1373
Bundesgesetzblatt
Teil I Z 1997 A
1965 1 Ausgegeben zu Bonn am 25. September 1965 Nr. 54
Tag Inhalt Seite
17. 9. 65 Neufassung der Strafprozeßordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1373
Ernetzt Bundesgesetzbl. Ill 312-2
Hinweis auf andere Verkündungsblätter
Bundesgesetzblatt Teil II Nr. 34, Nr. 35, Nr. 36 und Nr. 37 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1433
Bekanntmachung
der Neufassung der Strafprozeßordnung
Vom 17. September 1965
Auf Grund des Artikels 17 des Gesetzes zur Än-
derung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsver-
fassungsgesetzes (StPÄG) vom 19. Dezember 1964
(Bundesgesetzbl. I S. 1067) wird hiermit der Wort-
laut der Strafprozeßordnung in der neuen Fassung
bekanntgemacht, die auch Artikel 1 Nr. 3 des Ge-
setzes über den Fristablauf am Sonnabend vom
10. August 1965 (Bundesgesetzbl. I S. 753) und § 139
des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 1965
(Bundesgesetzbl. I S. 1273) berücksichtigt.
§ 43 Abs. 2 der neuen Fassung tritt erst am 1. Ok-
tober 1965, § 374 Abs.. 1 Nr. 8 erst am 1. Januar
1966 in Kraft. Wegen der bis zum 30. September
1964 geltenden Fassung des § 43 Abs. 2 wird auf
die Fußnote zu dieser Vorschrift, wegen der bis
zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung des § 374
Abs. 1 Nr. 8 auf die Fußnote zu dieser Vorschri.ft
verwiesen.
Für das Land Berlin ergeben sich daraus Besonder-
heiten, daß dort das Vierte Strafrechtsänderungs-
gesetz vom 11. Juni 1957 (Bundcsgesetzbl. I S. 597)
nicht gilt, durch dessen Artikel 4 § 98 Abs. 4, § 105
Abs. 4 und § 153 c eingefügt worden sind.
Bonn, den 17. September 1965
Der Bundesminister der Justiz
Dr. Weber
1374 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
1
Strafprozeßordnung (StPO) )
in der Fassung vom 17. September 1965
Ubersicht
§§ §§
Erstes Buch Drittes Buch
Allgemeine Vorschriften Rechtsmittel
Erster Abschnitt. Suchlichc ZusUi.ndigkeit der Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften 296-303
Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1- 6 Zweiter Abschnitt. Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . 304-311a
Zweiter Abschnitt. Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . 7- 21 Dritter Abschnitt. Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312-332
Dritter Abschnitt. Ausschließung und Ableh- Vierter Abschnitt. Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333-358
nung der Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . 22- 32
Vierter Abschnitt. Gerichtliche Entscheidungen
und ihre Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . 33- 41 Viertes Buch
Fünfter Abschnitt. Fristen und Wiederein- Wiederaufnahme
setzung in den vorigen Stand ............ . 42- 47 eines durch rechtskräftiges Urteil
Sechster Abschnitt. Zeugen ................. . 48- 71 abgeschlossenen Verfahrens . . . . . . 359-373a
Siebenter Abschnitt. Sachverständige und
Augenschein ............................ . 72- 93
Fünftes Buch
Achter Abschnitt. Beschlagnahme und Durch-
suchung ................................. . 94-111a Beteiligung des Verletzten am Verfahren
Neunter Abschnitt. Verhaftung und vorläufige Erster Abschnitt. Privatklage . . . . . . . . . . . . . . . . 374-394
Festnahme .............................. . 112-132 Zweiter Abschnitt. Nebenklage . . . . . . . . . . . . . . 395-402
Zehnter Abschnitt. Vernehmung des Beschul-
Dritter Abschnitt. Entschädigung des Verletzten 403-406d
digten .................................. . 133-136a
Elfter Abschnitt. Verteidigung .............. . 137-150
Sechstes Buch
Besondere Arten des Verfahrens
Zweites Buch
Erster Abschnitt. Verfahren bei Strafbefehlen . 407-412
Verfahren im ersten Rechtszug Zweiter Abschnitt. Verfahren bei Strafver-
Erster Abschnitt. Offentliche Klage .......... . 151-157 fügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413-429
Zweiter Abschnitt. Vorbereitung der öffent- Dritter Abschnitt. Sicherungsverfahren ....... 429a-429e
lichen Klage ............................. . 158-177 Vierter Abschnitt. Verfahren bei Einziehungen
Dritter Abschnitt. Gerichtliche Voruntersuchung 178-197 und Vermögensbeschlagnahmen . . . . . . . . . . . 430-448
Vierter Abschnitt. Entscheidung über die Eröff-
nung des Hauptverfahrens ............... . 198-212b Siebentes Buch
Fünfter Abschnitt. Vorbereitung der Hauptver-
handlung ............................... . 213-225 Strafvollstreckung
Sechster Abschnitt. Hauptverhandlung ...... . 226-275
und Kosten des Verfahrens
Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Ab- Erster Abschnitt. Strafvollstreckung . . . . . . . . . . 449-463b
wesende ................................ . 276-295 Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens . . . . 464-474a
1) Ersetzt Bundcsgcsct,.bl. III 312-2
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1375
Erstes Buch das Gericht anzusehen, in dessen Bezirk die Druck-
schrift erschienen ist. Jedoch ist in den Fällen der
Allgemeine Vorschriften
Beleidigung, sofern die Verfolgung im Wege der
Privatklage stattfindet, auch das Gericht, in dessen
Erster Abschnitt Bezirk die Druckschrift verbreitet worden ist, zu-
Sachliche Zuständigkeit der Gerichte ständig, wenn in diesem Bezirk die beleidigte Per-
son ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt
§1 hat.
Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird §8
durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung be- (1) Der Gerichtsstand ist auch bei dem Gericht
stimmt. begründet, in dessen Bezirk der Angeschuldigte zur
§2 Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz hat.
(1) Zusammenhängende Strafsachen, die einzeln (2) Hat der Angeschuldigte keinen Wohnsitz im
zur Zuständigkeit von Gerichten verschiedener Ord- Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes, so wird der
nung gehören würden, können verbunden bei dem Gerichtsstand auch durch den gewöhnlichen Aufent-
Gericht anhängig gemacht werden, dem die höhere haltsort und, wenn ein solcher nicht bekannt ist,
Zuständigkeit beiwohnt. durch den letzten Wohnsitz bestimmt.
(2) Aus Gründen der Zweckmäßigkeit kann durch §g
Beschluß dieses Gerichts die Trennung der verbun-
denen Strafsachen angeordnet werden. Der Gerichtsstand ist auch bei dem Gericht be-
gründet, in dessen Bezirk der Beschuldigte ergriffen
§3 worden ist.
§ 10
Ein Zusammenhang ist vorhanden, wenn eine
Person mehrerer strafbarer Handlungen beschuldigt (1) Ist die strafbare Handlung auf einem deutschen
wird, oder wenn bei einer strafbaren Handlung Schiff außerhalb des Geltungsbereichs dieses Bun-
mehrere Personen als Täter, Teilnehmer, Begünsti- desgesetzes oder auf offener See begangen, so ist
ger oder Hehler beschuldigt werden. das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Heimat-
hafen oder der Hafen im Geltungsbereich dieses Ge-
setzes liegt, den das Schiff nach der Tat zuerst er-
§4
reicht.
(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder (2) Absatz 1 gilt entsprechend für deutsche Luft-
eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch fahrzeuge.
nach Eröffnung der Voruntersuchung oder des
§ 11
Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft
oder des Angeschuldigten oder von Amts wegen (1) Deutsche, die das Recht der Exterritorialität
durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden. genießen, sowie die im Ausland angestellten Be-
amten ces Bundes oder eines deutschen Landes
(2) Zuständig für den Beschluß ist das Gericht, zu
behalten hinsichtlich des Gerichtsstandes den Wohn-
dessen Bezirk die übrigen Gerichte gehören; fehlt
sitz, den sie im Inland hatten. Wenn sie einen sol-
ein solches Gericht, so entscheidet das gemeinschaft-
chen Wohnsitz nicht hatten, so gilt der Sitz der
liche obere Gericht.
Bundesregierung als ihr Wohnsitz.
§5
(2) Auf Wahlkonsuln sind diese Vorschriften nicht
Für die Dauer der Verbindung ist der Straff all, anzuwenden.
der zur Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung § 12
gehört, für das Verfahren maßgebend.
(1) Unter mehreren nach den Vorschriften der §§ 7
§6 bis 11 zuständigen Gerichten gebührt dem der Vor-
zug, das die Untersuchung zuerst eröffnet hat
Das Gericht hat seine sachliche Zuständigkeit in
jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu (2) Jedoch kann die Untersuchung und Entschei-
prüfen. dung einem anderen der zuständigen Gerichte durch
das gemeinschaftliche obere Gericht übertragen
werden.
Zweiter Abschnitt § 13
Gerichtsstand (1) Für zusammenhängende Strafsachen, die ein-
zeln nach den Vorschriften der §§ 7 bis 11 zur Zu-
§7
ständigkeit verschiedener Gerichte gehören würden,
(1) Der Gerichtsstand ist bei dem Gericht be- ist ein Gerichtsstand bei jedem Gericht begründet,
gründet, in dessen Bezirk die strnfbare Handlung das für eine der Strafsachen zuständig ist.
begangen ist.
(2) Sind mehrere zusammenhängende Strafsachen
(2) Wird der Tatbestand der strafbaren Handlung bei verschiedenen Gerichten anhängig gemacht wor-
durch den Inhalt einer im Geltungsbereich dieses den, so können sie sämtlich oder zum Teil durch
Bundesgesetzes erschienenen Druckschrift begründet, eine den Anträgen der Staatsanwaltschaft entspre-
so ist als das nach Absatz 1 zuständige Gericht nur chende Vereinbarung dieser Gerichte bei einem
1376 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
unter ihnen vc~rbunden werden. Kommt eine solche § 21
Vereinbarung nicht zustande, so entscheidet, wenn
Ein unzuständiges Gericht hat sich den innerhalb
die Sta.atsim wa] lschafl oder ein Angeschuldigter
seines Bezirks vorzunehmenden Untersuchungs-
hierauf antri.igt, das gemeinschaftliche obere Gericht
handlungen zu unterziehen, bei denen Gefahr im
darüber, ob und bei wclc:hom Gericht die Verbin-
dung einzutreten ha.t. Verzug ist.
(3) In gleicher Weise kann die Verbindung wie-
der aufgehoben werden. Dritter Abschnitt
Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen
§ 13 d
Fehlt es im Geltungsbereich dieses Bundesgeset- § 22
zes an einem zuständigen Gericht oder ist dieses
Ein Richter ist von der Ausübung des Richter-
nicht ermittelt, so bestimmt der Bundesgerichtshof
amtes kraft Gesetzes ausgeschlossen,
das zuständige Gericht.
1. wenn er selbst durch die strafbare Handlung ver-
§ 14
letzt ist;
Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über 2. wenn er Ehegatte oder Vormund des Beschuldig-
die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaft- ten oder des Verletzten ist oder gewesen ist;
liche obere Gericht das Gericht, das sich der Unter- 3. wenn er mit dem Beschuldigten oder mit dem
suchung und Entscheidung zu unterziehen hat. Verletzten in gerader Linie verwandt, verschwä-
gert oder durch Annahme an Kindes Statt ver-
§ 15 bunden, in der Seitenlinie bis zum dritten Grade
verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwä-
Ist das an sich zuständige Gericht in einem einzel-
gert ist, auch wenn die Ehe, durch welche die
nen Falle an der Ausübung des Richteramtes recht-
Schwägerschaft begründet ist, nicht mehr besteht;
lich oder tatsächlich verhindert oder ist von der
Verhandlung vor diesem Gericht eine Gefährdung 4. wenn er in der Sache als Beamter der Staats-
der öffentlichen Sicherheit zu besorgen, so hat das anwaltschaft, als Polizeibeamter, als Anwalt des
zunächst obere Gericht. die Untersuchung und Ent- Vei:Ietzten oder als Verteidiger tätig gewesen
scheidung dem gleichstehenden Gericht eines ande- ist;
ren Bezirks zu übertragen. 5. wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachver-
ständiger vernommen ist.
§ 16
Der Angeschuldigte muß den Einwand der Unzu- § 23
ständigkeit bis zum Schluß der Voruntersuchung (1) Ein Richter, der bei einer durch ein Rechtsmit-
geltend machen. Hat keine Voruntersuchung statt- tel angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist
gefunden, so kann er den Einwand noch in der von der Mitwirkung bei der Entscheidung in einem
Hauptverhandlung bis zum Beqinn der Vernehmung höheren Rechtszuge kraft Gesetzes ausgeschlossen.
zur Sache geltend machen. ·
(2) Ein Richter, der bei einer durch einen An-
trag auf Wiederaufnahme des Verfahrens angefoch-
§ 17
tenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist von der Mit-
Durch eine Entscheidung, welche die Zuständig- wirkung bei Entscheidungen im Wiederaufnahme-
keit für die Voruntersuchung feststellt, wird die verfahren kraft Gesetzes ausgeschlossen. Ist die an-
Zuständigkeit auch für das Hauptverfahren fest- gefochtene Entscheidung in einem höheren Rechtszug
gestellt. ergangen, so ist auch der Richter ausgeschlossen,
§ 18 der an der ihr zugrunde liegenden Entscheidung in
einem unteren Rechtszug mitgewirkt hat.
