 1. ihre Tätigkeit auf den in Absatz 1 Nr. 6 ge-
nannten Gebieten,
a) Zuständigkeit 2. die Ausbildung und Fortbildung ihrer Mitar-
beiter,
§ 4
3. die Errichtung und Unterhaltung von Jugend-
Aufgaben des Jugendamts sind
heimen, Freizeitstätten und Ausbildungsstätten.
1. der Schutz der Pflegekinder gemäß den §§ 27
bis 36, (3) Das Jugendamt hat unter Berücksichtigung
der verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung
2. die Mitwirkung im Vormundschaftswesen gemäß
darauf hinzuwirken, daß die für die Wohlfahrt der
den §§ 37 bis 54 a,
Jugend erforderlichen Einrichtungen und Veranstal-
3. die Mitwirkung bei der Erziehungsbeistandschaft, tungen ausreichend zur Verfügung stehen. Soweit
der Freiwilligen Erziehungshilfe und der Für- geeignete Einrichtungen und Veranstaltungen der
sorgeerziehung gemäß den§§ 55 bis 77, Träger der freien Jugendhilfe vorhanden sind, er-
4. die Jugendgerichtshilfe nach den Vorschriften des weitert oder geschaffen werden, ist von eigenen
Jugendgerichtsgesetzes, Einrichtungen und Veranstaltungen des Jugendamts
abzusehen. Wenn Personensorgeberechtigte unter
5. die Mitwirkung bei der Beaufsichtigung der Ar- Berufung auf ihre Rechte nach § 3 die vorhandenen
beit von Kindern und jugendlichen Arbeitern Träger der freien Jugendhilfe nicht in Anspruch
nach näherer landesrechtlicher Vorschrift, nehmen wollen, hat das Jugendamt dafür zu sorgen,
6. die Mitwirkung bei der Fürsorge für Krieger- daß die insoweit erforderlichen Einrichtungen ge-
waisen und Kinder von Kriegsbeschädigten, schaffen werden.
7. die Mitwirkung in der Jugendhilfe bei den Poli- (4) Träger der freien Jugendhilfe sind
zeibehörden, insbesondere bei der Unterbringung 1. freie Vereinigungen der Jugendwohlfahrt,
zur vorbeugenden Verwahrung, gemäß näherer
landesrechtlicher Vorschrift. 2. Jugendverbände und sonstige Jugendgemein-
schaften,
§ 5 3. juristische Personen, deren Zweck es ist, die
(1) Aufgabe des Jugendamts ist ferner, die für Jugendwohlfahrt zu fördern,
die Wohlfahrt der Jugend erforderlichen Einrich- 4. die Kirchen und die sonstigen Religionsgesell-
tungen und Veranstaltungen anzuregen, zu fördern schaften öffentlichen Rechts.
und gegebenenfalls zu schaffen, insbesondere für
(5) Das Nähere zu den Absätzen 1 bis 3 wird
1. Beratung in Fragen der Erziehung, durch Landesrecht bestimmt.
2. Hilfen für Mutter und Kind vor und nach der
Geburt, §6
3. Pflege und Erziehung von Säuglingen, Klein- (1) Zu den Aufgaben nach § 5 Abs. 1 gehört es,
kindern und von Kindern im schulpflichtigen im Rahmen der Einrichtungen und Veranstaltungen
Alter außerhalb der Schule, die notwendigen Hilfen zur Erziehung für einzelne
4. erzieherische Betreuung von Säuglingen, Klein- Minderjährige dem jeweiligen erzieherischen Bedarf
kindern, Kindern und Jugendlichen im Rahmen entsprechend rechtzeitig und ausreichend zu ge-
der Gesundheitshilfe, währen.
1200 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1970, Teil I
(2) Werden einem einzelnen Minderjährigen nach § 11
§ 4 oder § 5 Hilfen zur Erziehung gewährt, so ge-
Das Jugendamt ist zuständig für alle Minderjäh-
hört hierzu der in einer Familie außerhalb des
rigen, die in seinem Bezirk ihren gewöhnlichen
Elternhauses des Minderjährigen, in einem Heim Aufenthaltsort haben. Für Minderjährige ohne ge-
oder in einer sonstigen Einrichtung gewährte not-
wöhnlichen Aufenthaltsort und für vorläufige Maß-
wendige Lebensunterhalt. nahmen ist das Jugendamt zuständig, in dessen
(3) Die Vorschriften der Absätze 1 und 2 gelten Bezirk das Bedürfnis der öffentlichen Jugendhilfe
nicht für die Gewährung von Ausbildungsbeihilfen. hervortritt.
§ 7 b) Aufbau und Verfahren
Das Jugendamt hat über die Verpflichtungen nach
§ 12
den §§ 5 und 6 hinaus die freiwillige Tätigkeit zur
(1) (nichtig)
Förderung der Jugendwohlfahrt unter Wahrung
ihrer Selbständigkeit und ihres satzungsgemäßen (2) Jede kreisfreie Stadt und jeder Landkreis er-
Charakters zu unterstützen, anzuregen und zur Mit- richten ein Jugendamt.
arbeit heranzuziehen, um mit ihr zum Zwecke eines (3) Die oberste Landesbehörde kann die Errich-
planvollen Ineinandergreifens aller Organe und tung eines gemeinsamen Jugendamts durch be-
Einrichtungen der öffentlichen und freien Jugend- nachbarte Stadt- und Landkreise sowie eines Ju-
hilfe zusammenzuwirken. gendamts durch kreisangehörige Gemeindeverbände
oder Gemeinden zulassen. Im Bedarfsfalle können
§ 8 in einer Gemeinde mehrere Jugendämter errichtet
(l) Bei Förderung nach vorstehenden Bestimmun- werden.
gen sind die Grundsätze zu beachten, die landes- § 13
rechtlich für die Durchführung der Aufgaben der
(1) Zusammensetzung, Verfassung und Verfahren
Jugendhilfe gelten.
des Jugendamts werden auf Grund landesrechtlicher
(2) Bei Förderung gleichartiger Maßnahmen meh- Vorschriften geregelt.
rerer Träger der freien Jugendhilfe sind unter Be-
(2) Das Jugendamt besteht aus dem Jugendwohl-
rücksichtigung ihrer Eigenleistungen gleiche Grund-
fahrtsausschuß und der Verwaltung des Jugendamts.
sätze und Maßstäbe anzulegen.
(3) Die Aufgaben nach diesem Gesetz werden
(3) Werden gleichartige Maßnahmen der freien
durch den Jugendwohlfahrtsausschuß und durch die
und der öffentlichen Jugendhilfe durchgeführt, so
Verwaltung des Jugendamts wahrgenommen.
sind bei Förderung der Träger der freien Jugend-
hilfe unter Berücksichtigung ihrer Eigenleistungen
§ 14
die Grundsätze und Maßstäbe anzuwenden, die für
die Finanzierung der Maßnahmen der öffentlichen (1) Dem Jugendwohlfahrtsausschuß müssen an-
Jugendhilfe gelten. gehören
§ 9 1. Mitglieder der Vertretungskörperschaft und in
der Jugendwohlfahrt erfahrene oder tätige Män-
(1) Träger der freien Jugendhilfe dürfen nur
ner und Frauen aller Bevölkerungskreise, die
unterstützt werden, wenn sie die Gewähr für eine
von der Vertretungskörperschaft zu wählen sind,
den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit
und für eine sachgerechte, zweckentsprechende und 2. Männer und Frauen, die auf Vorschlag der im
wirtschaftliche Verwendung der Mittel bieten sowie Bezuk des Jugendamts wirkenden Jugendver-
öffentlich anerkannt sind. bände und der freien Vereinigungen der Jugend-
wohlfahrt durch die Vertretungskörperschaft zu
(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch
wählen sind. Die freien Vereinigungen und die
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
Jugendverbände haben Anspruch auf zwei Fünf-
Grundsätze festzulegen, nach denen die Anerken-
tel der Zahl der stimmberechtigten Mitglieder des
nung der Träger der freien Jugendhilfe erfolgt.
Ausschusses,
§ 10 3. der Leiter der Verwaltung oder ein von ihm be-
stellter Vertreter,
Die Behörden des Bundes, der Länder, der Selbst-
verwaltungskörper, die Organe der Versicherungs- 4. der Leiter der Verwaltung des Jugendamts,
träger und die Jugendämter haben sich gegenseitig 5. ein Arzt des Gesundheitsamts,
und die Jugendämter einander zur Erfüllung der
Aufgaben der Jugendwohlfahrt Beistand zu leisten. 6. Vertreter der Kirchen und der jüdischen Kultus-
Die Organe der Versicherungsträger sind insbeson- gemeinde,
dere zur Auskunfterteilung über alle das Beschäfti- 7. ein Vormundschaftsrichter oder ein Jugend-
gungsverhältnis des Minderjährigen und der zu sei- richter.
nem Unterhalt verpflichteten Personen betreffenden
Landesrecht bestimmt, wer die Vertreter zu den
Tatsachen verpflichtet. Insoweit finden die Vor-
schriften des § 142 der Reichsversicherungsordnung, Nummern 5 und 7 benennt.
des § 205 des Angestelltenversicherungsgesetzes (2) Nach näherer Bestimmung des Landesrechts
und des § 233 des Reichsknappschaftsgesetzes keine und der Verfassung des Jugendamts können weitere
Anwendung. Personen dem Jugendwohlfahrtsausschuß angehören.
Nr. 79 Tag der Ausgabe: Bonn, den 11. August 1970 1201
(3) Stimmbcrcchti~Jle Mitglieder sind nur die unter Die Verpflichtung des Jugendamts, für die sachge-
Absatz l Nr. 1 und 2 aufgeführten Personen. Die mäße Erledigung der ihm obliegenden Aufgaben
übrigen Mit~Jlieder haben nur beratende Stimme. Sorge zu tragen, wird hierdurch nicht berührt.
Ob der Leiter der Verwaltung und der Leiter der
Verwaltung des Jugendamts stimmberechtigt sind 2. Landesjugendamt
oder beratend teilnehmen, bestimmt sich nach Lan-
desrecht. § 19
§ 15 (1) Zur Sicherung einer gleichmäßigen Erfüllung
der den Jugendämtern obliegenden Aufgaben und
Der Jugendwohlfahrtsausschuß befaßt sich an-
zur Unterstützung ihrer Arbeit sind Landesjugend-
regend und fördernd mit den Aufgaben der Jugend-
ämter zu errichten.
wohlfahrt. Er beschließt im Rahmen der von der
Vertretungskörperschaft bereitgestellten Mittel, der (2) Größere Länder können mehrere Landes-
von ihr erlassenen Satzung und der von ihr ge- jugendämter errichten.
faßten Beschlüsse über die Angelegenheiten der (3) Kleinere Länder können ein gemeinsames
Jugendhilfe. Er soll in Fragen der Jugendwohlfahrt Landesjugendamt errichten. Die Jugendämter eines
vor jeder Beschlußfassung der Vertretungskörper- Landes oder eines Landesteils können dem Landes-
schaft gehört werden und hat das Recht, an sie jugendamt eines anderen Landes angeschlossen
Anträge zu stellen. Er tritt nach Bedarf, zumindest werden. Auch kann für Jugendämter verschiedener
sechsmal im Jahr, zusammc~n und ist auf Antrag Länder oder Landesteile ein Landesjugendamt er-
von mindestens einem Drittel der stimmberechtigten richtet werden.
Mitglieder einzubc~rufen. § 20
(1) Dem Landesjugendamt liegen ob
§ 16
1. die Aufstellung gemeinsamer Richtlinien und die
(l) Die laufenden Geschäfte des Jugendamts wer- sonstigen geeigneten Maßnahmen für die zweck-
den von dem Leiter der Verwaltung oder in seinem entsprechende und einheitliche Tätigkeit der Ju-
Auftrag von dem Leiter der Verwaltung des Ju- gendämter seines Bezirks,
gendamts im Rahmen der Satzung und der Be-
2. die Beratung der Jugendämter und die Ver-
schlüsse der zuständigen Vertretungskörperschaft mittlung der Erfahrungen auf dem Gebiet der
und des Jugendwohlfahrtsausschusses geführt.
Jugendwohlfahrt,
(2) Zum Leiter der Verwaltung des Jugendamts 3. die Schaffung gemeinsamer Veranstaltungen und
dürfen nur Personen bestellt werden, die auf Grund Einrichtungen für die beteiligten Jugendämter,
ihres Charakters, ihrer Kenntnisse, ihrer Erfahrun- 4. die Mitwirkung bei der Unterbringung Minder-
gen und in der Regel auf Grund einer fachlichen
jähriger,
Ausb-ildung eine besondere Eignung für die Jugend-
hilfe haben; vor ihrer Bestellung ist der Jugend- 5. die Zusammenfassung aller Veranstaltungen und
wohlfahrtsausschuß zu hören. Einrichtungen, die sich auf die Fürsorge für ge-
fährdete und verwahrloste Minderjährige be-
(3) Für die Auswahl und Ausbildung der in der ziehen,
Verwaltung des Jugendamts auf dem Gebiet der 6. die Ausführung der Freiwilligen Erziehungshilfe
Jugendwohlfahrt tätigen Fachkräfte stellt die
und der Fürsorgeerziehung, sofern nicht nach
oberste Landesbehörde Richtlinien auf und legt die
§ 74 Abs. 2 andere Behörden für zuständig erklärt
allgemeinen Voraussetzungen für die Eignung fest.
sind,
§ 17 7. die Vermittlung von Anregungen für die freiwil-
lige Tätigkeit sowie die Förderung der freien
Die den Gesundheitsämtern nach § 3 des Ge- Vereinigungen auf allen Gebieten der Jugend-
setzes über die Vereinheitlichung des Gesundheits- wohlfahrt und ihres planmäßigen Zusammen-
wesens vom :3. Juli 1934 (Reichsgesetzbl. I S. 531) arbeitens untereinander und mit den Jugend-
übertragenen Aufgaben werden nicht berührt. Das ämtern im Bereich des Landesjugendamts,
Gesundheitsamt und das Jugendamt müssen ihre
8. die Heimaufsicht gemäß § 78 und die Aufgaben
Maßnahmen aufeinander abstimmen.
nach§ 79.
§ 18 (2) Weitere Aufgaben können dem Landesjugend-
amt durch die oberste Landesbehörde übertragen
Der Leiter der Verwaltung des Jugendamts kann
im Rahmen der Beschlüsse des Jugendwohlfohrts- werden.
§ 21
ausschusses die Erledigung einzelner Geschäfte oder
Gruppen von Geschäften besonderen Ausschüssen (1) Die Aufgaben des § 20 werden durch den
sowie freien Vereinigungen der Jugendwohlfahrt, Landesjugendwohlf ahrtsausschuß und durch die
Jugendverbänden oder einzelnen in der Jugend- Verwaltung des Landesjugendamts im Rahmen der
wohlfahrt erfahrenen und bewährten Männern und Satzung und der dem Landesjugendamt zur Verfü-
Frauen widerruflich überlraucn. Das Nähere regelt gung gestellten Mittel wahrgenommen.
die oberste Landesbehörde, soweit der Bund nicht
(2) Die laufenden Geschäfte werden von dem
von seinem Recht gemäß § 24 *) Gebrauch macht.
Leiter der Verwaltung des Landesjugendamts im
Rahmen der Satzung und der Beschlüsse des Landes-
*) Vgl. Urteil des Bundcsverfc1ssnnusfJerichl.s vom 18. Juli 1967 (Bun-
desgesetzl>l. I S. 896). jugendwohlfahrtsausschusses geführt.
1202 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1970, Teil I
(3) Die im Bezirk des Landesjugendamts wirken- Bericht soll einen Uberblick über die gesamte Ju-
den freien Vereinigungen der Jugendwohlfahrt und gendhilfe vermitteln; der Bericht soll erstmals zum
die Jugendverbände habcm Anspruch auf zwei Fünf- 1. Juli 1979 erstattet werden. Die Berichte sollen
tel der Zahl der stimmberechtigten Mitglieder des auch Ergebnisse und Mängel darstellen und Verbes-
Landesjugendwohlfahrlsausschusses. Sie sind auf serungsvorschläge enthalten.
Vorschlag der Verbände von der obersten Landes- (3) Die Bundesregierung beauftragt mit der Aus-
behörde zu ernennen. Die übrigen Mitglieder wer- arbeitung der Berichte jeweils eine Kommission,
den durch Landesrecht bestimmt. der bis zu sieben fachkundige Persönlichkeiten an-
(4) § 16 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend. gehören, und fügt eine Stellungnahme mit den von
ihr für notwendig gehaltenen Folgerungen bei.
3. Oberste Landesbehörde (4) Der Bundesregierung sind von den Trägern
der Jugendhilfe die erforderlichen Auskünfte zu er-
§ 22 teilen.
Die oberste Landesbehörde soll die Bestrebungen (5) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch
auf dem Gebiet der Jugendhilfe unterstützen, die Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
Erfahrungen den Trägern der freien und der öffent- das Nähere über die Auskunftserteilung nach Ab-
lichen Jugendhilfe übermitteln sowie auch sonst für satz 4 zu regeln.
die Verwertung der gesammelten Erfahrungen
sorgen. Sie soll insbesondere Einrichtungen und § 26
Veranstaltungen der Jugendhilfe anregen und för- (1) Zur Beratung der Bundesregierung in grund-
dern, soweit sie über die Verpflichtungen der Ju- sätzlichen Fragen der Jugendhilfe wird ein Bundes-
gendämter und Landesjugendämter hinaus zur Ver- jugendkuratorium errichtet.
wirklichung der Auf gaben der Jugendhilfe im Lande
von Bedeutung sind, in besonderer Weise die Vor- (2) Das Nähere regelt die Bundesregierung durch
aussetzungen für die Weiterentwicklung der Jugend- Verwaltungsvorschriften.
hilfe schaffen oder zur Behebung von besonderen
Notständen erforderlich sind.
Abschnitt IV
4. Besondere Aufgaben Schutz der Pflegekinder
aller Jugendwohlfahrtsbehörden
1. Erlaubnis zur Annahme
§ 23
§ 27
Die Jugendämter, Landesjugendämter und ober-
(1) Pflegekinder sind Minderjährige unter 16 Jah-
sten Landesbehö.rden sollen
ren, die sich dauernd oder nur für einen Teil des
1. die Offentlichkeit über die Lage der Jugend und Tages, jedoch regelmäßig, außerhalb des Eltern-
über die Maßnahmen der Jugendhilfe unterrich- hauses in Familienpflege befinden.
ten,
(2) Pflegekinder sind nicht
2. bei Maßnahmen der Jugendhilfe, die einer Er-
gänzung durch andere gesetzliche Träger der 1. Minderjährige, die sich bei ihren Personensorge-
Jugendhilfe bedürfen, ein planvolles Zusam- berechtigten befinden,
menwirken anstreben, 2. Minderjährige, die sich bei Verwandten oder
3. die Fortbildung der Fachkräfte der Jugendhilfe Verschwägerten bis zum dritten Grad befinden,
anregen, fördern und gegebenenfalls durchführen. es sei denn, daß diese Personen Minderjährige
gewerbsmäßig oder gewohnheitsmäßig in Pflege
nehmen,
Abschnitt III 3. Minderjährige, die aus Anlaß auswärtigen Schul-
Bundesregierung und Bundesjugendkuratorium besuchs für einen Teil des Tages in Pflege ge-
nommen werden, oder die zum Zweck des Schul-
§ 24 besuchs in auswärtigen Schulorten in Familien
(nichtig) untergebracht sind, wenn die Pflegestelle von der
Leitung der Schule für geeignet erklärt ist und
§ 25 überwacht wird,
(1) Die Bundesregierung kann die Bestrebungen 4. Minderjährige, die bei ihrem Lehrherrn oder Ar-
auf dem Gebiet der Jugendhilfe anregen und för- beitgeber untergebracht sind, wenn die Pflege-
dern, soweit sie über die Verpflichtungen der stelle von der nach Landesrecht zuständigen Be-
Jugendämter, Landesjugendämter und obersten hörde für geeignet erklärt ist und überwacht
Landesbehörden hinaus zur Verwirklichung der wird,
Aufgaben der Jugendhilfe von Bedeutung sind. 5. Minderjährige, die unentgeltlich für eine Zeit
(2) Die Bundesregierung legt dem Bundestag und von nicht mehr als sechs Wochen in Pflege ge-
dem Bundesrat in jeder Legislaturperiode, erstmals nommen werden,
zum 1. Juli 1971, einen Bericht über Bestrebungen 6. Minderjährige, die sich in Freiwilliger Erzie-
und Leistungen der Jugendhilfe vor. Jeder dritte hungshilfe oder Fürsorgeerziehung befinden.