Nach Eröffnung des Hauptverfahrens darf das
Gericht seine Unzuständigkeit nur auf Einwand des (3) Der Untersuchungsrichter darf in den Sachen,
Angeklagten aussprechen. in denen er die Voruntersuchung geführt hat, nicht
Mitglied des erkennenden Gerichts sein, auch nicht
bei einer außerhalb der Hauptverhandlung ergehen-
§ 19 den Entscheidung der Strafkammer mitwirken.
Haben mehrere Gerichte, von denen eines das
zuständige ist, durch Entscheidungen, die nicht mehr § 24
anfechtbar sind, ihre Unzuständigkeit ausgespro-
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in
chen, so bezeichnet das gemeinschaftliche obere· Ge-
richt das zuständige Gericht. denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft
Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Be-
sorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
§ 20
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die
Die einzelnen Untersuchungshandlungen eines Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der ge-
unzuständigen Gerichts sind nicht schon dieser eignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit
Unzuständigkeit wegen ungültig. eines Richters zu rechtfertigen.
Nr. 54 -- Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1377
(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwalt- § 27
schaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. (1) Wird die Ablehnung nicht als unzulässig ver-
Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen worfen, so entscheidet über das Ablehnungsgesuch
die zur Mitwirkung bei dm Entscheidung berufenen
das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne
Gerichtspersonen namhaft zu machen.
dessen Mitwirkung.
(2) Wird ein richterliches Mitglied der erkennen-
§ 25 den Strafkammer abgelehnt, so entscheidet die Straf-
(1) Die Ablehnung eines Richters wegen Be- kammer in der für Entscheidungen außerhalb der
sorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung.
Vernehmung des Angeklagten zur Sache, in der Wird ein richterliches Mitglied des Schwurgerichts
Hauptverhandlung über die Revision bis zum Be- abgelehnt, so entscheiden während der Tagung die
ginn seiner Ausführungen zur Revision, zulässig. richterlichen Mitglieder des Schwurgerichts; außer-
Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubrin- halb der Tagung entscheidet die Strafkammer.
gen. (3) Wird der Untersuchungsrichter abgelehnt, so
(2) Nach diesem Zeitpunkt darf ein Richter nur entscheidet das Landgericht. Wird ein Amtsrichter
abgelehnt werden, wenn abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter des
Amtsgerichts. Einer Entscheidung bedarf es nicht,
1. die Umstände, auf welche die Ablehnung ge- wenn der Abgelehnte das Ablehnungsgesuch für
stützt wird, erst später eingetreten oder dem zur begründet hält.
Ablehnung Berechtigten erst später bekannt-
geworden sind und (4) .Wird das zur Entscheidung berufene Gericht
durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds be-
2. die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht schlußunfähig, so entscheidet das zunächst obere
wird. Gericht.
Nach dem letzten Wort des Angeklagten ist die Ab- § 28
lehnung nicht mehr zulä.ssig.
(1) Der Beschluß, durch den die Ablehnung für
begründet erklärt wird, ist nicht anfechtbar.
§ 26
(2) Gegen den Beschluß, durch den die Ablehnung
(1) Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Gericht, als unzulässig verworfen oder als unbegründet zu-
dem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor rückgewiesen wird, ist sofortige Beschwerde zuläs-
der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. sig. Betrifft die Entscheidung einen erkennenden
(2) Der Ablehnungsgrund und in den Fällen des Richter, so kann sie nur zusammen mit dem Urteil
§ 25 Abs. 2 die Voraussetzungen des rechtzeitigen angefochten werden.
Vorbringens sind glaubhaft zu machen. Der Eid ist
als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen. § 29
Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des
abgelehnten Richters Bezug genommen werden. Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzu-
(3) Der abgelehnte Richter hat sich über den Ab- nehmen, die keinen Aufschub gestatten.
lehnungsgrund dienstlich zu äußern.
§ 30
Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs
§ 26a
zu.ständige Gericht hat auch dann zu entscheiden,
(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Rich- wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein
ters als unzulässig, wenn Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht,
1. die Ablehnung verspätet ist, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder
wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber
2. ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlos-
Glaubhaftmachung nicht angegeben wird oder sen ist.
3. durch die Ablehnung offensichtlich das Verfah- § 31
ren nur verschleppt oder nur verf ahrensfremde
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten für
Zwecke verfolgt werden sollen.
Schöffen und Geschworene sowie für Urkunds-
(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung beamte der Geschäftsstelle und andere als Proto-
nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter aus- kollführer zugezogene Personen entsprechend.
scheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es (2) Die Entscheidung trifft der Vorsitzende. Bei
.eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der der großen Strafkammer und beim Schwurgericht
Umstände, welche den Verwertungsgrund ergeben. entscheiden die richterlichen Mitglieder. Ist der
Wird der Untersuchungsrichter, der Ermittlungsrich- Protokollführer einem Richter beigegeben, so ent-
ter, ein beauftragter oder ein ersuchter Richter oder scheidet dieser über die Ablehnung oder Aus-
der Amtsrichter im vorbereitenden Verfahren oder schließung.
als Einzelrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst
darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu ver- § 32
werfen ist. (weggefallen)
1378 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
Vierter Abschnitt § 36
Gerichtliche Entscheidungen (1) Entscheidungen, die einer Zustellung oder
und ihre Bekanntmachung Vollstreckung bedürfen, sind der Staatsanwaltschaft
zu übergeben, die das Erforderliche zu veranlassen
§ 33 hat. Für Entscheidungen, die lediglich den inneren
Dienst der Gerichte oder die Ordnung in den
(1) Eine Entscheidung des Gerichts, die im Laufe Sitzungen betreffen, gilt diese Vorschrift nicht.
einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach An-
hörung der Beteiligten erla~sen. (2) Der Untersuchungsrichter und der Vorsitzende
des Gerichts können Zustellungen sowie die Voll-
(2) Eine Entscheidung des Gerichts, die außerhalb
streckung von Beschlüssen und Verfügungen auch
einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach schrift-
unmittelbar veranlassen.
licher oder mündlicher Erklärung der Staatsanwalt-
schaft erlassen.
§ 37
(3) Bei einer in Absatz 2 bezeichneten Entschei-
dung ist ein anderer Beteiligter zu hören, bevor zu (1) Für das Verfahren bei Zustellungen gelten die
seinem Nachteil Tatsachen oder Beweisergebnisse, Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend.
zu denen er noch nicht gehört worden ist, verwertet Als Notfristen im Sinne des § 187 Satz 2 der Zivil-
werden. prozeßordnung gelten die gesetzlichen Fristen.
(4) Bei Anordnung der Untersuchungshaft, der Be- (2) Wird die für einen Beteiligten bestimmte
schlagnahme oder anderer Maßnahmen ist Absatz 3 Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte be-
nicht anzuwenden, wenn die vorherige Anhörung wirkt, so richtet sich die Berechnung einer Frist
den Zweck der Anordnung gefährden würde. Vor- nach der zuletzt bewirkten Zustellung.
schriften, welche die Anhörung der Beteiligten be-
sonders regeln, werden durch Absatz 3 nicht berührt. § 38
Die bei dem Strafverfahren beteiligten Personen,
§ 33a denen die Befugnis beigelegt ist, Zeugen und Sach-
verständige unmittelbar zu laden, haben mit der
Hat das Gericht in einem Beschluß zum Nachteil Zustellung der Ladung den Gerichtsvollzieher zu
eines Beteiligten Tatsachen oder Beweisergebnisse beauftragen.
verwertet, zu denen er noch nicht gehört worden
ist, und steht ihm gegen den Beschluß keine Be- § 39
schwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, so hat (weggefallen)
es, sofern der Nachteil noch besteht, von Amts
wegen oder auf Antrag die Anhörung nachzuholen § 40
und auf einen Antrag zu entscheiden. Das Gericht
(1) Kann eine Zustellung an einen Beschuldigten,
kann seine Entscheidung auch ohne Antrag_ ändern.
dem eine Ladung zur Hauptverhandlung noch
nicht zugestellt war, nicht in der vorgeschriebenen
§ 34 Weise im Inland bewirkt werden, und erscheint die
Befolgung der für Zustellungen im Ausland be-
Die durch ein Rechtsmittel anfechtbaren Entschei-
stehenden Vorschriften unausführbar oder voraus-
dungen sowie die, durch welche ein Antrag abge-
sichtlich erfolglos, so gilt die Zustellung als erfolgt,
lehnt wird, sind mit Gründen zu versehen.
wenn der Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks
durch ein deutsches oder ausländisches Blatt be-
§ 35 kanntgemacht worden ist und seit dem Erscheinen
dieses Blattes zwei Wochen verflossen sind oder
(1) Entscheidungen, die in Anwesenheit der da-
wenn das zuzustellende Schriftstück zwei Wochen
von betroffenen Person ergehen, werden ihr durch
an der Gerichtstafel des Gerichts des ersten Rechts-
Verkündung bekanntgemacht. Auf Verlangen ist
zuges angeheftet gewesen ist. Die Auswahl des
ihr eine Abschrift zu erteilen.
Blattes steht dem die Zustellung veranlassenden
(2) Andere Entscheidungen werden durch Zu- Beamten zu.
stellung bekanntgemacht. Wird durch die Bekannt-
(2) War die Ladung zur Hauptverhandlung dem
machung der Entscheidung keine Frist in Lauf ge-
Angeklagten schon vorher zugestellt, so gilt eine
setzt, so genügt formlose Mitteilung; dies gilt nicht
weitere Zustellung an ihn, wenn sie nicht in der
für die Mitteilung von Urteilen.
vorgeschriebenen Weise im Inland bewirkt werden
(3) Dem nicht auf freiem Fuß Befindlichen ist das kann, als erfolgt, sobald das zuzustellende Schrift-
zugestellte Schriftstück auf Verlangen vorzulesen. stück zwei Wochen an der Gerichtstafel des Gerichts
des ersten Rechtszuges angeheftet gewesen ist. Von
Urteilen und Beschlüssen wird nur der entscheidende
§ 35 a
Teil angeheftet.
Bei der Bekanntmachung einer Entscheidung, die
§ 41
durch ein befristetes Rechtsmittel angefochten wer-
den kann, ist der Betroffene über die Möglichkeiten Zustellungen an die Staatsanwaltschaft erfolgen
der Anfechtung und die dafür vorgeschriebene:&1 durch Vorlegung der Urschrift des zuzustellenden
Fristen und Formen zu belehren. Schriftstücks. Wenn mit der Zustellung der Lauf
Nr. 54 -- Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1379
einer Frist beginnt, so ist der Tag der Vorlegung § 47
von der Staalsm1waltschalt auf der Urschrift zu ver- (1) Durch das Gesuch um Wiedereinsetzung in
merken. den vorigen Stand wird die Vollstreckung einer
gerichtlichen Entscheidung nicht gehemmt.
Fünfter Abschnitt (2) Das Gericht kann jedoch einen Aufschub der
Fristen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Vollstreckung anordnen.
§ 42
Sechster Abschnitt
Bei der Berechnung einer Frist, die nach Tagen
Zeugen
bestimmt ist, wird der Tag nicht mitgerechnet, auf
den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, nach dem § 48
der Anfang der Frist sich richten soll.
Die Ladung der Zeugen geschieht unter Hinweis
auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens.
§ 43 2 )
(1) Eine Frist, die nach Wochen oder Monaten § 49
bestimmt ist, endet mit Ablauf des Tages der letzten
Woche oder des letzten Monats, der durch seine Der Bundespräsident ist in seiner Wohnung zu
Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem vernehmen. Zur Hauptverhandlung wird er nicht
die Frist begonnen hat; fehlt dieser Tag in dem geladen. Das Protokoll über seine gerichtliche Ver-
letzten Monat, so endet die Frist mit dem Ablauf nehmung ist in der Hauptverhandlung zu verlesen.
des letzten Tages dieses Monats.
(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag,
§ 50
einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, (1) Die Mitglieder des Bundestages, des Bundes-
so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werk- rates, eines Landtages oder einer zweiten Kammer
tages. sind während ihres Aufenthaltes am Sitz der Ver-
sammlung dort zu vernehmen.
§ 44
(2) Die Mitglieder der Bundesregierung oder einer
Gegen die Versäumung einer Frist kann die
Landesregierung sind an ihrem Amtssitz oder, wenn
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beansprucht
sie sich außerhalb ihres Amtssitzes aufhalten, an
werden, wenn der Antragsteller durch Naturereig-
ihrem Aufenthaltsort zu vernehmen.
nisse oder andere unabwendbare Zufälle an der
Einhaltung der Frist verhindert worden ist. Als (3) Zu einer Abweichung von den vorstehenden
unabwendbarer Zufall ist es anzusehen, wenn der Vorschriften bedarf es
Antragsteller von einer Zustellung ohne sein Ver- für die Mitglieder eines in Absatz 1 genannten
schulden keine Kenntnis erlangt hat oder wenn die Organs der Genehmigung dieses Organs,
Belehrung nach den §§ 35 a, 319 Abs. 2 Satz 3 oder für die Mitglieder der Bundesregierung der Ge-
nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist. nehmigung der Bundesregierung,
für die Mitglieder einer Landesregierung der Ge-
§ 45
nehmigung der Landesregierung.
(1) Das Gesuch um Wiedereinsetzung in den (4) Die Mitglieder der in Absatz 1 genannten
vorigen Stand muß binnen einer Woche nach Be- Organe der Gesetzgebung und die Mitglieder der
seitigung des Hindernisses bei dem Gericht, bei Bundesregierung oder einer Landesregierung wer-
dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre, unter den, wenn sie außerhalb der Hauptverhandlung ver-
Angabe und Glaubhaftmachung der Versäumungs- nommen worden sind, zu dieser nicht geladen. Das
gründe angebracht werden. Protokoll über ihre richterliche Vernehmung ist in
(2) Mit dem Gesuch ist zugleich die versäumte der Hauptverhandlung zu verlesen.