Nr. 79 Tag der Ausgabe: Bonn, den 11. August 1970 1203
§ 28 bracht werdei:i, steht die Erteilung der Erlaubnis und
Wer ein Pfl<)gdind aufnimmt (Pflegeperson), be- die Aufsicht diesen Behörden zu. Doch kann die
darf dazu der vorherigen Erlaubnis des Jugend- Ubertragung dieser Befugnisse von diesen Behör-
amts. Kann in Eilfällen die Erlaubnis nicht vorher den auf das örtlich zuständige Jugendamt durch die
erwirkt werden, so ist sie unverzüglich nachträglich zuständige Landesbehörde angeordnet werden.
zu beantragen. Wer mit einem Pflegekind in den
Bezirk eines Jugendamts zuzieht, hat die Erlaubnis 5. Ermächtigung der Länder
zur Fortsetzung der Pflege unverzüglich einzuholen.
Die Erlaubnis kann befristet oder unter einer Be- § 35
dingung erteilt oder mit Auflagen versehen werden.
(1) Das Nähere über die Pflegeerlaubnis, die Auf-
§ 29 sichtsbefugnisse und die Anzeigepflicht wird durch
Landesrecht bestimmt.
(1) Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn
in der Pflegestelle das leibliche, geistige und seeli- (2) Durch Landesrecht kann bestimmt werden,
sche Wohl des Pflegekindes gewährleistet ist. inwieweit die Vorschriften dieses Abschnitts auf
Pflegekinder anzuwenden sind, die unter der Auf-
(2) Die Pflegeerlaubnis kann widerrufen werden, sicht einer Vereinigung stehen, die der Jugendwohl-
wenn das Wohl des Pflegekindes es erfordert. fahrt dient und durch das Landesjugendamt für ge-
eignet erklärt ist.
§ 30
§ 36
Zuständig für die Erteilung und den Widerruf der
Erlaubnis ist das Jugendamt, in dessen Bezirk die Die Befugnis der Länder, weitere Vorschriften
Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. zum Schutz der Minderjährigen zu erlassen, die
sich regelmäßig außerhalb des Elternhauses in Fa-
milienpflege befinden, bleibt unberührt.
2. Aufsicht
§ 31
(1) Pflegekinder unterstehen der Aufsicht des Ju- Abschnitt V
gendamts. Die Aufsicht erstreckt sich darauf, daß Stellung des Jugendamts
das leibliche, geistige und seelische Wohl des Pflege- im Vormundschaftswesen;
kindes gewährleistet ist. Vereinsvormundschaft
(2) Das Jugendamt hat die Pflegeperson zu be-
raten und bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen. 1. Amtspflegschaft und Amtsvormundschaft
(3) Das Jugendamt kann Pflegekinder widerruflich
a) Allgemeine Bestimmungen
von der Beaufsichtigung befreien.
§ 37
§ 32
Das Jugendamt wird Pfleger öder Vormund in
Wer ein nach § 31 Abs. 1 der Aufsicht unter-
den durch das Bürgerliche Gesetzbuch und die fol-
stehendes Kind in Pflege hat, ist verpflichtet, dessen
genden Bestimmungen vorgesehenen Fällen (Amts-
Aufnahme, Abgabe, Wohnungswechsel und Tod dem
pflegschaft, Amtsvormundschaft). Es überträgt die
Jugendamt unverzüglich anzuzeigen.
Ausübung der Aufgaben des Pflegers oder Vor-
munds einzelnen seiner Beamten oder Angestellten.
3. Vorläufige Unterbringung Im Umfang der Ubertragung sind die Beamten und
Angestellten zur gesetzlichen Vertretung des Min-
§ 33 derjährigen befugt. Die Ubertragung gehört zu den
(1) Bei Gefahr im Verzuge kann das Jugendamt lauf enden Geschäften im Sinne des § 16.
das Pflegekind sofort aus der Pflegestelle entfernen
und vorläufig anderweit unterbringen. Das Grund- § 38
recht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Arti- (1) Auf die Amtspflegschaft und die Amtsvor-
kel 13 Abs. 1 des Grundgesetzes) wird insoweit mundschaft sind die Bestimmungen des Bürger-
eingeschränkt. lichen Gesetzbuchs anzuwenden, soweit sich aus
(2) Das Jugendamt ist verpflichtet, die Personen- diesem Gesetz nicht .ein anderes ergibt.
sorgeberechtigten, die Pflegeperson und das zu- (2) Ein Gegenvormund wird nicht bestellt.
ständige Vormundschaftsgericht von der getroffenen
Maßnahme unverzüglich zu benachrichtigen. (3) Dem Jugendamt stehen die nach § 1852 Abs. 2,
§§ 1853 und 1854 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu-
lässigen Befreiungen zu.
4. Behördlich angeordnete Familienpflege
(4) Hat das Jugendamt über die Unterbringung
eines Minderjährigen zu entscheiden, so ist hierbei
§ 34
auf das religiöse Bekenntnis oder die Weltanschau-
Bei Kindern, die von anderen landesgesetzlich ung des Minderjährigen und seiner Familie Rück-
zuständigen Behörden in Familienpflege unterge- sicht zu nehmen.
1204 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1970, Teil I
(5) Die Anleriung von Mündelgeld gemäß § 1807 gesetzbl. I S. 353) anerkannt ist und wenn sie ihren
des Bür~Jerlidwn Cesetzbuchs ist auch bei der Kör- gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses
perschaft zulüssig, bei der das Jugendamt errichtet Gesetzes hat.
ist. (2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn bereits
(6) Das Jugendamt kann für Aufwendungen kei- vor der Geburt des Kindes ein Pfleger bestellt oder
nen Vorschuß und Ersatz nur insoweit verlangen, angeordnet ist, daß eine Pflegschaft nicht eintritt,
als das VermörJen des Minderjährigen ausreicht. oder wenn das Kind nach § 1773 des Bürgerlichen
Allgemeine Verwaltungskosten werden nicht er- Gesetzbuchs eines Vormunds bedarf.
setzt. Eine Vergütung kann dem Jugendamt nicht
(3) Ergibt sich erst später aus einer gerichtlichen
bewilligt werden.
Entscheidung, daß das Kind nichtehelich ist, und be-
(7) Gegen das Jugendamt werden keine Ord- darf es eines Pflegers, so wird das Jugendamt in
nungsstrafen festgesetzt. dem Zeitpunkt Pfleger, in dem die Entscheidung
rechtskräftig wird.
§ 39
(4) Für ein nichteheliches Kind, das außerhalb des
Die Landesgesetzgebung kann bestimmen, daß Geltungsbereichs dieses Gesetzes geboren ist und
weitere Vorschriften des ersten Titels des dritten dessen Mutter die Voraussetzungen des Absatzes 1
Abschnitts im vierten Buche des Bürgerlichen Ge- erfüllt, tritt die gesetzliche Pflegschaft erst ein, wenn
setzbuchs, welche ·die Aufsicht des Vormundschafts- es seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungs-
gerichts in vermögensrechtlicher Hinsicht sowie bereich dieses Gesetzes nimmt. Die gesetzliche Pfleg-
beim Abschluß von Lehr- und Arbeitsverträgen schaft tritt nicht ein, wenn im Geltungsbereich oder
betreffen, gegenüber dem Jugendamt außer Anwen- außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes be-
dung bleiben. reits eine Pflegschaft oder Vormundschaft anhängig
§ 39a ist.
(1) Das Vormundschaftsgericht hat das Jugend- § 41
amt als Pfleger oder Vormund zu entlassen und (1) Mit der Geburt eines nichtehelichen Kindes,
einen anderen Pfleger oder Vormund zu bestellen, das nach § 1773 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eines
wenn dies dem Wohle des Minderjährigen dient Vormunds bedarf, wird das Jugendamt Vormund,
und eine andere als Pfleger oder Vormund geeig- wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1
nete Person vorhanden ist. vorliegen. Dies gilt nicht, wenn bereits vor der Ge-
(2) Die Entscheidung ergeht von Amts wegen burt. des Kindes ein Vormund bestellt ist. § 40 Abs. 3
oder auf Antrag. Zum Antrag sind berechtigt der und 4 gilt. entsprechend.
Minderjährige nach Vollendung des vierzehnten (2) War das Jugendamt Pfleger eines nichtehe-
Lebensjahres sowie jeder, der ein berechtigtes Inter- lichen Kindes nach § 1706 des Bürgerlichen Gesetz-
esse des Minderjährigen geltend macht. Das Ju-
buchs, endet die Pflegschaft kraft Gesetzes, und be-
gendamt soll den Antrag stellen, sobald es erfährt, darf das Kind eines Vormunds, so wird das Jugend-
daß die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen. amt. Vormund, das bisher Pfleger war.
(3) Das Vormundschaftsgericht soll vor seiner Ent-
scheidung auch das Jugendamt hören. § 42
(1) Für die Pflegschaft oder Vormundschaft, die
§ 39b mit der Geburt eines nicht.ehelichen Kindes kraft
Das Vormundschaftsgericht hat das Jugendamt als Gesetzes eint.ritt, ist das Jugendamt zuständig, in
Pfleger oder Vormund auf seinen Antrag zu entlas- dessen Bezirk das Kind geboren ist.
sen, wenn eine andere als Pfleger oder Vormund (2) Ergibt sich erst später aus einer gerichtlichen
geeignete Person vorhanden ist und das Wohl des Entscheidung, daß das Kind nichtehelich ist, so ist
Minderjährigen dieser Maßnahme nicht entgegen- das Jugendamt. zuständig, in dessen Bezirk das
steht. Kind in dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung
rechtskräftig wird, seinen gewöhnlichen Aufenthalt
b) Gesetzliche Amtspflegschaft und gesetzliche hat oder bei Fehlen eines solchen sich tatsächlich
Amtsvormundschaft aufhält.
§ 40 (3) In den Fällen des § 40 _Abs. 4 ist das Jugend-
amt zuständig, in dessen Bezirk das Kind seinen
(1) Mit der Geburt eines nichtehelichen Kindes gewöhnlichen Aufenthalt nimmt..
wird das Jugendamt Pfleger nach § 1706 des Bürger-
lichen Gesetzbuchs, wenn die Mutter Deutsche im
§ 43
Sinne des Grundgesetzes ist. Das gleiche gilt, wenn
die Mutter staatenlos oder heimatlose Ausländerin (1) Sobald es das Wohl des Kindes erfordert, soll
im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung hei- das die Pflegschaft oder Vormundschaft führende
matloser Auslünder im Bundesgebiet vom 25. April Jugendamt bei dem Jugendamt eines anderen Be-
1951 (Bundesgeset.zbl. I S. 269) oder Flüchtling im zirks die Weiterführung der Pflegschaft oder der
Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Vormundschaft beantragen. Der Antrag kann auch
Rechtsstellung der Flüchtlinge (Bundesgeset.zbl. von dem Jugendamt. eines anderen Bezirks sowie
1953 II S. 559) ist. oder als Asylberechtigte nach § 28 von der Mutter und von einem jeden, der ein be-
des Ausländergesetzes vom 28. April 1965 (Bundes- rechtigtes Interesse des Kindes geltend macht, ge-
Nr. 79 Tag der Ausgabe: Bonn, den 11. August 1970 1205
stellt werden. Dc1s die Pfle~Jschaft oder die Vormund- zeigen und auf Erfordern über das persönliche Erge-
schaft abgebende Juqendamt hat den Ubergang dem hen und das Verhalten eines Mündels Auskunft zu
Vormundsdwfl.sgcricht unverzüglich mitzuteilen. geben.
(2) Gegen die Ablehnung des Antrags kann das (2) Erlangt das Jugendamt Kenntnis von einer
Vormundsd1aftsqericht anrJerufen werden. Gefährdung des Vermögens eines Mündels, so hat
es dem Vormundschaftsgericht dies anzuzeigen.
§ 44 (3) Die Absätze 1 und 2 gelten für die Pflegschaft
Der Standesbeamte hat die nach § 48 des Ge- und für die Beistandschaft nach § 1690 des Bürger-
setzes über die Anuelcgenheiten der freiwilligen lichen Gesetzbuchs entsprechend.
· Gerichtsbarkeit dem Vormundschaftsgericht zu er-
stattende Anzeige über die Geburt eines nichtehe- § 47b
lichen Kindes unverzüglich dem Jugendamt zu über- (1) Das Vormundschaftsgericht hat dem Jugend-
senden. In der Anzeige ist das religiöse Bekenntnis amt die Anordnung der Vormundschaft unter Be-
der Mutter anzugeben, w(mn es im Geburtseintrag zeichnung des Vormunds und des Gegenvormunds
enthalten ist. Das Jugendamt hat die Anzeige un- sowie einen Wechsel in der Person und die Beendi-
verzüglich an das Vormundschaftsgericht weiterzu- gung 9-er Vormundschaft mitzuteilen.
leiten und ihm den Eintritt d<~r Pflegschaft oder der
Vormundschaft mitzuteilen. (2) Wird der gewöhnliche Aufenthalt eines Mün-
dels in den Bezirk eines anderen Jugendamts ver-
legt, so hat der Vormund dem Jugendamt des bis-
c) Bestellte Amtspflegschaft und bestellte
herigen gewöhnlichen Aufenthalts und dieses dem
Amtsvormundschaft ·
Jugendamt des neuen gewöhnlichen Aufenthalts die
§ 45
Verlegung mitzuteilen.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für eine die Sorge
Ist eine als Einzelpfleger oder Einzelvormund ge-
eignete Person nicht vorhanden, so kann auch das für die Person betreffende Pflegschaft und für eine
Beistandschaft, wenn dem Beistand die Geltend-
Jugendamt zum Pfleger oder Vormund bestellt wer-
machung von Unterhaltsansprüchen übertragen ist,
den. Das Jugendamt kann von den Eltern des Min-
derjährigen weder benannt noch ausgeschlossen entsprechend.
werden. § 47c
Die Landesgesetzgebung kann bestimmen, daß
örtliche Einrichtungen geschaffen werden, die das
2. Beistandschaft und Gegenvormundschaft
Jugendamt bei der Erfüllung seiner Aufgaben nach
des Jugendamts
den §§ 47 und 47 a dieses Gesetzes sowie nach
§ 1779 Abs. 1 und nach § 1862 Abs. 1 des Bürger-
§ 46
lichen Gesetzbuchs unterstützen.
Die Bestimmungen der §§ 37 bis 39b und 45 gel-
ten für die Bestellung des Jugendamts zum Beistand § 47d
oder Gegenvormund entsprechend. Das Jugendamt hat die Pfleger, Vormünder, Bei-
stände und Gegenvormünder seines Bezirks plan-
mäßig zu beraten und bei der Ausübung ihres
3. Weitere Aufgaben des Jugendamts im Amtes zu unterstützen.
Vormundschaftswesen § 48
Das Jugendamt hat das Vormundschaftsgericht bei
§ 47
allen Maßnahmen zu unterstützen, welche die Sorge
(1) Das Jugendamt hat dem Vormundschafts- für die P.erson Minderjähriger betreffen. Es hat dem
gericht die Personen vorzuschlagen, die sich im ein- Vormundschaftsgericht Anzeige zu machen, wenn
zelnen Falle zum Pfleger, Vormund, Beistand, Ge- ein Fall zu seiner Kenntnis gelangt, in dem das
genvormund oder Mitglied eines Familienrats eig- Vormundschaftsgericht zum Einschreiten berufen ist.
nen.
(2) Erlangt das Jugendamt von einem Falle Kennt- § 48a
nis, in dem ein Pfleger, Vormund, Beistand oder • (1) Das Vormundschaftsgericht hat das Jugend-
Gegenvormund zu bestellen ist, so hat es dies dem amt vor einer Entscheidung nach folgenden Vor-
Vormundschaftsgericht unverzüglich mitzuteilen. Es schriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu hören:
soll mit der Anzeige den Vorschlag nach Absatz 1
verbinden. 1. § 3 (Volljährigkeitserklärung),
§ 47a 2. § 1597 Abs. 1 bis 3 und in den entsprechenden
Fällen des § 1600k Abs. 1 Satz 2, Absatz 2 und
(1) Das Jugendamt hat in Unterstützung des Vor- 3 (Anfechtung der Ehelichkeit und der Aner-
mundschaftsgerichts darüber zu wachen, daß die kennung),
Vormünder für d ic Person der Mündel, insbesondere
3. § 1632 Abs. 2 (Herausgabe des Kindes),
für ihre Erziehung und ihre körperliche Pflege,
pflichtmäßig Sorge tragen. Es hat dem Vormund- 4. § 1634 Abs. 2 und § 1711 Abs. 1 Satz 2 (Verkehr
schaftsgericht Müngel und Pflichtwidrigkeiten anzu- mit dem Kinde),
1206 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1970, Teil I
5. § 1666 (Gefährdung des Kindes), an Stelle des Unterhalts zu gewährenden Abfin-
6. §§ 1671 und 1672 (elterliche Gewalt nach Schei- dung zu beurkunden, wenn das Kind im Zeit-
dung und bei Gelrenntleben der Eltern), punkt der Beurkundung minderjährig ist,
7. § 1679 (Verwirkung der elterlichen Gewalt), 3. die Verpflichtung zur Erfüllung von Ansprüchen
einer Frau nach den §§ 1615 k und 16151 des Bür-
8. § 1707 (Entscheidung über die Pflegschaft), gerlichen Gesetzbuchs (Entbindungskosten und
9. §§ 1723, 1727, 1738 Abs. 2 und § 1740 a (Ehe- Unterhalt) zu beurkunden,
licherklärung), 4. die in § 1617 Abs. 2 und § 1618 des Bürgerlichen
10. §§ 1751, 1765 Abs.2, §§ 1770a und 1770b (An- Gesetzbuchs bezeichneten Erklärungen (Name des
nahme an Kindes Statt). Kindes) zu beglaubigen.
Der Beamte oder der Angestellte des Jugendamts
(2) Das Vormundschaftsgericht hat das Jugend-
soll keine Beurkundungen vornehmen, wenn ihm
amt ferner zu hören vor einer Entscheidung nach
in der den Gegenstand des Amtsgeschäfts bilden-
§ 1 Abs. 2 des Ehegesetzes (Ehemündigkeit) und
den Angelegenheit die Vertretung eines Beteilig-
nach § 3 Abs. 3 des Ehegesetzes (Einwilligung zur
ten obliegt.