Handlung selbst nachzuholen.
§ 51
§ 46
(1) Ein ordnungsmäßig geladener Zeuge, der nicht
(1) Uber das Gesuch entscheidet das Gericht, das erscheint, ist in die durch das Ausbleiben ver-
bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der ursachten Kosten sowie zu einer Ordnungsstrafe in
Sache selbst berufen gewesen wäre. Geld und für den Fall, daß diese nicht beigetrieben
(2) Die dem Gesuch stattgebende Entscheidung werden kann, zur Strafe der Haft bis zu sechs
unterliegt keiner Anfechtung. Wochen zu verurteilen. Auch ist die zwangsweise
Vorführung des Zeugen zulässig. Im Falle wieder-
(3) Gegen die das Gesuch verwerfende Entschei- holten Ausbleibens kann auf die Strafe noch einmal
dung ist sofortige Beschwerde zulässig. erkannt werden.
2) § 43 Abs. 2, neugefaßt durch Artikel I Nr. 3 des Gesetzes über den
(2) Die Verurteilung zu Strafe und Kosten unter-
Fristablauf am Sonnabend vom 10. Au9nst 1965 (Bundesgesetzbl. I bleibt, wenn das Ausbleiben des Zeugen genügend
S. 753), gilt bis zum Inkrafttreten des Anderungsgesetzes am
1. Oktober 1965 in folgender Fassun\J: entschuldigt ist. Wird der Zeuge nachträglich ge-
.,(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag oder allgemeinen nügend entschuldigt, so werden die getroffenen An-
Feierld!J, so endeL die l'rist mit Ablciul des nächslfolgenden V\Terk-
tags." ordnungen wieder aufgehoben.
1380 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
(3) Die Befugnis zu diesen Maßregeln steht auch (2) Die in Absatz 1 Nr. 2 und 3 Genannten dürfen
dem Untersuchungsrichter, dem Amtsrichter im Vor- das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie von der
verfahren sowie dem beauftragten und ersuchten Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind.
Richter zu.
§ 52 § 53 a
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind be- (1) Den in § 53 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 Genannten
rechtigt
stehen ihre Gehilfen und die Personen gleich, die
1. der Verlobte des Beschuldigten; zur Vorbereitung auf den Beruf an der berufs-
2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die mäßigen Tätigkeit teilnehmen. Uber die Ausübung
Ehe nicht mehr besteht; des Rechtes dieser Hilfspersonen, das Zeugnis zu
3. wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie ver- verweigern, entscheiden die in§ 53 Abs. 1 Nr. 1 bis 4
wandt, verschwägert oder durch Annahme an Genannten, es sei denn, daß diese Entscheidung in
Kindes Statt verbunden oder in der Seitenlinie absehbarer Zeit nicht herbeigeführt werden kann.
bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum (2) Die Entbindung von der Verpflichtung zur
zweiten Grade verschwägert ist, auch wenn die Verschwiegenheit (§ 53 Abs. 2) gilt auch für die
Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet Hilfspersonen.
ist, nicht mehr besteht.
(2) Die bezeichneten Personen sind vor jeder § 54
Vernehmung über ihr Recht zur Verweigerung des (1) Für die Vernehmung von Richtern, Beamten
Zeugnisses zu belehren. Sie können den Verzicht und anderen Personen des öffentlichen Dienstes als
auf dieses Recht auch während der Vernehmung Zeugen über Umstände, auf die sich ihre Pflicht
widerrufen. zur Amtsverschwiegenheit bezieht, und für die
§ 53 Genehmigung zur Aussage gelten die besonderen
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner beamtenrechtlichen Vorschriften.
berechtigt (2) Für die Mitglieder der Bundes- oder einer
1. Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigen- Landesregierung gelten die für sie maßgebenden
schaft als Seelsorger anvertraut worden oder besonderen Vorschriften.
bekanntgeworden ist; (3) Der Bundespräsident kann das Zeugnis ver-
2. Verteidiger des Beschuldigten über das, was weigern, wenn die Ablegung des Zeugnisses dem
ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes
oder bekanntgeworden ist; Nachteile bereiten würde.
3. Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Wirt- (4) Diese Vorschriften gelten auch, wenn die vor-
schaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerbera- genannten Personen nicht mehr im öffentlichen
ter und Steuerbevollmächtigte, Arzte, Zahnärzte, Dienst sind, soweit es sich um Tatsachen handelt,
Apotheker und Hebammen über das, was ihnen die sich während ihrer Dienstzeit ereignet haben
in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder oder ihnen während ihrer Dienstzeit zur Kenntnis
bekanntgeworden ist; gelangt sind.
4. Mitglieder des Bundestages, eines Landtages
§ 55
oder einer zweiten Kammer über Personen, die
ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser (1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche
Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tat- Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst
sachen anvertraut haben sowie über diese Tat- oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten An-
sachen selbst; gehörigen die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung
5. Redakteure, Verleger, Herausgeber, Drucker und zuziehen würde.
andere, die bei der Herstellung oder Veröffent- (2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweige-
lichung einer periodischen Druckschrift mit- rung der Auskunft zu belehren.
gewirkt haben, über die Person des Verfassers,
Einsenders oder Gewährsmanns einer Veröffent-
lichung strafbaren Inhalts, wenn ein Redakteur § 56
der Druckschrift wegen dieser Veröffentlichung Die Tatsache, auf die der Zeuge die Verweige-
bestraft ist oder seiner Bestrafung keine Hinder- rung des Zeugnisses in den Fällen der §§ 52, 53 und
nisse entgegenstehen; 55 stützt, ist auf Verlangen glaubhaft zu machen. Es
6. Intendanten, Sendeleiter und andere, die bei der genügt die eidliche Versicherung des Zeugen.
Vorbereitung oder Durchführung von Rundfunk-
sendungen mitgewirkt haben, über die Person
§ 57
des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmanns
einer Rundfunksendung strafbaren Inhalts, wenn Vor der Verneh~ung sind die Zeugen zur Wahr-
ein für die Sendung Vera.ntwortlicher wegen die- heit zu ermahnen und darauf hinzuweisen, daß si~
ser Sendung bestraft ist oder seiner Bestrafung ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im
keine Hindernisse entgegenstehen; über die Per- Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vor-
son dPs Verfassers, Einsenders oder Gewährs- liegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides
manns, die selbst im Rundfunk spricht, darf das und die· strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen
Zeugnis nicht verweigert werden. oder unvollständigen Aussage zu belehren.
Nr. 54 --- Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1381
§ 58 § 65
(1) Die Zeugen sind einzeln und in Abwesenheit (1) Im vorbereitenden Verfahren ist die Vereidi-
der spdler zu hörenden Zeugen zu vernehmen. gung nur zulässig, wenn Gefahr im Verzug ist oder
(2) Eine Gegenüberstellung mit anderen Zeugen wenn der Eid als Mittel zur Herbeiführung einer
oder mit dem Beschuldigten im Vorverfahren ist zu- wahren Aussage über einen für das weitere Ver-
lässig, wenn es für das weitere Verfahren geboten fahren erheblichen Punkt erforderlich erscheint.
erscheint. (2} Im vorbereitenden Verfahren wegen einer
Ubertretung ist die Vereidigung unzulässig.
§ 59
Die Zeugen sind einzeln und nach ihrer Ver-
nehmung zu vereidigen. Die Vereidigung erfolgt, § 66
soweit nichts anderes bestimmt ist, in der Haupt- In der Voruntersuchung ist die Vereidigung nur
verhandlung. zulässig, wenn
1. Gefahr im Verzug ist oder
§ 60
2. der Eid als Mittel zur Herbeiführung einer wah-
Von der Vereidigung ist abzusehen ren Aussage über einen für das weitere Verfah-
1. bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das ren erheblichen Punkt erforderlich erscheint oder
sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben
oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder 3. der Zeuge voraussichtlich am Erscheinen in der
wegen Verstandesschwäche vom Wesen und der Hauptverhandlung verhindert sein wird oder
Bedeutung des Eides keine genügende Vorstel- 4. dem Zeugen das Erscheinen in der Hauptverhand-
lung haben; lung wegen großer Entfernung nicht zugemutet
2. bei Personen, die nach den Vorschriften der Straf- werden kann.
gesetze unfähig sind, als Zeugen eidlich vernom-
men zu werden; § 66 a
3. bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand Wird ein Zeuge außerhalb der Hauptverhandlung
der Untersuchung bildet, oder der Beteiligung an vereidigt, so ist der Grund der Vereidigung im
ihr oder der Begünstigung oder Hehlerei verdäch- Protokoll anzugeben.
tig oder deswegen bereits verurteilt sind.
§ 66 b
§ 61 (1) Wird ein Zeuge durch einen beauftragten oder
Von der Vereidigung kann nach dem Ermessen ersuchten Richter vernommen, so entscheidet zu-
des Gerichts abgesehen werden nächst dieser über die Vereidigung.
1. bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das (2) Die Vereidigung muß, soweit sie zulässig ist,
sechzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Le- erfolgen, wenn es in dem Auftrag oder in dem
bensjahr vollendet haben; Ersuchen des Gerichts verlangt wird. Der ver-
2. beim Verletzten sowie bei Personen, die im Sinne nehmende Richter kann die Vereidigung aussetzen
des § 52 Abs. 1 Angehörige des Verletzten oder und einer neuen Entschließung des beauftragenden
des Beschuldigten sind; oder ersuchenden Gerichts vorbehalten, wenn bei
3. wenn das Gericht der Aussage keine wesentliche der Vernehmung Tatsachen hervortreten, die zu un-
Bedeutung beimißt und nach seiner Uberzeugung eidlicher Vernehmung berechtigen würden. Diese
auch unter Eid keine wesentliche Aussage zu Tatsachen sind in das Protokoll aufzunehmen.
erwarten ist. (3) Die Vereidigung darf nicht erfolgen, wenn die
uneidliche Vernehmung verlangt wird.
§ 62
Im Verfahren wegen einer Ubertretung und im
Privatklageverfahren werden Zeugen nur vereidigt, § 66 C
wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden (1) Die Vereidigung erfolgt in der Weise, daß der
Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung Richter an den Zeugen die Worte richtet:
einer wahren Aussage für notwendig hält.
„Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und
Allwissenden, daß Sie nach bestem Wissen die
§ 63 reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen
Die in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen des haben"
Beschuldigten haben das Recht, die Beeidigung des und der Zeuge hierauf die Worte spricht:
Zeugnisses zu verweigern; darüber sind sie zu ,,Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe."
belehren.
(2) Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung
§ 64 geleistet werden.
Unterbleibt die Vereidigung eines Zeugen, so ist (3) Der Schwörende soll bei der Eidesleistung die
der Grund dafür im Protokoll anzugeben. rechte Hand erheben.
1382 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
§ 66 d § 70
(1) Stumme leisten den Eid in der Weise, daß sie ( 1) Wird das Zeugnis oder die Eidesleistung ohne
die Worte: gesetzlichen Grund verweigert, so ist der Zeuge in
„Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und die durch die Weigerung verursachten Kosten so-
Allwissenden, daß ich nach bestem Wissen die wie zu einer Ordnungsstrafe in Geld und für den
reine Wahrheit bekundet und nichts ver- Fall, daß diese nicht beigetrieben werden kann, zur
schwiegen habe" Strafe der Haft bis zu sechs Wochen zu verurteilen.
niederschreiben und unterschreiben. Stumme, die (2) Auch kann zur Erzwingung des Zeugnisses die
nicht schreiben können, leisten den Eid mit Hilfe Haft angeordnet werden, jedoch nicht über die Zeit
eines Dolmetschers durch Zeichen. der Beendigung des Verfahrens in dem Rechtszug,
(2) Die Vorschrift des § 66 c Abs. 2 gilt ent- auch nicht über die Zeit von sechs Monaten und bei
sprechend. Ubertretungen nicht über die Zeit von sechs Wochen
hinaus.
§ 66 e
(3) Die Befugnis zu diesen Maßregeln steht auch
Gibt eine Zeuge an, daß er Mitglied einer Reli-
dem Untersuchungsrichter, dem Amtsrichter im Vor-
gionsgesellschaft sei, der das Gesetz den Gebrauch
verfahren sowie dem beauftragten und ersuchten
gewisser Beteuerungsformeln an Stelle des Eides
Richter zu.
gestattet, so steht eine unter der Beteuerungsformel
dieser Religionsgesellschaft abgegebene Erklärung (4) Sind die Maßregeln erschöpft, so können sie in
der Eidesleistung gleich. demselben oder in einem anderen Verfahren, das
dieselbe Tat zum Gegenstand hat, nicht wiederholt
§ 67 werden.
Wird der Zeuge, nachdem er eidlich vernommen § 71
worden ist, in demselben Vorverfahren oder in dem-
selben Hauptverfahren nochmals vernommen, so Der Zeuge wird nach dem Gesetz über die Ent-
kann der Richter statt der nochmaligen Vereidigung schädigung von Zeugen und Sachverständigen ent-
den Zeugtm die Richtigkeit seiner Aussage unter schädigt.
Berufung auf den früher geleisteten Eid versichern
lassen.
§ 68 Siebenter Abschnitt
Die Vernehmung beginnt damit, daß der Zeuge Sachverständige und Augenschein
über Vornamen und Zunamen, Alter, Stand oder
Gewerbe und Wohnort befragt wird. Erforderlichen- § 72
falls sind dem Zeugen Fragen über solche Umstände,
Auf Sachverständige ist der sechste Abschnitt
die seine Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Sache
über Zeugen entsprechend anzuwenden, soweit nicht
betreffen, insbesondere über seine Beziehungen zu
in den nachfolgenden Paragraphen abweichende
dem Beschuldigten oder dem Verletzten, vorzulegen.