Eheschließung) sowie nach § 9 Abs. 1 der Verord-
nung gegen Mißstände im Auswanderungswesen (2) Beurkundungen, Beglaubigungen und die Er-
vom 14. Februar 1924 (Reichsgesetzbl. I S. 107). teilung von Ausfertigungen sind gebührenfrei.
(3) Bei Gefahr im Verzuge kann das Vormund- (3) Für die Tätigkeiten nach Absatz 1 ist jedes
schaftsgericht einstweilige Anordnungen schon vor Jugendamt zuständig.
Anhörung des Jugendamts treffen.
§ 50
§ 48b (1) Aus Urkunden, die eine Verpflichtung nach
In den Fällen des § 1751 des Bürgerlichen Ge- § 49 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 zum Gegenstand haben und
setzbuchs hat das Vormundschaftsgericht außerdem die von einem Beamten oder Angestellten des Ju-
das Landesjugendamt zu hören, wenn das Kind von gendamts innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefug-
einem fremden Staatsangehörigen an Kindes Statt nisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen
angenommen werden soll oder wenn der Anneh- sind, findet die Zwangsvollstreckung statt, wenn die
mende seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufent- Erklärung die Zahlung einer bestimmten Geld-
halt im Ausland hat. Zuständig ist das Landes- summe betrifft und der Schuldner sich in der Ur-
jugendamt, in dessen Bereich das Jugendamt liegt, kunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unter-
das nach § 48 a Abs. 1 Nr. 10 gehört wurde. worfen hat. Auf die Zwangsvollstreckung sind die
Vorschriften, welche für die Zwangsvollstreckung
§ 48c
aus gerichtlichen Urkunden nach § 794 Abs. 1 Nr. 5
der Zivilprozeßordnung gelten, mit folgenden Maß-
Das Vormundschaftsgericht kann das Jugendamt gaben entsprechend anzuwenden:
mit der Ausführung der Anordnungen nach § 1631
Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Unterstützung 1. die vollstreckbare Ausfertigung wird von dem
der Eltern), § 1634 Abs. 2 Satz 1 und § 1711 Abs. 1 Beamten oder Angestellten des Jugendamts er-
Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Verkehr mit teilt, der für die Beurkundung der Verpflich-
dem Kinde) und mit dessen Einverständnis auch mit tungserklärung zuständig ist;
der Ausführung sonstiger Anordnungen betrauen. 2. über Einwendungen, welche die Zulässigkeit der
Vollstreckungsklausel betreffen, und über die Er-
§ 48d teilung einer weiteren vollstreckbaren Ausferti-
Wirkt das Vormundschaftsgericht bei der Siche- gung entscheidet das für das Jugendamt zustän-
rung des Unterhalts eines Minderjährigen mit, so dige Amtsgericht.
hat sich das Jugendamt auf Verlangen über die (2) Für Urkunden, die von einem Beamten oder
Höhe des Unterhalts gutachtlich zu äußern. Angestellten des Jugendamts innerhalb der Gren-
zen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen
§ 49 Form aufgenommen worden sind, gelten § 642 c
(1) Das Landesjugendamt kann auf Antrag des Nr. 2 und § 642 d der Zivilprozeßordnung (Regel-
Jugendamts Beamte und Angestellte des Jugend- unterhalt, Zu- und Abschlag zum Regelunterhalt)
amts ermächtigen, entsprechend.
1. die Erklärung, durch welche die Vaterschaft aner- § 51
kannt wird, die Zustimmungserklärung des Kin- (1) Das Jugendamt hat einen Elternteil, dem die
, des sowie die etwa erforderliche Zustimmung des Sorge für die Person des Kindes allein zusteht, auf
gesetzlichen Vertreters zu einer solchen Erklä- Antrag bei der Ausübung der Personensorge, insbe-
rung (Erklärungen über die Anerkennung der sondere bei der Geltendmachung von Unterhalts-
Vaterschaft) zu beurkunden oder, soweit die Er- ansprüchen des Kindes zu beraten und zu unter-
klärung auch in öffentlich beglaubigter Form ab- stützen.
gegeben werden kann, zu beglaubigen,
(2) Leben die Eltern des Kindes getrennt, ohne
2. die Verpflichtung zur Erfüllung von Unterhalts- daß die Sorge für die Person des Kindes einem
ansprüchen eines Kindes oder zur Leistung einer Elternteil übertragen ist, so gilt Absatz 1 für den
Nr. 79 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 11. August 1970 1207
Eltern !eil enlsprcdwnd, in dessen Obhut sich das wenden. Dies gilt sinngemäß, wenn nach § 1897
Kind befindet oder der llnterhcillsansprüche des Kin- Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs an die Stelle
des gc~Jcn den anderen Elte:rnteil gelt.end machen des Jugendamts eine andere Behörde tritt.
will.
§ 52
(1) Düs Jugcndarnl rwl eine werdende Mutter mit Abschnitt VI
ihrem Einvc!rsUindnis zu lwraLcn und zu unter-
Erziehungsbeistandschaft, Freiwillige
stützen, soweit ein Bed ü rlnis hierfür erkennbar ge-
Erziehungshilfe und Fürsorgeerziehung
worden ist.
(2) Ist anzunehmen, daß das Kind nichtehelich 1. Erziehungsbeistandschaft
geboren wird, so hal di:ls Jugendamt im Einver-
ständnis mit der Mutter vor der Geburt die Fest- § 55
stellung der Vaterschaft durch Ermittlungen und
Für einen Minderjährigen, dessen leibliche, gei-
sonstige Maßnc1hmen vorzubereiten. Dies gilt nicht,
stige oder seelische Entwicklung gefährdet oder ge-
wenn m il dieser J\ufgc:1be ein Pfleger für die Leibes-
schädigt ist, ist ein Erziehungsbeistand zu bestellen,
frucht betraut ist oder wenn das Vormundschafts-
wenn diese Maßnahme zur Abwendung der Gefahr
gericht angeordnet hat, dc:1ß eine Pflegschaft nicht
eintritt. oder zur Beseitigung des Schadens geboten und
ausreichend erscheint.
(3) Das Jugendamt hat die Mutter eines nicht-
ehelichen Kindes mit ihrem Einverständnis vor und § 56
nach der Entbindung bei der Geltendmachung ihrer
(1) Das Jugendamt bestellt den Erziehungsbei-
Ar,sprüche nach den §§ 1615 k und 1615 l des Bür-
stand auf Antrag der Personensorgeberechtigten.
gerlichen Gesetzbuchs zu beraten und zu unter-
stützen. (2) Der Erziehungsbeistand ist durch eine andere
Person zu ersetzen, wenn es das Wohl des Minder-
4. Vereinsvormundschaft jährigen erfordert.
§ 53 § 57
(1) Durch die Landesgesetzgebung kann bestimmt (1) Liegen die Voraussetzungen des § 55 vor,
werden, unter welchen Voraussetzungen ein rechts- wird aber ein Erziehungsbeistand nicht nach § 56
fähiger Verein vom Landesjugendamt für geeignet bestellt, so ordnet das Vormundschaftsgericht die
erklärt werden kann, Pflegschaften, Vormund- Bestellung an. Der Erziehungsbeistand ist sodann
schaften oder Beistandschaften zu übernehmen. vom Jugendamt zu bestellen. § 56 Abs. 2 ist anzu-
wenden.
(2) Die Eignungserklärung ist widerruflich und
kann unter Auflagen erteilt werden. Sie soll nur (2) Das Vormundschaftsgericht entscheidet von
erteilt werden, wenn der Verein eine ausreichende Amts wegen oder auf Antrag. Antragsberechtigt ist
Zahl fachlich aus~Jebildeter Mitglieder hat. Sie kann jeder Personensorgeberechtigte und das Jugendamt.
ferner auf den Bereich eines Landesjugendamts (3) Vor der Beschlußfassung sind die Antrags-
oder auf einen Teil dieses Bereichs beschränkt wer- berechtigten und der Minderjährige zu hören, so-
den. weit sie erreichbar sind.
§ 54 (4) Der Beschluß des Vormundschaftsgerichts ist
(1) Artikel 136 des Einführungsgesetzes zum Bür- den in Absatz 2 Satz 2 Genannten und dem Minder-
gerlichen Gesetzbuch und die §§ 1783, 1887 des Bür- jährigen, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat,
gerlichen Gesetzbuchs werden aufgehoben. Dem bekanntzugeben. Die Begründung des Beschlusses
§ 1784 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird folgender ist dem Minderjährigen nicht mitzuteilen, soweit
Absatz 2 angefügt: ,, Diese Erlaubnis darf nur ver- sich aus ihrem Inhalt Nachteile für seine Erziehung
sagt werden, wenn ein wichtiger dienstlicher Grund ergeben können.
vorliegt. 11
(5) Hat ein Vormundschaftsgericht entschieden,
(2) Dem § 1786 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in dessen Bezirk der Minderjährige nicht seinen ge-
werden die Worte hinzugefügt: ,,welche zwei und wöhnlichen Aufenthaltsort hat, so soll die Sache
mehr noch nicht schulpflichtige Kinder besitzt oder auf Antrag des Jugendamts gemäß § 46 des Ge-
glaubhaft macht, daß die ihr obliegende Fürsorge setzes über die Angelegenheiten der freiwilligen
für ihre Familie die Ausübung des Amtes dauernd Gerichtsbarkeit, sofern nicht besondere Gründe da-
besonders erschwert. 11
gegen sprechen, an das Vormundschaftsgericht ab-
gegeben werden, in dessen Bezirk der Minderjäh-
rige seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.
Abschnitt V a § 58
Vormundschaft und Pflegschaft über Volljährige (1) Der Erziehungsbeistand unterstützt die Per-
- sonensorgeberechtigten bei der Erziehung. Er steht
§ 54 a
dem Minderjährigen mit Rat und Hilfe zur Seite und
Auf die Vormundschaft, Pflegschaft und Gegen- berät ihn auch bei Verwendung seines Arbeitsver-
vormundschaft über Volljährige sind die §§ 11, 37 dienstes. Er hat bei der Ausübung seines Amts das
bis 39 b, 45, 47 bis 48 und 53 entsprechend anzu- Recht auf Zutritt zu dem Minderjährigen. Das
1208 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1970, Teil I
Grundrecht der Unverlelzlichkeit der Wohnung (Ar- § 65
tikel 13 Abs. l des Grundgesetzes) wird insoweit (1) Das Vormundschaftsgericht entscheidet von
eingeschränkt. Amts wegen oder auf Antrag. Antragsberechtigt
(2) Der Erziehungsbeistand hat dem Jugendamt sind das Jugendamt, das Landesjugendamt und jeder
und, falls er auf Grund eines Beschlusses des Vor- Personensorgeberechtigte. Der Kreis der Antrags-
mundschaftsgerichts bestellt ist, auch dem Vor- berechtigten kann durch Landesrecht erweitert
mundschaftsgericht auf Verlangen zu berichten. Er werden.
hat jeden Umstand unverzüglich mitzuteilen, der
Anlaß geben könnte, weitere erzieherische Maß- (2) Vor der Entscheidung sind die Antragsberech-
nahmen zu treffen. tigten und der Minderjährige zu hören. Das Vor-
mundschaftsgericht soll die Personensorgeberechtig-
§ 59 ten und den Minderjährigen mündlich anhören,
Die Personensorgeberechtigten, der Arbeitgeber, soweit dies ohne erhebliche Schwierigkeiten ge-
die Lehrer und Personen, bei denen sich der Minder- schehen kann. Der Kreis der Anzuhörenden kann
jährige nicht nur vorübergehend aufhält, sind ver- durch Landesrecht erweitert werden.
pflichtet, dem Erziehungsbeistand Auskunft zu
(3) Der Beschluß ist mit Gründen zu versehen ..
geben.
Er ist den Antragsberechtigten und, wenn Fürsorge-
§ 60 erziehung angeordnet wird, dem Minderjährigen,
Das Jugendamt hat den Erziehungsbeistand zu wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat, zuzu-
beraten und bei seiner Tätigkeit zu unterstützen. stellen. § 57 Abs. 4 Satz 2 ist anzuwenden.
(4) Gegen den Beschluß steht den in Absatz 3
§ 61
Satz 2 Genannten die sofortige Beschwerde mit auf-
(1) Die Erziehungsbeislandschaft endet mit der schiebender Wirkung zu.
Volljährigkeit.
(5) § 57 Abs. 5 ist anzuwenden.
(2) Die Erziehungsbeistandschaft ist aufzuheben,
wenn der Erziehungszweck erreicht oder die Er-
§ 66
reichung des Erziehungszwecks anderweitig sicher-
gestellt ist. Sie ist insbesondere aufzuheben, wenn (1) Das Vormundschaftsgericht kann im Verfahren
die Ausführung der Freiwilligen Erziehungshilfe nach § 64 zur Beurteilung der Persönlichkeit des
oder der Fürsorgeerziehung beginnt. Sie ist ferner Minderjährigen die Untersuchung durch einen Sach-
aufzuheben, wenn im Fall des § 56 Abs. 1 ein Per- verständigen anordnen.
sonensorgeberechtigter die Aufhebung beantragt. (2) Zur Vorbereitung des Sachverständigengut-
Für die Aufhebung ist in den Fällen des § 56 Abs. 1 achtens kann das Vormundschaftsgericht die Unter-
das Jugendamt, in den übrigen Fällen das Vormund- bringung des Minderjährigen bis zu sechs Wochen
schaftsgericht zuständig. in einer für die pädagogische, medizinische oder
psychologische Beobachtung und Beurteilung geeig-
2. freiwillige Erziehungshilfe neten Einrichtung anordnen. Erweist sich diese Zeit
und Fürsorgeerziehu.ng als nicht ausreichend, so kann das Vormundschafts-
gericht die Unterbringung durch Beschluß verlän-
§ 62 gern. Die Dauer der Unterbringung darf insgesamt
drei Monate nicht überschreiten. Das Grundrecht
Einern Minderjährigen, der das 20. Lebensjahr der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des
noch nicht vollendet hat und des-sen leibliche, gei- Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.
stige oder seelische Entwicklung gefährdet oder
geschädigt ist, ist Freiwillige Erziehungshilfe zu ge- (3) Gegen einen Beschluß nach den Absätzen 1
währen, wenn diese Maßnahme zur Abwendung der und 2 steht den nach § 65 Abs. 1 Satz 2 und 3 An-
Gefahr oder zur Beseitigung des Schadens geboten tragsberechtigten die sofortige Beschwerde mit auf-
ist und die Personensorgeberechtigten bereit sind, schiebender Wirkung zu.
die Durchführung der Freiwilligen Erziehungshilfe
zu fördern. § 67
§ 63 (1) Bei Gefahr im Verzuge kann das Vormund-
Das Landesjugendamt gewährt Freiwillige Er- schaftsgericht die vorläufige Fürsorgeerziehung an-
ziehungshilfe auf schriftlichen Antrag der Personen- ordnen.
sorgeberechtigten. Der Antrag ist bei dem Jugend- (2) Gegen die Anordnung der vorläufigen Für-
amt zu stellen. Das Jugendamt nimmt zu dem sorgeerziehung steht den nach § 65 Abs. 1 Satz 2
Antrag Stellung.
und 3 Antragsberechtigten und dem Minderjährigen,
§ 64 wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat, die sofor-
Das Vormundschaftsgericht ordnet für einen Min- tige Beschwerde zu, Sie hat keine aufschiebende
derjährigen, der das 20. Lebensjahr noch nicht voll- Wirkung. § 18 Abs. 2 des Gesetzes über die An-
endet hat, Fürsorgeerziehung an, wenn sie erfor- gelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist
derlich ist, weil der Minderjährige zu verwahrlosen nichLanzuwenden.
droht oder verwahrlost ist. Fürsorgeerziehung· darf (3) Die vorläufige Fürsorgeerziehung kann neben
nur angeordnet werden, wenn keine ausreichende einer Unterbringung nach § 66 Abs. 2 angeordnet
andere Erziehungsmaßnahme gewährt werden kann. werden.
Nr. 79 Tc1g der Ausgabe: Bonn, den 11. August 1970 1209
(4) lsl die vorli:iu lige Fürsorgeerziehung angeord- Wird die Fürsorgeerziehung vom Jugendgericht an-
net, so kann die' endgüHi~Je Fürsorgeerziehung auch geordnet, so ist sie von dem Landesjugendamt aus-
noch c1ngeordnd werden, rwchdem der Minderjäh- zuführen, das zuständi~ wäre, wenn das Vormund-
rige das 20. Lebensjdh r vollendet hat. schaftsgericht die Fürsorgeerziehung angeordnet
(5) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn das Vor- hätte.
mundschaftsgericht die Anordnung der endgültigen
§ 71
Fürsorgeerziehung ablehnt oder innerhalb von sechs
Monaten keinen die Fürsorgeerziehung anordnen- (1) Das Landesjugendamt bestimmt den Aufent-
den Beschluß c~rlassen hat. halt des Minderjährigen. Für die Unterbringung
in Fürsorgeerziehung werden die Grundrechte der
§ 68 Freiheit der Person (Arti~el 2 Abs. 2 Satz 2 des
(1) Das Vormunds<fa1ftsgeri.cht kann das Verfah- Grundgesetzes) und der Freizügigkeit (Artikel 11
ren auf Anordnung ~ler Fürsorgeerziehung durch Abs. 1 des Grundgesetzes) insoweit eingeschränkt.
Beschluß bis zu einem Jahr aussetzen. Die Aus-
(2) Der Minderjährige soll in einer Familie oder
setzung kann aus besonderen Gründen durch Be-
einem Heim untergebracht werden, in denen die Er-
schluß des Vormundschaftsgmichts auf höchstens
ziehung nach den Grundsätzen seiner Kirche, Reli-
ein weiteres Jahr verlängert: werden. Eine vorläu-
gionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemein-
fige Fürsorgeerziehunu ist durch die Aussetzung
schaft durchgeführt wird. Davon kann abgesehen
aufgehoben. Uber das vollendete 20. Lebensjahr hin-
werden, wenn eine geeignete Familie oder ein ge-
aus kann das Verfahren nicht ausgesetzt werden.
eignetes Heim nicht vorhanden ist oder besondere
(2) Gegen die Aussetzung steht den nach § 65 erzieherische Bedürfnisse des Mind~rj ährigen es
Abs. 1 Satz 2 und 3 Antragsberechtigten die sofor- erfordern; seine religiöse Betreuung muß gesichert
tige Beschwerde zu. sein.
(3) Für die Dauer der Aussetzung hat das Vor- (3) Minderjährige, die keiner Kirche oder son-
mundschaftsgericht: di<~ Bestellung eines Erziehungs- stigen Religionsgesellschaft und keiner Welt-
beistands anzuordnen. anschauungsgemeinschaft angehören, sollen nach
§ 69 Möglichkeit nur mit Einverständnis der Personen-
sorgeberechtigten oder, wenn sie das 14. Lebensjahr
(1) Freiwillige Erziehungshilfe und Fürsorgeerzie- vollendet haben, nur mit ihrem Einverständnis in
hung werden vom Landesjugendamt unter Beteili- einer Familie od.er einem Heim untergebracht wer-
gung des Jugendamts ausgeführt. den, in denen die Erziehung nach den Grundsätzen
(2) Die Fürsorgeerziehung ist mit Rechtskraft, die einer bestimmten Kirche, Religionsgesellschaft oder
vorläufige Fürsorgeerziehung mit Erlaß des Be- Weltanschauungsgemeinschaft durchgeführt wird.
schlusses ausführbar.