Vorschriften getroffen sind.
§ 68 a
(1) Fragen nach Tatsachen, die dem Zeugen oder § 73
einer Person, die im Sinne des § 52 Abs. 1 sein An- (1) Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverstän-
gehöriger ist, zur Unehre gereichen können, sollen digen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt
nur gestellt werden, wenn es unerläßlich ist. durch den Richter.
(2) Der Zeuge soll nach Vorstrafen nur gefragt (2) Sind für gewisse Arten von Gutachten Sach-
werden, wenn ihre Feststellung notwendig ist, um verständige öffentlich bestellt, so sollen andere Per-
über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 sonen nur dann gewählt werden, wenn besondere
Nr. 2 oder 3 zu entscheiden oder um seine Glaub- Umstände es fordern.
würdigkeit zu beurteilen.
§ 74
§ 69 (1) Ein Sachverständiger kann aus denselben
(1) Der Zeuge ist zu veranlassen, das, was ihm Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berech-
von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt tigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann
ist, im Zusammenhang anzugeben. Vor seiner Ver- jedoch nicht daraus entnommen werden, daß der·
nehmung ist dem Zeugen der Gegenstand der Unter- Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.
suchung und die Person des Beschuldigten, sofern (2) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwalt-
ein solcher vorhanden ist, zu bezeichnen.
schaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu.
(2) Zur Aufklärung und zur Vervollständigung Die ernannten Sachverständigen sind den zur Ab-
der Aussage sowie zur Erforschung des Grundes, lehnung Berechtigten namhaft zu machen, wenn
auf dem das Wissen des Zeugen beruht, sind nicht besondere Umstände entgegenstehen.
nötigenfalls weitere Fragen zu stellen.
(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen;
(3) Die Vorschrift des § 136 a gilt für die Ver- der Eid ist als Mittel der Glaubhaftmachung aus-
nehmung des Zeugen entsprechend. geschlossen.
Nr. 54 -- Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1383
§ 75 (2) Zu demselben Zweck kann ihm gestattet wer-
(1) Der zum Sachverständigen Ernannte hat der den, die Akten einzusehen, der Vernehmung von
Ernennung Folge zu leisten, wenn er zur Erstattung Zeugen oder des Beschuldigten beizuwohnen und
von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt an sie unmittelbar Fragen zu stellen.
ist oder wenn er die Wissenschaft, die Kunst oder
das Gewerbe, deren Kenntnis Voraussetzung der § 80 a
Begutachtung ist, öffentlich zum Erwerb ausübt Ist damit zu rechnen, daß die Unterbringung des
oder wenn er zu ihrer Ausübung öffentlich bestellt Beschuldigten in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer
oder ermächtigt ist. Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt an-
(2) Zur Erstattung des Gutachtens ist auch der geordnet werden wird, so soll schon im Vorver-
verpflichtet, welcher sich hierzu vor Gericht bereit fahren einem Sachverständigen Gelegenheit zur
erklärt hat. Vorbereitung des in der Hauptverhandlung zu er-
stattenden Gutachtens gegeben werden.
§ 76
(1) Dieselben Gründe, die einen Zeugen berech- § 81
tigen, das Zeugnis zu verweigern, herechtigen einen (1) Zur Vorbereitung eines Gutachtens über den
Sachverständigen zur Verweigerung des Gutachtens Geisteszustand des Beschuldigten kann das Gericht
Auch aus anderen Gründen kann ein Sachverstän- nach Anhörung eines Sachverständigen und des
diger von der Verpflichtung zur Erstattung des Gut- Verteidigers anordnen, daß der Beschuldigte in eine
achtens entbunden werden. öffentliche Heil- oder Pflegeanstalt gebracht und
dort beobachtet wird. Im vorbereitenden Verfahren
(2) Für die Vernehmung von Richtern, Beamten
entscheidet das Gericht, das für die Eröffnung des
und anderen Personen des öffentlichen Dienstes als
Hauptverfahrens zuständig wäre.
Sachverständige gelten die besonderen beamten-
rechtlichen Vorschriften. Für die Mitglieder der (2) Dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger
Bundes- oder einer Landesregierung gelten die für hat, ist ein solcher zu bestellen.
sie maßgebenden besonderen Vorschriften. (3) Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde
zulässig. Sie hat aufschiebende Wirkung.
§ 77 (4) Die Verwahrung in der Anstalt darf die Dauer
Im Falle des Nichterscheinens oder der Weige- von sechs Wochen nicht überschreiten.
rung eines zur Erstattung des Gutachtens verpflich-
teten Sachverständigen wird dieser zum Ersatz der § 81 a
Kosten und zu einer Ordnungsstrafe in Geld ver- (1) Eine körperliche Untersuchung des BLschuldig-
urteilt. Im Falle wiederholten Ungehorsams kann ten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet
neben der Verurteilung in die Kosten noch einmal werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind.
auf eine Ordnungsstrafe erkannt werden. Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben
und andere körperliche Eingriffe, die von einem
§ 78 Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Unter-
suchungszwecken vorgenommen werden, ohne Ein-
Der Richter hat, soweit ihm dies erforderlich er- willigung des Beschuldigten zulässig, wenn kein
scheint, die Tätigkeit der Sachverständigen zu leiten. Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.
(2) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefähr-
§ 79 dung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung
(1) Der Sachverständige kann nach dem Ermessen auch der Staatsanwaltschaft und ihren Hilfsbeamten
des Gerichts vereidigt werden. Auf Antrag der (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu.
Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder des Ver-
teidigers ist er zu vereidigen. § 81 b
(2) Der Eid ist nach Erstattung des Gutachtens zu Soweit es für die Zwecke der Durchführung des
leisten; er geht dahin, daß der Sachverständige das Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erken-
Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen nur:gsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und
und Gewissen erstattet habe. Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen sei-
nen Willen aufgenommen und Messungen und ähn-
(3) Ist der Sachverständige für die Erstattung von liche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.
Gutachten der betreffenden Art im allgemeinen ver-
eidigt, so genügt die Berufung auf den geleisteten § 81 C
Eid.
(1) Andere Personen als Beschuldigte dürfen,
wenn sie als Zeugen in Betracht kommen, ohne ihre
§ 80
Einwilligung nur untersucht werden, soweit zur Er-
(1) Dem Sachverständigen kann auf sein Verlan- forschung der Wahrheit festgestellt werden muß, ob
gen zur Vorbereitung des Gutachtens durch Ver- sich an ihrem Körper eine bestimmte Spur oder
nehmung von Zeugen oder des Beschuldigten wei- Folge einer strafbaren Handlung befindet. Die Unter-
tere Aufklärung verschafft werden. suchung kann aus den gleichen Gründen wie das
1384 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
Zeugnis verweigert werden. Die Untersuchung ist § 86
unzulässig, wenn sie dem Betroffenen bei Würdi-
Findet die Einnahme eines richterlichen Augen-
gung aller Umstünde nicht zugemutet werden kann.
scheins statt, so ist im Protokoll der vorgefundene
(2) Bei anderen Personen als Beschuldigten sind Sachbestand festzustellen und darüber Auskunft zu
Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung geben, welche Spuren oder Merkmale, deren Vor-
und die Enlnahme von Blutproben ohne Einwilli- handensein nach der besonderen Beschaffenheit des
gung des zu Untersur:henden zulässig, wenn kein Falles vermutet werden konnte, gefehlt haben.
Nachteil für seine Gesundheit zu befürcht(c:n und die
Maßnahme zur Erforschung der Wahrheit unerläß- § 87
lich ist. Die Untersuchungm1 und die Entnahme von
Blutproben dürfen stets nur von einem Arzt vorge- (1) Die richterliche Leichenschau wird unter Zu-
nommen werden. Absatz l Satz 2 und 3 gilt auch ziehung eines Arztes, die Leichenöffnung im Beisein
hier. des Richters von zwei Ärzten, unter denen sich ein
Gerichtsarzt befinden muß, vorgenommen. Dem Arzt,
(3) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefähr- welcher den Verstorbenen in der dem Tode un-
dung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung mittelbar vorausgegangenen Krankheit behandelt
auch der Staatsanwaltschaft und ihren Hilfsbeamten hat, ist die Leichenöffnung nicht zu übertragen. Er
(§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu. kann jedoch aufgefordert werden, der Leichenöff-
(4) Bei Weigerung des Betroffenen gilt die Vor- nung beizuwohnen, um aus der Krankheitsgeschichte
schrift des § 70 entsprechend. Unmittelbarer Zwang Aufschlüsse zu geben.
darf nur auf besondere Anordnung des Richters an- (2) Die Zuziehung eines Arztes kann bei der
gewandt werden. Die Anordnung setzt voraus, daß Leichenschau unterbleiben, wenn sie nach dem Er-
der Betroffene trotz Auferlegung einer Ordnungs- messen des Richters entbehrlich ist.
strafe bei der Weigerung beharrt oder daß Gefahr (3) Zur Besichtigung oder Offnung einer schon be-
im Verzug ist. erdigten Leiche ist ihre Ausgrabung statthaft.
§ 81 d
§ 88
(1) Kann die körperliche Untersuchung einer Frau
das Schamgefühl verletzen, so wird sie einer Frau Vor der Leichenöffnung ist, wenn nicht besondere
oder einem Arzt übertragen. Auf "'/erlangen der zu Hindernisse entgegenstehen, -die Persönlichkeit des
untersuchenden Frau soll eine andere Frau oder ein Verstorbenen, insbesondere durch Befragung von
Angehöriger zugelassen werden. Personen, die den Verstorbenen gekannt haben, fest-
zustellen. Ist ein Beschuldigter vorhanden, so ist ihm
(2) Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn die zu
die Leiche zur Anerkennung vorzuzeigen.
untersuchende Frau in die Untersuchung einwilligt.
§ 89
§ 82
Die Leichenöffnung muß sich, soweit der Zustand
Im Vorverfahren hängt es von der Anordnung der Leiche dies gestattet, stets auf die Offnung der
des Richters ab, ob die Sachverständigen ihr Gut- Kopf-, Brust- und Bauchhöhle erstrecken.
achten schriftlich oder mündlich zu erstatten haben.
§ 90
§ 83
Bei Offnung der Leiche eines neugeborenen Kin-
(1) Der Richter kann eine neue Begutachtung des ist die Untersuchung insbesondere auch darauf
durch dieselben oder durch andere Sachverständige zu richten, ob es nach oder während der Geburt ge-
anordnen, wenn er das Gutachten für ungenügend lebt hat und ob es reif oder wenigstens fähig ge-
erachtet. wesen ist, das Leben außerhalb des Mutterleibes
(2) Der Richter kann die Begutachtung durch einen fortzusetzen.
anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sach- § 91
verständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Er- (1) Liegt der Verdacht einer Vergiftung vor, so ist
folg abgelehnt ist. die Untersuchung der in der Leiche oder sonst ge-
(3) In wichtigeren Fällen kann das Gutachten einer fundenen verdächtigen Stoffe durch einen Chemiker
Fachbehörde eingeholt werden. oder durch eine für solche Untersuchungen be-
stehende Fachbehörde vorzunehmen.
§ 84 (2) Der Richter kann anordnen, daß diese Unter-
suchung unter Mitwirkung oder Leitung eines Arztes
Der Sachverständige wird nach dem Gesetz über
stattzufinden hat.
die Entschädigung von Zeugen und Sachverständi-
gen entschädigt. § 92
(1) Bei Münzverbrechen und Münzvergehen sind
§ 85
die Münzen oder Papiere erforderlichenfalls der Be-
Soweit zum Beweis vergangener Tatsachen oder hörde vorzulegen, von der echte Münzen oder Pa-
Zustände, zu deren Wahrnehmung eine besondere piere dieser Art in Umlauf gesetzt werden. Das Gut-
Sachkunde erforderlich war, sachkundige Personen achten dieser Behörde ist über die Unechtheit oder
zu vernehmen sind, gelten die Vorschriften über den Verfälschung sowie darüber einzuholen, in welcher
Zeugenbeweis. Art die Fälschung mutmaßlich begangen worden ist.
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1385
(2) Handelt es sich um ausländische Münzen oder des Zeugnisses Berechtigten sind; Gegenstände, auf
Papiere, so kann an Stelle des Gutachtens der aus- die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der Ärzte,
ländischen Behörde das einer deutschen erfordert Zahnärzte, Apotheker und Hebammen erstreckt,
werden. unterliegen der Beschlagnahme auch dann nicht,
wenn sie im Gewahrsam einer Krankenanstalt sind.
§ 93
Die Beschränkungen der Beschlagnahme gelten nicht,
Zur Ermittlung der Echtheit oder Unechtheit eines wenn die zur Verweigerung des Zeugnisses Berech-
Schriftstücks sowie zur Ermittlung seines Urhebers tigten einer Teilnahme, Begünstigung oder Hehlerei
kann eine Schriftvergleichung unter Zuziehung von verdächtig sind oder wenn es sich um Gegenstände
Sachverständigen vorgenommen werden. handelt, die durch ein Verbrechen oder Vergehen
hervorgebracht oder zur Begehung eines Verbre-
chens oder Vergehens gebraucht oder bestimmt sind
Achter Abschnitt oder die aus einer solchen Straftat herrühren.
Beschlagnahme und Durchsuchung (3) Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der
Mitglieder des Bundestages, eines Landtages oder
§ 94 einer zweiten Kammer reicht (§ 53 Abs. 1 Nr. 4), ist
die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig.