(4) Den Personensorgeberechtigten ist unverzüg-
(3) Die Freiwillige Erziehungshilfe und die Für-
lich :mitzuteilen, wo der Minderjährige untergebracht
sorgeerziehung werden unter Aufsicht des Landes-
ist. Auch die Eltern, denen das Sorgerecht nicht zu-
jugendamts in der Regel in einer geeigneten Fa-
steht, sind zu unterrichten, soweit sie erreichbar
milie oder in einem Heim durchgeführt. Eine nicht
sind. Das Vormundschaftsgericht kann auf Antrag
nur vorläufig angeordnete Fürsorgeerziehung kann
des Landesjugendamts anordnen, daß der Unter-
widerruflich in der eigenen Familie des Minderjäh-
bringungsort nicht mitzuteilen ist, wenn durch die
rigen unter Aufsicht des Landesjugendamts fort-
Mitteilung der Erziehungszweck ernstlich gefährdet
gesetzt werden, wenn dadurch ihr Zweck nicht ge-
wird. Gegen den anordnenden Beschluß steht den
fährdet wird. Die Aufsicht erstreckt sich darauf, daß
Personensorgeberechtigten und den Eltern die Be-
das leibliche, geistige und seelische Wohl des Min-
schwerde zu. Gegen den ablehnenden Beschluß steht
derjährigen gewährleistet ist.
die Beschwerde mit aufschiebender Wirkung dem
(4) Bei Ausführung der Fürsorgeerziehung gilt Landesjugendamt zu.
das Landesjugendamt für alle Rechtsgeschäfte,
welche die Eingehung, Änderung oder Aufhebung (5) Ist Fürsorgeerziehung angeordnet, so ist auch
eines Arbeits- oder Berufsausbildungsverhältnisses dem Vormundschaftsgericht der Ort der Unterbrin-
oder die Geltendmachung der sich aus einem sol- gung mitzuteilen;
chen Rechtsverhältnis ergebenden Ansprüche be-
§ 72
treffen, als gesetzlicher Vertreter des Minderjähri-
gen. Es ist auch befugt, den Arbeitsverdienst und Das Landesjugendamt soll zur Durchführung der
die Renten des Minderjährigen zu verwalten und Freiwilligen Erziehungshilfe und der Fürsorgeerzie-
für ihn zu verwenden. hung für die erforderliche Differenzierung der Ein-
(5) Bei Ausführung der Fürsorgeerziehung ist das richtungen und Heime nach der zu leistenden Erzie-
Landesjugendamt befugt, die Entmündigung eines hungsaufgabe sorgen.
Minderjährigen wegen Geisteskrankheit oder Gei-
stesschwäche zu beantragen. § 73
Ist Fürsorgeerziehung angeordnet, so hat das Lan-
§ 70 desjugendamt dem Vormundschaftsgericht über die
Die Fürsorgeerziehung eines Minderjährigen ist Entwicklung des Minderjährigen und die Aussich-
von dem Landesjugendamt auszuführen, in dessen ten, die Fürsorgeerziehung aufzuheben, jährlich min-
Bezirk das Vormundschaftsgericht seinen Sitz hat. destens einmal zu berichten.
1210 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1970, Teil I
§ 74 § 77
(1) Das Nähere über die Ausführung der Freiwil- (1) Für eilige, auf Grund dieses Abschnitts zu
ligen Erziehungshilfe und der Fürsorgeerziehung treffende Maßregeln ist neben dem in § 43 des
wird durch Landesrecht geregelt. Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit bezeichneten Gericht einstweilen
(2) Die Landesregierung kann in einem Land, in
auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das
dem am 1. Januar 1961 eine andere landesrechtliche
Bedürfnis der Fürsorge hervortritt. Das Gericht hat
Regelung bestand, die Zuständigkeit der Landes- die angeordneten Maßnahmen unverzüglich dem
jugendämter nach diesem Abschnitt anderen Behör-
endgültig zuständigen Gericht mitzuteilen; dieses
den übertragen.
wird damit ausschließlich zuständig.
§ 75 (2) § 43 Abs. 2 des Gesetzes über die Angelegen-
(1) Die Freiwillige Erziehungshilfe und die Für- heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist auch an-
sorgeerziehung enden mit der Volljährigkeit. zuwenden, wenn eine Maßnahme des Vormund-
schaftsgerichts für einen Minderjährigen erforderlich
(2) Die Freiwillige Erziehungshilfe oder die Für- wird, für den eine Erziehungsbeistandschaft oder ein
sorgeerziehung ist aufzuheben, wenn ihr Zweck er- Fürsorgeerziehungsverfahren anhängig ist.
reicht oder anderweitig sichergestellt ist. Erfordern
erhebliche, fachärztlich nachgewiesene geistige oder
seelische Regelwidrigkeiten des Minderjährigen
eine andere Form der Hilfe, so ist die Freiwillige Abschnitt VII
Erziehungshilfe oder die Fürsorgeerziehung erst auf-:- Heimaufsicht und Schutz von Minderjährigen
zuheben, wenn die andere Form der Hilfe gesichert
unter 16 Jahren in Heimen
ist. Die Fürsorgeerziehung kann auch unter Vorbe-
halt des Widerrufs aufgehoben werden. § 78
(3) Die Freiwillige Erziehungshilfe ist vom Lan- (1) Das Landesjugendamt führt die Aufsicht über
desjugendamt unverzüglich aufzuheben, wenn ein Heime und andere Einrichtungen, in denen Minder-
Personensorgeberechtigter die Aufhebung beim Lan- jährige dauernd oder zeitweise, ganztägig oder
desjugendamt beantragt. für einen Teil des Tages, jedoch regelmäßig, betreut
(4) Die Fürsorgeerziehung wird durch das Vor- werden oder Unterkunft erhalten. Satz 1 gilt nicht
mundschaftsgericht von Amts wegen oder auf An- für Jugendbildungs-, Jugendfreizeitstätten und Stu-
trag aufgehoben. Der Antrag kann von den nach dentenwohnheime sowie für Schülerwohnheime,
§ 65 Abs. 1 Satz 2 und 3 Antragsberechtigten und soweit sie landesgesetzlich der Schulaufsicht unter-
von dem Minderjährigen selbst, wenn er das 14. Le- stehen.
bensjahr vollendet hat, gestellt werden. (2) Die Aufsicht erstreckt sich darauf, daß in den
Einrichtungen das leibliche, geistige und seelische
(5) Das Vormundschaftsgericht hat vor der Auf- Wohl der Minderjährigen gewährleistet ist. Die
hebung der Fürsorgeerziehung das Landesjugend- Selbständigkeit der Träger der Einrichtungen in
amt und das Jugendamt zu hören. Dem Landes- Zielsetzung und Durchführung ihrer erzieherischen
jugendamt steht gegen den die Fürsorgeerziehung Aufgaben bleibt unberührt, sofern das Wohl der
aufhebenden Beschluß die sofortige Beschwerde mit Minderjährigen nicht gefährdet wird.
aufschiebender Wirkung zu. Wird die Aufhebung
abgelehnt, so steht jedem Antragsberechtigten die (3) In den der Heimaufsicht unterliegenden Ein-
Beschwerde zu. richtungen muß die Betreuung der Minderjährigen
durch geeignete Kräfte gesichert sein. Uber die
(6) Durch Landesrecht kann bestimmt werden, daß Voraussetzungen der Eignung sind Vereinbarungen
für die Entscheidung über die Aufhebung der Für- mit den Trägern der freien Jugendhilfe anzu-
sorgeerziehung nach Absatz 4 an Stelle des Vor- streben.
mundschaftsgerichts das Landesjugendamt zuständig (4) Der Träger der Einrichtung hat dem Landes-
ist mit der Maßgabe, daß der Antragsteller gegen jugendamt zu melden
die Ablehnung des Antrags innerhalb von zwei
1. Personalien und Art der Ausbildung des Leiters
Wochen seit Zustellung des ablehnenden Bescheides
die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts an- und der Erzieher der Einrichtung,
rufen kann; gegen den Beschluß des Vormund- 2. jährlich die Platzzahl und ihre Änderung,
schaftsgerichts findet die sofortige Beschwerde statt. 3. die Änderung der Zweckbestimmung der Ein-
richtung,
§ 76 4. unverzüglich unter Angabe der Todesursache den
Das gerichtliche Verfahren ist kostenfrei. Die Todesfall eines in einer Einrichtung nach Absatz 1
nach § 65 Abs. 2 Satz 2 und 3 mündlich zu hörenden betreuten Minderjährigen.
Personen werden entsprechend den für Zeugen gel- (5) Das Landesjugendamt soll die Einhaltung der
tenden Vorschriften des Gesetzes über die Entschä- Vorschriften der Absätze 3 und 4 in den seiner
digung von Zeugen und Sachverständigen in der Aufsicht unterliegenden Einrichtungen regelmäßig
Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 1969 an Ort und Stelle überprüfen. Das Grundrecht der
(Bundesgesetzbl. I S. 1756) entschädigt; dies gilt nicht Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1
für den Minderjährigen und seine Eltern sowie für des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.
Behördenvertreter. Das Landesjugendamt soll das Jugendamt und
Nr. 79-Tag der Ausgabe: Bonn, den 11. August 1970 1211
einen zentralen Träger der freien Jugendhilfe, der §§ 81 und 86 ist entsprechend anzuwenden, so-
wenn diesem der Träger der Einrichtung angehört, weit in den folgenden Vorschriften nichts anderes
bei der Uberprüfung zuziehen. bestimmt wird.
(6) Einern zentralen Träger der freien Jugend- (3) Landesrecht kann bestimmen, ob und inwie-
hilfe kann auf Antrag die Uberprüfung von Ein- weit Hilfen nach § 5 unabhängig davon gewährt
richtungen eines ihm angehörenden Trägers wider- werden, ob dem Minderjährigen und seinen Eltern
ruflich übertragen werden, wenn dieser dem An- die Aufbringung der Kosten zuzumuten ist.
trag zustimmt. (4) Zu allgemeinen Verwaltungskosten werden
(7) Die oberste Landesbehörde kann den Betrieb der Minderjährige und seine Eltern nicht heran-
von Einrichtungen, die der Heimaufsicht unter- gezogen. Landesrecht kann bestimmen, inwieweit
liegen, vorübergehend oder auf die Dauer unter- sie zu den Kosten für den zur Erziehung erforder-
sagen, wenn Tatsachen festgestellt werden, die ge- lichen Personalbedarf herangezogen werden können.
eignet sind, das leibliche, geistige oder seelische
Wohl der in der Einrichtung betreuten Minder- § 82
jährigen zu gefährden und eine unverzügliche Be-
seitigung der Gefährdung nicht zu erwarten ist. Für die Uberleitung von Ansprüchen gegen Dritte
und für die Inanspruchnahme eines nach bürger-
(8) Das Nähere wird durch Landesrecht bestimmt. lichem Recht Unterhaltsverpflichteten sind die §§ 90
Nach Landesrecht bestimmt sich auch, ob und ge- und 91 des Bundessozialhilfegesetzes entsprechend
gebenenfalls inwieweit Studentenwohnheime einer anzuwenden.
Aufsicht unterliegen.
§ 83
§ 79
(1) Wird die Hilfe zur Erziehung von einem
(1) Die §§ 28 bis 33 und 35 über den Schutz der Jugendamt gewährt, dessen Zuständigkeit auf § 11
Pflegekinder sind auf Minderjährige unter 16 Jah- Satz 2 beruht, so sind die §§ 103 bis 113 des Bun-
ren entsprechend anzuwenden, die dauernd oder dessozialhilfegesetzes für die Kostenerstattung
zeitweise, ganztägig oder für einen Teil des Tages, zwischen öffentlichen Trägern entsprechend anzu-
jedoch regelmäßig, in Einrichtungen, die der Heim- wenden.
aufsicht nach § 78 Abs. 1 unterliegen, betreut wer-
(2) Landesrecht bestimmt, wer für dieses Gesetz
den . oder Unterkunft erhalten. An die Stelle des
überörtlicher Träger im Sinne der §§ 106 und 108
Jugendamts tritt das Landesjugendamt; die Auf-
des Bundessozialhilfegesetzes ist.
sichtsbefugnisse werden durch Landesrecht geregelt.
An der Wahrnehmung der Aufgaben kann das
Jugendamt beteiligt werden. § 84
(2) Das Landesjugendamt kann Einrichtungen von (1) Werden zur Durchführung von Hilfen zur Er-
der Anwendung des § 28 widerruflich befreien. Die ziehung Einrichtungen von Trägern der freien
Befreiung kann nur versagt werden, wenn das Jugendhilfe in Anspruch genommen, sind Verein-
Landesjugendamt Tatsachen feststellt, die die Eig- barungen über die von den öffentlichen Kosten-
nung einer Einrichtung zur Pflege und Erziehung trägern zu erstattenden Kosten anzustreben, soweit
Minderjähriger unter 16 Jahren ausschließen. darüber keine landesrechtlichen Vorschriften be-
stehen.
(2) Die Bundesregierung kann im Falle des Ab-
Abschnitt VIII satzes 1 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung
des Bundesrates bestimmen, welche Kostenbestand-
Kostentragung bei Hilfen zur Erziehung teile bei den zu erstattenden Kosten zu berück-
für einzelne Minderjährige sichtigen sind.
§ 80 § 85
Die Bestimmungen dieses Abschnitts gelten für (1) Freiwillige Erziehungshilfe und Fürsorge-
Hilfen zur Erziehung für einzelne Minderjährige erziehung werden unabhängig davon gewährt, ob
nach § 4 oder § 5, soweit diese Leistungen von den dem Minderjährigen und seinen Eltern die Aufbrin-
Organen der öffentlichen Jugendhilfe gewährt gung der Kosten zuzumuten ist. Soweit es ihnen
werden. zuzumuten ist, haben sie zu den Kosten beizutragen.
Das Nähere zu Satz 2 wird durch Landesrecht be-
§ 81
stimmt.
(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die (2) Die Aufbringung der öffentlichen Mittel ist
für die Gewährung der Hilfen zur Erziehung für durch Landesrecht für die Freiwillige Erziehungs-
einzelne Minderjährige zuständig sind, tragen die hilfe und die Fürsorgeerziehung nach einheitlichen
Kosten der Hilfe, soweit dem Minderjährigen und Grundsätzen zu bestimmen.
seinen Eltern die Aufbringung der Mittel aus ihren
Einkommen und Vermögen nicht zuzumuten ist. (3) Die Kosten der vorläufigen Fürsorgeerziehung
fallen dem Kostenträger zur Last, der die Kosten
(2) Abschnitt 4 des Bundessozialhilfegesetzes in einer endgültig angeordneten. Fürsorgeerziehung zu
der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Septem- tragen hat, und zwar auch dann, wenn die Fürsorge-
ber 1969 (Bundesgesetzbl. I S. 1688) mit Ausnahme erziehung endgültig nicht angeordnet worden ist.
1212 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1970, Teil I
(4) Im Sinne dici;er Vorschrift rechnen die Kosten nach § 78 Abs. 7 erlassene vollziehbare Verfügung
einer Unterbringung nach § 66 Abs. 2 zu den Kosten der obersten Landesbehörde untersagt ist, wird mit
der Fürsorgeerziehung, wenn die vorläufige oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geld-
endgüllige Fürsorgeerziehung angeordnet worden strafe bestraft.
ist.
§ 88
(1) Ordnungswidrig handelt, wer
Abschnitt IX 1. ein Pflegekind ohne die nach § 28 erforderliche
Straftaten und Ordnungswidrigkeiten Erlaubnis aufnimmt oder in Pflege behält,
2. eine nach § 32 erforderliche Anzeige nicht, nicht
§ 86 unverzüglich oder unrichtig erstattet.
(1) Wer einen Minderjährigen (2) Ordnungswidrig handelt ferner, wer als In-
1. dem eingeleiteten gerichtlichen Verfahren auf haber oder Leiter eines Heimes oder einer anderen
Anordnung der Fürsorgeerziehung oder der an- Einrichtung
geordneten FürsorJeerziehung oder 1. einen Minderjährigen unter 16 Jahren ohne die
2. der gewährten Freiwilligen Erziehungshilfe ge- nach § 79 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 erforder-
gen den Willen der Personensorgeberechtigten liche Erlaubnis betreut oder ihm _Unterkunft ge-
währt oder
entzieht oder ihn verleitet, sich zu entziehen oder 2. eine nach § 79 Abs. 1 in Verbindung mit § 32 er-
ihm dabei hilft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem forderliche Anzeige nicht, nicht unverzüglich oder
Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat unrichtig erstattet.
nicht nach den §§ 120, 122 b oder § 235 des Straf-
gesetzbuchs mit Strafe bedroht ist. (3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geld-
buße geahndet werden.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Die Tat wird nur auf Antrag des Landes-
jugendamts oder der nach § 74 Abs. 2 zuständigen Schlußbestimmung
Behörde verfolgt.
§ 89
§ 87
Welche Behörden die in diesem Gesetz der ober-
Wer ein Heim oder eine Einrichtung für sich oder sten Landesbehörde oder dem Landesjugendamt
einen anderen fortführt oder fortführen läßt, obwohl übertragenen einzelnen Aufgaben wahrzunehmen
deren Betrieb ihm oder dem anderen durch eine haben, bestimmt die Landesregierung.
Herausqcber: Der Bundesminister der Justiz - Verlag: Bundesanzeiger Verlagsges. m b. H. - Druck: Bundesdruckerei Bonn
Postanschrift für Abonnementsbestellungen sowie für Bestellungen bereits erschienener Ausgaben:
Bundesgesetzblatt, 53 Bonn 1, Postfach 624, Telefon 22 40 86 - 88.
Das Bundesqeselzblall erscheint in drei Teilen. In Teil I und II werden die Gesetze und Verordnungen in zeitlicher Reihenfolge nach ihrer Aus-
fertigung verkündet. Lautender Bezug nur im Postabonnement.
Im Teil III wird das als fortlaufend festgestellte Bundesrecht auf Grund des Gesetzes über Sammlung des Bundesrechts vom 10. Juli 1958 (BGB!. I
S. 4:l7) n<1ch S<1chqebiPte11 <JeOr(ltiet veriJflentlicht. Der Teil III kann nur als Verlagsabonnement bezogen werd8n
Bezugspreis für Teil I u11d Teil II halbJährlich Je 25,- DM. Einzelstücke je angefangene 16 Seiten 0,65 DM. Dieser Preis gilt auch für die Bundes-
gesetzblä_tter, die vor dem 1. Juli l!l70 ausgegeben worden sind. Lieferunq qegen Voreinsendung des Betrages auf das Postscheckkonto Bundes-
fJcsetzblatt, Köln 3 99, oder gegen Vorausrechnung bzw. gegen Nachnahme.
Preis dieser Ausqabe 0,65 DM zuzüqlich Versandgebühr 0,15 DM: bei Lieferunq gegen Vorausrechnung zuzüglich Portokosten für die Vorausrechnung.
Im Bezugspreis ist Mehrwertsteuer enthalten; der angewandte Steuersatz beträgt 5,5 9/o.