(1) Gegenstände, die als Beweismittel für die Un-
tersuchung von Bedeutung sein können oder der (4) Die Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzu-
Einziehung unterliegen, sind in Verwahrung zu neh- wenden, soweit die in § 53 a Genannten das Zeugnis
men oder in anderer Weise sicherzustellen. verweigern dürfen.
(2) Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahr-
sam einer Person und werden sie nicht freiwillig (5) Zu dem Zweck, die Person des Verfassers, Ein-
herausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahme. senders oder Gewährsmanns einer Veröffentlichung
oder Sendung strafbaren Inhalts zu ermitteln, ist die
Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig, die
§ 95
sich im Gewahrsam der nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 und 6
(1) Wer einen Gegenstand der vorbezeichneten zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten be-
Art in seinem Gewahrsam hat, ist verpflichtet, ihn finden.
auf Erfordern vorzulegen und auszuliefern.
(2) Er kann im Falle der Weigerung durch die in § 98
§ 70 bestimmten Zwangsmittel hierzu angehalten (1) Beschlagnahmen dürfen nur durch den Richter,
werden. Gegen Personen, die zur Verweigerüng des bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwalt-
Zeugnisses berechtigt sind, werden diese Zwangs- schaft und ihre Hilfsbeamten (§ 152 des Gerichts-
mittel nicht angewandt. verfassungsgesetzes) angeordnet werden.
(2) Der Beamte, der einen Gegenstand ohne rich-
§ 96
terliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll bin-
Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder nen drei Tagen die richterliche Bestätigung nach-
anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen suchen, wenn bei der Beschlagnahme weder der
Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Be- davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger
amte darf nicht gefordert werden, wenn deren anwesend war oder wenn der Betroffene und im
oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekannt- Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Ange-
werden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke höriger des Betroffenen gegen die Beschlagnahme
dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Der Be-
Nachteile bereiten würde. troffene kann jederzeit die richterliche Entscheidung
nachsuchen. Solange die öffentliche Klaye noch nicht
§ 97 erhoben ist, entscheidet der Amtsrichter, in dessen
Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat.
(1) Der Beschlagnahme unterliegen nicht
1. schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschul- (3) Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Be-
digten und den Personen, die nach § 52 oder § 53 schlagnahme durch die Staatsanwaltschaft oder einen
Abs. 1 Nr. 1 bis 3 das Zeugnis verweigern dürfen; ihrer Hilfsbeamten erfolgt, so ist binnen drei Tagen
dem Richter von der Beschlagnahme Anzeige zu
2. Aufzeichnungen, welche die in § 53 Abs. 1 Nr. 1 machen; die beschlagnahmten Gegenstände sind ihm
bis 3 Genannten über die ihnen vom Beschuldig- zur Verfügung zu stellen.
ten anvertrauten Mitteilungen oder über andere
Umstände gemacht haben, auf die sich das Zeug- (4) Wird eine Beschlagnahme in einem Dienst-
nisverweigerungsrecht erstreckt; gebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen
3. andere Gegenstände einschließlich der ärztlichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforder-
Untersuchungsbefunde, auf die sich das Zeugnis- lich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundes-
verweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 wehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende
Genannten erstreckt. Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens
bedarf e.s nicht, wenn die Beschlagnahme in Räumen
(2) Diese Beschränkungen gelten nur, wenn die vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen
Gegenstände im Gewahrsam der zur Verweigerung Personen als Soldaten bewohnt werden.
1386 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
§ 99 (3) Der Beschuldigte, der Eigentümer und andere,
Zulässig ist die Beschlagnahme der an den Be- denen Rechte an der Sache zustehen, sollen vor der
schuldigten gerichtete Briefe und Sendungen auf Anordnung gehört werden. Die Anordnung sowie
der Post sowie der an ihn gerichteten Telegramme Zeit und Ort der Veräußerung sind ihnen, soweit
auf den Telegraphenanstalten; ebenso ist zulässig tunlich, mitzuteilen.
an den bezeichneten Orten die Beschlagnahme sol- (4) Die Notveräußerung wird nach den Vorschrif-
cher Briefe, Sendungen und Telegramme, bei denen ten der Zivilprozeßordnung über die Verwertung
Tatsachen vorliegen, aus welchen zu schließen ist, einer gepfändeten Sache durchgeführt. An die Stelle
daß sie von dem Beschuldigten herrühren oder für des Vollstreckungsgerichts tritt der Strafrichter. Er
ihn bestimmt sind und daß ihr Inhalt für die Un- kann die nach § 825 der Zivilprozeßordnung zuläs-
tersuchung Bedeutung hat. sige Verwertung auf Antrag der Staatsanwaltschaft
oder einer der in Absatz 3 genannten Personen ode1
§ 100 vor Amts wegen gleichzeitig mit der Notveräuße·
(1) Zu der Beschlagnahme (§ 99) ist nur der Rich- rung oder nachträglich anordnen.
ter, bei Gefahr im Verzug und, wenn die Unter-
suchung nicht nur eine Ubertretung betrifft, auch die
§ 102
Staatsanwaltschaft befugt. Die letztere muß jedoch
den ihr ausgelieferten Gegenstand sofort, und zwar Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer
Briefe und andere Postsendungen uneröffnet. dem strafbaren Handlung oder als Begünstiger oder
Richter vorlegen. Hehler verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der
Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person
(2) Die von der Staatsanwaltschaft. verfügte Be-
und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck
schlagnahme tritt, auch wenn sie eine Auslitferung
seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen wer-
noch nicht zur Folge gehabt hat, außer Kraft, wenn
den, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung
sie nicht binnen drei Tagen von dem Richter be-
stätigt wird. zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.
(3) Uber eine von der Staatsanwaltschaft verfügte
Beschlagnahme sowie über die Eröffnung eines aus- § 103
gelieferten Briefes oder einer anderen Postsendung (1) Bei anderen Personen sind Durchsuchungen
entscheidet der zuständige Richter (§ 98) nur zur Ergreifung des Beschuldigtefl oder zur Ver-
folgung von Spuren einer strafbaren Handlung oder
§ 101 zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und
(1) Von den getroffenen Maßregeln (§§ 99, 100) nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus
sind die Beteiligten zu benachrichtigen, sobald dies denen zu schließen ist, daß die gesuchte Person,
ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks ge- Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden
schehen kann. Räumen befindet.
(2) Sendungen, deren Eröffnung nicht angeordnet (2) Diese Beschränkung gilt nicht für Räume, in
worden ist, sind dem Beteiligten sofort auszuhän- denen der Beschuldigte ergriffen worden ist oder
digen. Dasselbe gilt, soweit nach der Eröffnung die die er während der Verfolgung betreten hat oder in
Zurückbehaltung nicht erforderlich ist. denen eine unter Polizeiaufsicht stehende Person
wohnt oder sich aufhält.
(3) Der Teil eines zurückbehaltenen Briefes, des-
sen Vorenthaltung nicht durch die Rücksicht auf die
Untersuchung geboten erscheint, ist dem Empfangs- § 104
berechtigten abschriftlich mitzuteilen.
(1) Zur Nachtzeit dürfen die Wohnung, die Ge-
§ 101 a schäftsräume und das befriedete Besitztum nur bei
Verfolgung auf frischer Tat oder bei Gefahr im Ver-
(1) Sichergestellte oder beschlagnahmte Gegen- zug oder dann durchsucht werden, wenn es sich um
stände, die eingezogen werden können, dürfen vor die Wiederergreifung eines entwichenen Gefange-
der Entscheidung über die Einziehung veräußert nen handelt.
werden, wenn ihr Verderb oder eine wesentliche
Minderung ihres Wertes droht oder ihre Auf- (2) Diese Beschränkung gilt nicht für Wohnungen
bewahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnis- von Personen, die unter Polizeiaufsicht stehen, so-
mäßig großen Kosten oder Schwierigkeiten verbun- wie für Räume, die zur Nachtzeit jedermann zu-
den ist. Der Erlös tritt an die Stelle der Gegen- gänglich oder die der Polizei als Herbergen oder
stände. Versammlungsorte bestrafter Personen, als Nieder-
lagen von Sachen, die mittels strafbarer Handlungen
(2) Die Notveräußerung wird durch deH Richter,
erlangt sind, oder als Schlupfwinkel des Glücks-
nach Eröffnung des Hauptverfahrens in dringenden
spiels oder gewerbsmäßiger Unzucht bekannt sind.
Fällen durch den Vorsitzenden des erkennenden
Gerichts angeordnet. Die Anordnung kann auch (3) Die Nachtzeit umfaßt in dem Zei-traum vom
durch die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamten ersten April bis dreißigsten September die Stunden
(§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) getroffen von neun Uhr abends bis vier Uhr morgens und in
werden, wenn der Gegenstand zu verderben droht, dem Zeitraum vom ersten Oktober bis einund-
bevor die Entscheidung des Richters herbeigeführt dreißigsten März die Stunden von neun Uhr abends
werden kann. bis sechs Uhr morgens.
Nr.54 Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1387
§ 105 § 109
(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, Die in Verwahrung oder in Beschlag genommenen
bei Gefahr im Vcrzu9 auch durch die Staatsanwalt- Gegenstände sind genau zu verzeichnen und zur
schaft und ihre IIilfsbcamtcn (§ 152 des Gerichts- Verhütung von Verwechslungen durch amtliche Sie-
verfassungsgesetzes) angeordnet werden. gel oder in sonst geeigneter Weise kenntlich zu
machen.
(2) Wenn eine Durchsuchung der Wohnu11g, der
Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums § 110
ohne Beisein des Richters oder des Staatsanwalts (1) Eine Durchsicht der Papiere des von der Durch-
stattfindet, so sind, wenn möglich, ein Gemeinde- suchung Betroffenen steht nur dem Richter zu.
beamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in
deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. (2) Andere Beamte sind zur Durchsicht der auf-
Die als Gmncindemitglieder zugezogenen Personen gefundenen Papiere nur dann befugt, wenn der In-
dürfen nicht Polizeibeamte oder Hilfsbeamte der haber die Durchsicht genehmigt. Andernfalls haben
Staatsanwaltschaft sein. sie die Papiere, deren Durchsicht sie für geboten
erachten, in einem Umschlag, der in Gegenwart des
(3) Die in den vorstehenden Absätzen angeordne- Inhabers mit dem Amtssiegel zu verschließen ist, an
ten Beschränkungen der Durchsuchung gelten nicht de"'.1 Richter abzuliefern.
für die in § 104 Abs. 2 bezeichneten Wohnungen
und Räume. (3) Dem Inhaber der Papiere oder dessen Ver-
treter ist die Beidrückung seines Siegels gestattet;
(4) Wird eine Durchsuchung in einem Dienst- auch ist er, falls demnächst die Entsiegelung und
gebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Durchsicht der Papiere angeordnet wird, wenn mög-
Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforder- lich, zur Teilnahme aufzufordern.
lich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bun- (4) Der Richter hat die zu einer strafbaren Hand-
deswehr um ihre Durchführung ersucht. Die er- lung in Beziehung stehenden Papiere der Staats-
suchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des anwaltschaft mitzuteilen.
Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Durchsuchung
von Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von
anderen Personen als Soldaten bewohnt werden. § 111
(1) Gegenstände, die durch die strafbare Hand-
lung dem Verletzten entzogen wurden, sind, falls
§ 106 nicht Ansprüche Dritter entgegenstehen, nach Be-
endigung der Untersuchung und geeignetenfalls
(l) Der Inhc1ber der zu durchsuchenden Räume schon vorher von Amts wegen dem Verletzten
oder Gegenstände darf der Durchsuchung beiwoh- zurückzugeben, ohne daß es eines Urteils hierüber
nen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein bedarf.
Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Haus-
genosse oder Nach bar zuzuziehen. (2) Dem Beteiligten bleibt vorbehalten, seine
Rechte im Zivilverfahren geltend zu machen.
(2) Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit
zugezogenen Person ist in den Fällen des § 103
Abs. 1 der Zweck der Durchsuchung vor deren Be- § 111 a
ginn bekanntzumachen. Diese Vorschrift gilt nicht (1) Sind dringende Gründe für die Annahme vor-
für die Inhaber der in § 104 Abs. 2 bezeichneten handen, daß die Fahrerlaubnis entzogen werden
Räume. wird (§ 42 m des Strafgesetzbuches), so kann der
Richter dem Beschuldigten durch Beschluß die Fahr-
§ 107 erlaubnis vorläufig entziehen.
Dem von der Durchsuchung Betroffenen ist nach (2) Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis
deren Beendigung auf Verlangen eine schriftliche ist aufzuheben, wenn ihr Grund weggefallen ist oder
Mitteilung zu machen, die den Grund der Durch- wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht
suchung (§§ 102, 103) sowie im Falle des § 102 die entzieht.
strafbare Handlung bezeichnen muß. Auch ist ihm (3) Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis
auf Verlan9en ein Verzeichnis der in Verwahrung wirkt zugleich als Anordnung oder Bestätigung der
oder in Beschlag genommenen Gegenstände, falls Beschlagnahme des von einer deutschen Behörde
aber nichts Verdächtiges gefunden wird, eine Be- erteilten Führerscheins.
scheinigung hierüber zu geben.
(4) Ist ein Führerschein beschlagnahmt, weil er
nach § 42 m Abs. 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches ein-
gezogen werden kann, und bedarf es einer richter-
§ 108 lichen Entscheidung über die Beschlagnahme, so tritt
Werden bei Gelegenheit einer Durchsuchung Ge- an deren Stelle die Entscheidung über die vorläu-
genstände gefunden, die zwar in keiner Beziehung fige Entziehung der Fahrerlaubnis.
zu der Untersuchung stehen, aber auf die Verübung (5) Ein Führerschein, der in Verwahrung genom-
einer anderen slrafbaren Handlung hindeuten, so men, sichergestellt oder beschlagnahmt ist, weil er
sind sie einstweilen in Beschlag zu nehmen. Der nach § 42 m Abs. 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches ein-
Staatsanwaltschüft ist hiervon Kenntnis zu geben. gezogen werden kann, ist dem Beschuldigten zurück-
1388 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
zugeben, wenn der Richter die vorläufige Entziehung § 113
der Fahrerlaubnis wegen Fehlens der in Absatz 1
(1) Ist die Tat nur mit Gefängnis bis zu sechs
bezeichneten Voraussetzungen ablehnt, wenn er sie
Monaten, mit Haft oder mit Geldstrafe, allein oder
aufhebt oder wenn das Gericht im Urteil die Fahr-
nebeneinander, bedroht, so darf die Untersuchungs-
erlaubnis nicht entzieht. Wird jedoch im Urteil ein
haft wegen Verdunkelungsgefahr nicht angeordnet
Fahrverbot nach § 37 des Strafgesetzbuches ver-
werden.
hängt, so kann die Rückgabe des Führerscheins auf-
geschoben werden, wenn der Beschuldigte nicht (2) In diesen Fällen darf die Untersuchungshaft
widerspricht. wegen Fluchtgefahr nur angeordnet werden, wenn
der Beschuldigte
(6) In ausländjschen Fahrausweisen ist die vor-
läufige Entziehung der Fahrerlaubnis zu vermerken. 1. sich dem Verfahren bereits einmal entzogen hatte
Zu diesem Zweck kann der Fahrausweis beschlag- oder Anstalten zur Flucht getroffen hat,
nahmt werden. 2. im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen
Wohnsitz oder Aufenthalt hat oder
Neunter Abschnitt 3. sich über seine Person nicht ausweisen kann.
Verhaftung und vorläufige Festnahme (3) Die Beschränkungen des Absatzes 2 entfallen,
wenn der Beschuldigte einer Tat verdächtig ist,
§ 112 wegen deren die Unterbringung in einem Arbeits-
(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschul- haus angeordnet werden kann.
digten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend
verdächtig ist und ein Haftgrund (Absätze 2 und 3)
besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie § 114
zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden (1) Die Untersuchungshaft wird durch schriftlichen
Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung Haftbefehl des Richters angeordnet.
außer Verhältnis steht.
(2) In dem Haftbefehl sind anzuführen
(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund be-
stimmter Tatsachen 1. der Beschuldigte,
1. festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist 2. die Tat, deren er dringend verdächtig ist, Zeit und
oder sich verborgen hält, Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale
der strafbaren Handlung und die anzuwendenden
2. bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles, Strafvorschriften,
namentlich der Verhältnisse des Beschuldigten
und der Umstände, die einer Flucht entgegen- 3. der Haftgrund sowie
stehen, die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte 4. die Tatsachen, aus denen sich d 0 r dringende Tat-
sich dem Strafverfahren entziehen werde (Flucht- verdacht und der Haftgrund ergibt, soweit nicht
gefahr), oder dadurch die Staatssicherheit gefährdet wird.
3. die Absicht des Beschuldigten erkennbar ist, (3) Wenn die Anwendung des § 112 Abs. 1 Satz 2
a) Beweismittel zu vernichten, zu verändern, bei- naheliegt oder der Beschuldigte sich auf diese Vor-
seite zu schaffen, zu unterdrücken oder zu fäl- schrift beruft, sind die Gründe dafür anzugeben, daß
schen, sie nicht angewandt wurde.
b) auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachver-·
ständige in unlauterer Weise einzuwirken oder § 114 a
c) andere zu solchem Verhalten zu veranlassen,
(1) Der Haftbefehl ist dem Beschuldigten bei der
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß er die Verhaftung bekanntzugeben. Ist dies nicht möglich,
Ermittlung der Wahrheit erschweren werde (Ver- so ist ihm vorläufig mitzuteilen, welcher Tat er ver-
dunkelungsgefahr). dächtig ist. Die Bekanntgabe des Haftbefehls ist in
(3) Gegen den Beschuldigten, der eines Verbre- diesem Fall unverzüglich nachzuholen.
chens wider die Sittlichkeit nach § 173 Abs. 1, nach (2) Der Beschuldigte erhält eine Abschrift des
den §§ 174, 175 a, 176 oder nach § 177 des Straf-
Haftbefehls.
gesetzbuches dringend verdächtig ist, besteht ein
Haftgrund auch dann, wenn bestimmte Tatsachen
§ 114 b
die Gefahr begründen, da.ß der Beschuldigte vor
rechtskräftiger Aburteilung ein weiteres Verbrechen (1) Von der Verhaftung und jeder weiteren Ent-
der bezeichneten Art begehen werde, und die Haft scheidung über die Fortdauer der Haft wird ein
zur Abwendung der drohenden Gefahr erforderlich Angehöriger des Verhafteten oder eine Person sei-
ist. nes Vertrauens unverzüglich benachrichtigt. Für die
(4) Gegen den Beschuldigten, der eines Ver- Anordnung ist der Richter zuständig.
brechens wider das Leben nach den §§ 211, 212 oder (2) Außerdem ist dem Verhafteten selbst Gele-
220 a Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches dringend genheit zu geben, einen Angehörigen oder eine
verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch an- Person seines Vertrauens von der Verhaftung zu
geordnet werden, wenn ein Iiaftgrund nach Absatz 2 benachrichtigen, sofern der Zweck der Untersuchung
und 3 nicht besteht. dadurch nicht gefährdet wird.
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1389
§ 115 3. die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht
(1) Wird der Beschuldigte auf Grund des Haft- einer bestimmten Person zu verlassen,
befehls ergriffen, so ist er unverzüglich dem zu- 4. die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch
ständigen Richter vorzuführen. den Beschuldigten oder einen anderen.
(2) Der Richter hat den Beschuldigten unverzüg- (2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haft-
lich nach der Vorführung, spälestens am nächsten befehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerecht-
Tage, über den Gegenstand der Beschuldigung zu fertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschnei-
vernehmen. dende Maßnahmen die Erwartung hinreichend be-
(3) Bei der Vernehmung ist der Beschuldigte auf gründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich
die ihn belastenden Umstände und sein Recht hin- vermindern werden. In Betracht kommt namentlich
zuweisen, sich zur Beschuldigung zu äußern oder die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder
nicht zur Sache auszusagen. Ihm ist Gelegenheit zu Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.
geben, die Verdachts- und Haftgründe zu entkräften (3) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haft-
und die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen befehls, der nach § 112 Abs. 3 erlassen worden ist,
Gunsten sprechen. unter der Bedingung aussetzen, daß der Beschuldigte
(4) Wird die Haft aufrechterhalten, so ist der bestimmte Anweisungen befolgt.
Beschuldigte über das Recht der Beschwerde und (4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1
die anderen Rechtsbehelfe (§ 117 Abs. 1, 2, § 118 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn
Abs. 1, 2) zu belehren.
1. der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten
oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
§ 115a
2. der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf
(1) Kann der Beschuldigte nicht spätestens am
ordnungsmäßige Ladung ohne genügende Ent-
Tage nach der Ergreifung vor den zuständigen
schuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise
Richter gestellt werden, so ist er unverzüglich, spä-
zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht
testens am Tage nach der Ergreifung, dem nächsten
gerechtfertigt war, oder
Amtsrichter vorzuführen.
3. neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung
(2) Der Amtsrichter hat den Beschuldigten un-
erforderlich machen.
verzüglich nach der Vorführung, spätestens am
nächsten Tage, zu vernehmen. Bei der Vernehmung
wird, soweit möglich, § 115 Abs. 3 angewandt. Ergibt § 116 a
sich bei der Vernehmung, daß der Haftbefehl auf-
(1) Die Sicherheit ist durch Hinterlegung in barem
gehoben oder der Ergriffene nicht die in dem Haft-
Geld, in Wertpapieren, durch Pfandbestellung oder
befehl bezeichnete Person ist, so ist der Ergriffene
durch Bürgschaft geeigneter Personen zu leisten.
freizulassen. Erhebt dieser sonst gegen den Haft-
befehl oder dessen Vollzug Einwendungen, die nicht (2) Der Richter setzt Höhe und Art der Sicherheit
offensichtlich unbegründet sind, oder hat der Amts- nach freiem Ermessen fest.
richter Bedenken gegen die Aufrechterhaltung der (3) Der Beschuldigte, der die Aussetzung des Voll-
Haft, so teilt er sie dem zuständigen Richter unver- zugs des Haftbefehls gegen Sicherheitsleistung be-
züglich und auf dem nach den Umständen angezeig- antragt und nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes
ten schnellsten Wege mit. wohnt, ist verpflichtet, eine im Bezirk des zustän-
(3) Wird der Beschuldigte nicht freigelassen, so ist digen Gerichts wohnende Person zum Empfang von
er auf sein Verlangen dem zuständigen Richter zur Zustellungen zu bevollmächtigen.
Vernehmung nach § 115 vorzuführen. Der Beschul-
digte ist auf dieses Recht hinzuweisen und gemäß § 117
§ 115 Abs. 4 zu belehren.
(1) Solange der Beschuldigte in Unterschungshaft
§ 116 ist, kann er jederzeit die gerichtliche Prüfung bean-
tragen, ob der Haftbefehl aufzuheben oder dessen
(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbe- Vollzug nach § 116 auszusetzen ist (Haftprüfung).
fehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerecht-
fertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maß- (2) Neben dem Antrag auf Haftprüfung ist die
nahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß Beschwerde unzulässig. Das Recht der Beschwerde
der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie gegen die Entscheidung, die auf den Antrag ergeht,
erreicht werden kann. In Betracht kommen nament- wird dadurch nicht berührt.
lich (3) Der Richter kann einzelne Ermittlungen an-
1. die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei ordnen, die für die künftige Entscheidung über die
dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft von Be-
einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu deutung sind, und nach Durchführung dieser Ermitt-
melden, lungen eine neue Prüfung vornehmen.
2. die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort (4) Hat der Beschuldigte noch keinen Verteidiger,
oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaub- so wird ihm ein Verteidiger für die Dauer der Unter-
nis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde suchungshaft bestellt, wenn deren Vollzug min-
zu verlassen, destens drei Monate gedauert hat und die Staats-
1390 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
anwaltschaft oder der Beschuldigte oder sein gesetz- § 118b
licher Vertreter es beantragt. über das Antragsrecht
Für den Antrag auf Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) und
ist der Beschuldigte zu belehren. Die §§ 142, 143 und
den Antrag auf mündliche Verhandlung gelten die
145 gelten entsprechend.
§§ 297 bis 300 und 302 Abs. 2 entsprechend.
(5) Hat die Untersuchungshaft drei Monate gedau-
ert, ohne daß der Beschuldigte die Haftprüfung
beantragt oder Haftbeschwerde eingelegt hat, so § 119
findet die Haftprüfung von Amts wegen statt, es sei (1) Der Verhaftete darf nicht mit anderen Gefan-
denn, daß der Beschuldigte einen Verteidiger hat. genen in demselben Raum untergebracht werden.
Er ist auch sonst von Strafgefangenen, soweit mög-
§ 118 lich, getrennt zu halten.
(1) Bei der Haftprüfung wird auf Antrag des Be- (2) Mit anderen Untersuchungsgefangenen darf
schuldigten oder nach dem Ermessen des Gerichts er in demselben Raum untergebracht werden, wenn
von Amts wegen nach mündlicher Verhandlung er es ausdrücklich schriftlich beantragt. Der Antrag
entschieden. kann jederzeit in gleicher Weise zurückgenommen
werden. Der Verhaftete darf auch dann mit anderen
(2) Ist gegen den Haftbefehl Beschwerde eingelegt,
Gefangenen in demselben Raum untergebracht wer-
so kann auch im Beschwerdeverfahren auf Antrag
den, wenn sein körperlicher oder geistiger Zustand
des Beschuldigten oder von Amts. wegen nach münd- es erfordert.
licher Verhandlung entschieden werden.
(3) Dem Verhafteten dürfen nur solche Beschrän-
(3) Ist die Untersuchungshaft nach mündlicher
kungen auferlegt werden, die der Zweck der Unter-
Verhandlung aufrechterhalten worden, so hat der suchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugs-
Beschuldigte einen Anspruch auf eine weitere münd-
anstalt erfordert.
liche Verhandlung nur, wenn die Untersuc~mngshaft
mindestens drei Monate und seit der letzten münd- (4) Bequemlichkeiten und Beschäftigungen darf er
lichen Verhandlung mindestens zwei Monate ge- sich auf seine Kosten verschaffen, soweit sie mit dem
dauert hat. Zweck der Haft vereinbar sind und nicht die Ord-
nung in der Vollzugsanstalt stören.
(4) Ein Anspruch auf mündliche Verhandlung
besteht nicht, solange die Hauptverhandlung an- (5) Der Verhaftete darf gefesselt werden, wenn
dauert oder wenn ein Urteil ergangen ist, das auf 1. die Gefahr besteht, daß er Gewalt gegen Personen
eine Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende oder Sachen anwendet, oder wenn er Widerstand
Maßregel der Sicherung und Besserung erkennt. leistet,
(5) Die mündliche Verhandlung ist unverzüglich 2. er zu fliehen versucht oder wenn bei Würdigung
durchzuführen; sie darf ohne Zustimmung des Be- der Umstände des Einzelfalles, namentlich der
schuldigten nicht über zwei Wochen nach dem Ein- Verhältnisse des Beschuldigten und der Umstände,
gang des Antrags anberaumt werden. die einer Flucht entgegenstehen, die Gefahr
besteht, daß er sich aus dem Gewahrsam befreien
wird,
§ 118 a
3. die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbst-
(1) Von Ort und Zeit der mündlichen Verhand- ' beschädigung besteht
lung sind die Staatsanwaltschaft sowie der Beschul-
digte und der Verteidiger zu benachrichtigen. und wenn die Gefahr durch keine andere, weniger
einschneidende Maßnahme abgewendet werden
(2) Der Beschuldigte ist zu der Verhandlung vor- kann. Bei der Hauptverhandlung soll er ungefesselt
zuführen, es sei denn, daß er auf die Anwesenheit sein.
in der Verhandlung verzichtet hat oder daß der
Vorführung weite Entfernung oder Krankheit des (6) Die nach diesen Vorschriften erforderlichen
Beschuldigten oder andere nicht zu beseitigende Maßnahmen ordnet der Richter an. In dringenden
Hindernisse entgegenstehen. Wird der Beschuldigte Fällen kann der Staatsanwalt, der Anstaltsleiter
zur mündlichen Verhandlung nicht vorgeführt, so oder ein anderer Beamter, unter dessen Aufsicht
muß ein Verteidiger seine Rechte in der Verhand- der Verhaftete steht, vorläufige Maßnahmen treffen.
lung wahrnehmen. In diesem Falle ist ihm für die Sie bedürfen der Genehmigung des Richters.
mündliche Verhandlung ein Verteidiger zu bestellen,
wenn er noch keinen Verteidiger hat. Die §§ 142, 143
§ 120
und 145 gelten entsprechend.
(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Vor-
(3) In der mündlichen Verhandlung sind die an-
aussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr
wesenden Beteiligten zu hören. Art und Umfang
vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Unter-
der Beweisaufnahme bestimmt das Gericht. über die
suchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu
Verhandlung ist eine Niederschrift aufzunehmen;
erwartenden . Strafe oder Maßregel der Sicherung
die §§ 271 bis 273 gelten entsprechend.
und Besserung außer Verhältnis stehen würde. Er
(4) Die Entscheidung ist am Schluß der mündlichen ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte
Verhandlung zu verkünden. Ist dies nicht möglich, freigesprnchen oder außer Verfolgung gesetzt wird
so ist die Entscheidung spätestens binnen einer oder wenn das Verfahren nicht bloß vorläufig ein-
Woche zu erlassen. gestellt wird.
1432 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
kann das Gericht dem Anzeigenden, nachdem er oder wird das Verfahren eingestellt, so sind auf den
gehört worden ist, die der Staatskasse und dem Antragsteller die Vorschriften des § 471 Abs. 2 bis 5
Beschuldigten erwachsenen Kosten auferlegen. entsprechend anzuwenden. Das Gericht kann jedoch
(2) War noch kein Gericht mit der Sache befaßt, so den Antragsteller von der Tragung der Kosten ganz
ergeht die Entscheidung auf Antrag der Staats- oder teilweise befreien.
anwaltschaft durch das Gericht, das für die Eröff- (2) Der Antragsteller ist zu hören, bevor eine Ent
nung des Hauptverfahrens zuständig gewesen wäre. scheidung zu seinem Nachteil ergeht.
(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Be-
schwerde statt. § 472a
§ 470 (1) Soweit dem Antrag auf Zuerkennung eines aus
Wird das Verfahren wegen Zurücknahme des An- der Straftat erwachsenen Anspruchs oder einer
trags, durch den es bedingt war, eingestellt, so hat Buße stattgegeben wird, hat der Angeklagte auch
der Antragsteller die Kosten sowie die dem Be- die dadurch entstandenen besonderen Kosten und
schuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen zu die notwendigen Auslagen des Verletzten zu tragen.
tragen. Sie können dem Angeklagten auferlegt wer- (2) Sieht das Gericht von der Entscheidung über
den, soweit er sich zur Ubernahme bereit erklärt, den Antrag ab, wird ein Teil des Anspruchs dem
der Staatskasse, soweit es unbillig wäre, die Betei- Verletzten nicht zuerkannt, wird die Zuerkennung
ligten damit zu belasten. einer Buße abgelehnt oder nimmt der Verletzte den
Antrag zurück, so entscheidet das Gericht nach
§ 471
pflichtgemäßem Ermessen, wer die insoweit ent-
(1) In einem Verfahren auf erhobene Privatklage standenen gerichtlichen Auslagen ·und die insoweit
hat der Verurteilte auch die dem Privatkläger er- den Beteiligten erwachsenen notwendigen Auslagen
wachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten trägt. Die gerichtlichen Auslagen können der Staats-
kasse auferlegt werden, soweit es uhbillig wäre, die
(2) Wird der Beschuldigte außer Verfolgung ge-
setzt oder freigesprochen oder wird das Verfahren Beteiligten damit zu belasten.
eingestellt, so fallen dem Privatkläger die Kosten
des Verfahrens sowie die dem Beschuldigten er- § 473
wachsenen notwendigen Auslagen zur Last. (1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder er-
(3) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens folglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es
und die notwendigen Auslagen der Beteiligten an- eingelegt hat. War das Rechtsmittel von der Staats-
gemessen verteilen oder nach pflichtgemäßem Er- anwaltschaft eingelegt, so können die dem Beschul-
messen einem der Beteiligten auferlegen, wenn digten erwachsenen notwendigen Auslagen der
1. es den Anträgen des Privatklägers nur zum Teil Staatskasse auferlegt werden. Hatte das Rechtsmit-
entsprochen hat; tel teilweise Erfolg, so kann das Gericht die Gebühr
ermäßigen und die entstandenen Auslagen ange-
2. es das Verfahren nach § 383 Abs. 2 (§ 390 Abs. 5) messen verteilen.
wegen Geringfügigkeit eingestellt hat;
3. Widerklage erhoben worden ist. (2) Dasselbe gilt von den Kosten, die durch einen
Antrag auf Wiederaufnahme des durch ein rechts-
(4) Mehrere Privatkläger haften als Gesamt- kräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens ver-
schuldner. Das gleiche gilt hinsichtlich der Haftung ursacht worden sind.
mehrerer Beschuldigter für die dem Privatkläger er-
wachsenen notwendigen Auslagen. (3) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vori-
gen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit
(5) Die zu erstattenden Auslagen umfassen auch sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch
die Entschädigung für die durch notwendige Reisen des Gegners entstanden sind.
oder durch die notwendige Wahrnehmung von Ter-
minen entstandene Zeitversäumnis; die für die Ent- § 474
schädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind
entsprechend anzuwenden. Hat sich der Gegner der In den zur Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes
erstattungspflichtigen Partei eines Rechtsanwalts im ersten Rechtszug gehörenden Sachen sind die von
bedient, so sind die Gebühren und Auslagen des der Staatskasse zu tragenden Kosten der Bundes-
Anwalts insoweit einbegriffen, als solche nach der kasse aufzuerlegen.
Bestimmung des § 91 der Zivilprozeßordnung die § 474a
unterliegende Partei der obsiegenden zu erstatten Wird nach einem Urteil gegen einen Abwesenden
hat. die Hauptverhandlung erneuert (§ 282 c), so können
§ 472
ihm die Kosten der früheren Hauptverhandlung in
(1) Wird im Falle des § 175 der Angeschul- dem neuen Urteil auch dann auferlegt werden, wenn
digte außer Verfolgung gesetzt oder freigesprochen er freigesprochen wird.
1392 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
(2) Nach Erhebung der öffentlichen Klage erläßt (3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn
den Haftbefehl das Gericht, das mit der Sache befaßt die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbrin-
ist, und, wenn Revision eingelegt ist, das Gericht, gung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im
dessen Urteil angefochten ist. In dringenden Fällen Urteil die Unterbringung in einer Heil- oder Pflege-
kann auch der Vorsitzernfo den Haftbefehl erlassen. anstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines
(3) In der Voruntersuchung erllißt der Unter- Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten
suchungsrichter den Haftbefehl. Er bleibt c:1.uch nach werden. § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.
dem Schluß der Voruntersuchung zuständig, bis die
StaatsanwaHschafL die Akten mit ihrem Antrag dem § 127
Gericht vorlegt.
(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder
§ 126
verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist
(1) Vor Erhebung dl~r öffentlichen Klage ist für die oder seine Persönlichkeit nicht sofort festgestellt
weiteren richterlichen Entscheidungen und Maßnah- werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne rich-
men, die sich auf die Untersuchungshaft oder auf die terlichen Befehl vorläufig festzunehmen.
Aussetzung des Haftvollzugs (§ 116) beziehen, der
Amtsrichter zuständig, der den Haftbefehl erlassen (2) Die Staatsanwaltschaft und die Polizeibeamten
sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen
hat. Hat das Beschwerdegericht den Haftbefehl er-
lassen, so isl der Amtsrichter zuständig, der die vor- Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines
angegangene Entscheidung erlassen hat. Wird das Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vor-
li~gen.
vorbereitende Verfahren an einem anderen Ort ge-
führt oder die Untersuchungshaft an f~inem anderen (3) Bei strafbaren Handlungen, deren Verfolgung
Ort vollzog(m, so kann der Richter, sofern die Staats- nur auf Antrag eintritt, ist die vorläufige Festnahme
anwaltschaft es beantragt, die Zuständigkeit dem von der Stellung eines solchen Antrags nicht ab-
Amtsrichter dieses Ortes übertragen. Ist der Ort in hängig.
mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so bestimmt die
Landesregierung durch Rechtsverordnung das zu- § 128
ständige Amtsgericht. Die~ Landesregierung kann
diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung (1) Der Festgenommene ist, sofern er nicht wieder
übertragen. in Freiheit gesetzt wird, unverzüglich, spätestens
am Tage nach der Festnahme, dem Amtsrichter des
(2) Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das Bezirks, in dem er festgenommen worden ist, vor-
Gericht zuständig, das mit der Sache befaßt ist. Nach zuführen. Der Amtsrichter vernimmt den Vorgeführ-
Einlegung der Revision ist das Gericht zuständig, ten gemäß § 115 Abs. 3.
dessen Urteil angefochten ist. Einzelne Maßnahmen,
insbesondere nach § 119, ordnet der Vorsitzende an. (2) Hält der Amtsrichter die Festnahme nicht für
In dringenden Fällen kann er auch den Haftbefehl gerechtfertigt oder ihre Gründe für beseitigt, so
aufheben oder den Vollzug aussetzen (§ 116), wenn ordnet er die Freilassung an. Andernfalls erläßt er
die Staatsanwaltschaft zustimmt; andernfalls ist un- einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl.
verzüglich die Entscheidung des Gerichts herbeizu- § 115 Abs. 4 gilt entsprechend.
führen.
(3) Das Revisionsgericht kann den Haftbefehl auf- § 129
heben, wenn es das angefochtene Urteil aufhebt und
Ist gegen den Festgenommenen bereits die öffent-
sich bei dieser Entscheidung ohne weiteres ergibt,
liche Klage erhoben, so ist er entweder sofort oder
daß die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 vorliegen.
auf Verfügung des Amtsrichters, dem er zunächst
(4) In der Voruntersuchung ist der Untersuchungs- vorgeführt worden ist, dem zuständigen Gericht
richter zusüindig. § 125 Abs. 3 Satz 2 gilt ent- oder dem Untersuchungsrichter vorzuführen; diese
sprechend. haben spätestens am Tage nach der Festnahme über
(5) Die §§ 121 und 122 bleiben unberührt. Freilassung, Verhaftung oder einstweilige Unter-
bringung des Festgenommenen zu entscheiden.
§ 126 a
(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vor- § 130
handen, daß jemand eine mit Strafe bedrohte Hand-
Wird wegen Verdachts einer strafbaren Hand-
lung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit oder
lung, die nur auf Antrag verfolgt wird, ein Haft-
der verminderten Zurechnungsfähigkeit begangen
befehl erlassen, bevor der Antrag gestellt ist, so ist
hat und daß seine Unterbringung in einer Heil- oder
der Antragsberechtigte, von mehreren wenigstens
Pflegeanstalt angeordnet werden wird, so kann das
einer, sofort von dem Erlaß des Haftbefehls in
Gericht durch Unterbringungsbefehl seine einst-
Kenntnis zu setzen. § 120 Abs. 3 ist anzuwenden.
weilige Unterbringung anordnen, wenn die öffent-
liche Sicherheit es erfordert.
§ 131
(2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die
§§ 114 bis 115 a, 117 bis 119, 125 und 126 entspre- (1) Auf Grund eines Haftbefehls oder eines Un-
chend. Hat der Unterzubringende einen gesetzlichen terbringungsbefehls können die Staatsanwaltschaft
Vertreter, so ist der Beschluß auch diesem bekannt- oder der Richter einen Steckbrief erlassen, wenn der
zugeben. Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält.
Nr. 54 -- Tog der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1393
(2) Ohn(: H,dl.- oder Untcrbringungsbcfebl ist eine § 136 a
steckbriefliche V crlolgung nur zulässig, wenn ein
(1) Die Freiheit der Willensentschließung und der
Festgenommener entweicht oder sich sonst der Be-
Willensbetätigung des Beschuldigten darf nicht be-
wachung entzieht. In diesen Fällen kann auch die
einträchtigt werden durch Mißhandlung, durch Er-
Polizeibehörde r!in(:n Steckbrief erlassen.
müdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verab-
(3) In dem Steckbrief ist der Verfolgte zu be- reichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung
zeichnen und soweit möglich zu beschreiben. Die oder durch Hypnose. Zwang darf nur angewandt
Tat, denm er verdächtig ist, sowie Ort und Zeit werden, soweit das Strafverfahrensrecht dies zuläßt.
ihrer Begehung sind anzugeben. Die Drohung mit einer nach seinen Vorschriften un-
(4) Die §§ 115 und 115 a gellen entsprechend. zulässigen Maßnahme und das Versprechen eines
gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils sind verboten.
(2) Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder
§ 132
die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten beeinträch-
(weggefallen) tigen, sind nicht gestattet.
(3) Das Verbot der Absätze 1 und 2 gilt ohne Rück-
sicht auf die Einwilligung des Beschuldigten. Aus-
Zehnter Abschnitt sagen, die unter Verletzung dieses Verbots zustande
Vernehmung des Beschuldigten gekommen sind, dürfen auch dann nicht verwertet
werden, wenn der Beschuldigte der Verwertung zu-
stimmt.
§ 133
(1) Der Beschuldigte ist zur Vernehmung schrift-
lich zu laden. Elfter Abschnitt
(2) Die Ladung kann unter der Androhung ge- Verteidigung
schehen, daß im Falle des Ausbleibens seine Vor-
führung erfolgen werde. § 137
(1) Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des
§ 134 Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers be-
dienen;
(1) Die sofortige Vorführung des Beschuldigten
kann verfügt werden, wenn Gründe vorliegen, die (2) Hat der Beschuldigte einen gesetzlichen Ver-
den Erlaß eines Haftbefehls rechtfertigen würden. treter, so kann auch dieser selbständig einen Vertei-
diger wählen.
(2) In dem Vorführungsbefehl ist der Beschuldigte
genau zu bezeichnen und die ihm zur Last gelegte § 138
strafbare Handlung sowie der Grund der Vorführung
anzugeben. (1) Zu Verteidigern können die bei einem deut-
schen Gericht zugelassenen Rechtsanwälte sowie die
§ 135 Rechtslehrer an deutschen Hochschulen gewählt
, werden.
Der Vorgeführte ist sofort von dem Richter zu
vernehmen. Ist dies nicht ausführbar, so kann er bis (2) Andere Personen können nur mit Genehmi-
zu seiner Vernehmung, jedoch nicht über den nächst- gung des Gerichts und, wenn der Fall einer notwen-
folgenden Tag hinaus, festgehalten werden. digen Verteidigung vorliegt und der Gewählte nicht
zu den Personen gehört, die zu Verteidigern bestellt
werden dürfen, nur in Gemeinschaft mit einer solchen
§ 136
als Wahlverteidiger zugelassen werden.
(1) Bei Beginn der ersten Vernehmung ist dem
Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last
§ 139
gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht
kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach Der als Verteidiger gewählte Rechtsanwalt kann
dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu mit Zustimmung des Angeklagten die Verteidigung
äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jeder- einem Rechtskundigen, der die erste Prüfung für den
zeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von Justizdienst bestanden hat und darin seit mindestens
ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. In einem Jahr und drei Monaten beschäftigt ist, über-
geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch dar- tragen.
auf hingewiesen werden, daß er sich schriftlich
äußern kann. § 140
(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Ge- (1) Die Mitwirkung eines Verteidigers ist notwen-
legenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Ver- dig, wenn
dachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gun- 1. die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor
sten sprechenden Tatsachen geltend zu machen. dem Bundesgerichtshof, dem Oberlandesgericht
(3) Bei der ersten Vernehmung des Beschuldigten oder dem Landgericht stattfindet;
ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen 2. eine Tat in Frage kommt, die nicht nur wegen
Verhältnisse Bedacht zu nehmen. Rückfalls ein Verbrechen ist;
1394 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
3. das Verfahren zur Unterbringung in einer Heil- (2) In den Fällen des § 140 Abs. 1 Nr. 2, 4, 5 und
oder Pflegeanstalt oder zur Untersagung der Be- 7 sowie des§ 140 Abs. 2 können auch Rechtskundige,
rufsausübung führen kann; welche die vorgeschriebene erste Prüfung für den
4. der Beschuldigte taub oder stumm ist; Justizdienst bestanden haben und darin seit min-
5. der Beschuldigte sich mindestens drei Monate in destens einem Jahr und drei Monaten beschäftigt
derselben oder in einer anderen Sache in Unter- sind, für den ersten Rechtszug als Verteidiger
suchungshaft oder auf Grund behördlicher Anord- bestellt werden, jedoch nicht bei dem Gericht, dessen
nung in einer Heil- oder Pflegeanstalt befunden Richter sie zur Ausbildung überwiesen sind.
hat und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn
der Hauptverhandlung aus der Untersuchungshaft
oder der Heil- oder Pflegeanstalt entlassen wird; § 143
6. zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Gei- Die Bestellung ist zurückzunehmen, wenn dem-
steszuslimd des Beschuldigten seine Unterbrin- nächst ein anderer Verteidiger gewählt wird und
gung in einer öffentlichen Heil- oder Pflegeanstalt dieser die Wahl annimmt.
in Frage kommt;
7. die Hauptverhandlung gegen einen Abwesenden
stattfindet {§ 277). § 144
(2) In anderen Fällen bestellt der Vorsitzende auf (weggefallen)
Antrag oder von Amts wegen einen Verteidiger,
wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der
Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwir- § 145
kunn eines Verteidigers geboten erscheint oder (1) Wenn in einem Falle, in dem die Verteidigung
wenn ersichtlich ist, daß sich der Beschuldigte nicht notwendig ist, der Verteidiger in der Hauptverhand-
selbst verteidigen kann. lung ausbleibt, sich unzeitig entfernt oder sich wei-
(3) Die Bestellung eines Verteidigers nach Ab- gert, die Verteidigung zu führen, so hat der Vorsit-
satz 1 Nr. 5 ist aufzuheben, wenn der Beschuldigte zende dem Angeklagten sogleich einen anderen Ver-
mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptver- teidiger zu bestellen. Das Gericht kann jedoch auch
handlung aus der Untersuchungshaft oder der Heil- eine Aussetzung der Verhandlung beschließen.
oder Pflegeanstalt entlassen wird. Die Bestellung des (2) Wird der notwendige Verteidiger gemäß § 141
Verteidigc~rs nach § 117 Abs. 4 bleibt unter den in Abs. 2 erst im Laufe der Hauptverhandlung bestellt,
Absatz 1 Nr. 5 bezeichneten Voraussetzungen für das so kann das Gericht eine Aussetzung der Verhand-
weitem Verfahren wirksam, wenn nicht ein anderer lung beschließen.
Verteidiger bestelll wird.
(3) Erklärt der neu bestellte Verteidiger, daß ihm
die zur Vorbereitung der Verteidigung erforderliche
§ 141
Zeit nicht verbleiben würde, so ist die Verhandlung
(1) In den Fällen des § 140 Abs. 1 und 2 wird dem zu unterbrechen oder auszusetzen.
Angeschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat,
(4) Wird durch die Schuld des Verteidigers eine
ein Verteidiger bestellt, sobald er gemäß § 201 zur
Aussetzung erforderlich, so sind ihm die hierdurch
Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert wor-
den ist. verursachten Kosten aufzuerlegen.
(2) Ergihl sich erst später, daß ein Verteidiger not-
wendig ist, so wird er sofort bestellt. § 145a
(3) Der Verteidiger kann auch schon während des (1) Der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht
Vorverfahrens bestellt werden. Nach dem Abschluß sich bei den Akten befindet, sowie der bestellte Ver-
der Ermittlungen {§ 169 a Abs. 1) ist er auf Antrag teidiger gelten als ermächtigt, Zustellungen für den
der Staa tsanwalt.schaft zu bestellen. Die Staatsan- Beschuldigten in Empfang zu nehmen.
waltschaft soll diesen Antrag stellen, falls die Ge-
währung des Schlußgehörs in Betracht kommt und (2) Die Ermächtigung nach Absatz 1 gilt nicht,
nach ihrer Auffassung in dem gerichtlichen Verfah- wenn das Gesetz die Zustellung an den Beschuldig-
ren die Verteidigung nach § 140 Abs. 1 notwendig ten durch Ubergabe vorschreibt (§ 232 Abs. 4).
sein wird. Der Abschluß der Ermittlungen soll in (3) Eine Ladung des Beschuldigten darf an den
diesem Falle auch dem Beschuldigten erst nach der Verteidiger nur zugestellt werden, wenn er in einer
Bestellung des Verteidigers mitgeteilt werden bei den Akten befindlichen Vollmacht ausdrücklich
(§ 169 a Abs. 2). zur Empfangnahme von Ladungen ermächtigt ist.
(4) Uber die Bestellung entscheidet de1 Vorsit- § 116 a Abs. 3 bleibt unberührt.
zende des Gerichts, das für das Hauptverfahren zu- (4) Wird eine Entscheidung dem Verteidiger nach
ständig oder bei dem das Verfahren anhängig ist. Absatz 1 zugestellt, so wird der Beschuldigte hiervon
unterrichtet; zugleich erhält er formlos eine Abschrift
§ 142
der Entscheidung. Wird ~ine Entscheidung dem
(1) Der zu bestellende Verteidiger wird durch den Beschuldigten zugestellt, so wird der Verteidiger
Vorsitzenden des Gerichts möglichst aus der Zahl hiervon zugleich unterrichtet, auch wenn eine schrift-
der bei einem Gericht des Gerichtsbezirks zugelasse- liche Vollmacht bei den Akten nicht vorliegt; dabei
nen Rechtsanwälte ausgewählt. erhält er formlos eine Abschrift der Entscheidung.
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1395
§ 146 (2) Dasselbe gilt von dem gesetzlichen Vertreter
(1) Die Verteidigung mehrerer Beschuldigter kann, eines Angeklagten.
sofern dies der Aufgabe der Verteidigung nicht (3) Im Vorverfahren unterliegt die Zulassung sol-
widerstreitet, durch einen gemeinschaftlichen Ver- cher Beistände dem richterlichen Ermessen.
teidiger geführt werden.
(2) Ist in einem Fall, in dem ein Verteidiger die § 150
Verteidigung mehrerer Beschuldigter führt, eine Zu-
stellung von Schriftstücken an den Verteidiger vor- (weggefallen)
zunehmen, so bedarf es auch in Angelegenheiten, die
alle oder mehrere der Beschuldigten betreffen, nur
einer Zustellung. Eine der Zahl der Beschuldigten
entsprechende Anzahl der Schriftstücke soll der Zu- Zweites Buch
stellung beigefügt oder formlos mitgeteilt werden. Verfahren im ersten Rechtszug
§ 147 Erster Abschnitt
(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Uffentliche Klage
Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung
der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie § 151
amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen. Die Eröffnung einer gerichtlichen Untersuchung ist
(2) Ist der Abschluß der Ermittlungen noch nicht durch die Erhebung einer Klage bedingt.
in den Akten vermerkt, so kann dem Verteidiger die
Einsicht in die Akten oder einzelne Aktenstücke so-
§ 152
wie die Besichtigung der amtlich verwahrten Beweis-
stücke versagt werden, wenn sie den Untersuchungs- (1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die
zweck gefährden kann. Staatsanwaltschaft berufen.
(3) Die Einsicht in die Niederschriften über die (2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes
Vernehmung des Beschuldigten und über solche bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller gerichtlich
richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen strafbaren und verfolgbaren Handlungen einzuschrei-
dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte
ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie in die vorliegen.
Gutachten von Sachverständigen darf dem Verteidi-
§ 152 a
ger in keiner Lage des Verfahrens versagt werden.
Landesgesetzliche Vorschriften über die Voraus-
(4) Auf Antrag sollen dem Verteidiger, soweit setzungen, unter denen gegen Mitglieder eines
nicht wichtige Gründe entgegenstehen, die Akten Organs der Gesetzgebung eine Strafverfolgung ein-
mit Ausnahme der Beweisstücke zur Einsichtnahme geleitet oder fortgesetzt werden kann, sind auch für
in seine Geschäftsräume oder in seine Wohnung mit- die anderen Länder der Bundesrepublik Deutschland
gegeben werden. Die Entscheidung ist nicht anfecht- und den Bund wirksam.
bar.
(5) Uber die Gewährung der Akteneinsicht ent- § 153
scheidet vor Einreichung der Anklageschrift die
(1) Ubertretungen werden nicht verfolgt, wenn die
Staatsanwaltschaft, während der Voruntersuchung
Schuld des Täters gering ist, es sei denn, daß ein
der Untersuchungsrichter, im übrigen der Vorsit-
öffentliches Interesse an der Herbeiführung einer
zende des mit der Sache befaßten Gerichts.
gerichtlichen Entscheidung besteht.
(6) Ist eine Anordnung nach Absatz 2 nicht vorher
(2) Ist bei einem Vergehen die Schuld des Täters
entfallen, so hebt die Staatsanwaltschaft sie spä-
gering und besteht kein öffentliches Interesse an der
testens mit dem Abschluß der Ermittlungen, der
Verfolgung, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zu-
Untersuchungsrichter spätestens mit dem Schluß der
stimmung des zur Entscheidung über die Eröffnung
Voruntersuchung auf.
des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts das Ver-
fahren einstellen.
§ 148 (3) Ist die Klage. bereits erhoben, so kann das
Dem Beschuldigten ist, auch wenn er sich nicht auf Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft nach
freiem Fuß befindet, schriftlicher und mündlicher Anhörung des Angeschuldigten das Verfahren in
Verkehr mit dem Verteidiger gestattet. jeder Lage einstellen; der Beschluß kann nicht ange-
fochten werden.
§ 149 § 153a
(1) Der Ehegatte eines Angeklagten ist in der (1) Liegen die Voraussetzungen vor, unter denen
Hauptverhandlung als Beistand zuzulassen und auf das Gericht von Strafe absehen könnte, so kann die
sein Verlangen zu hören. Zeit und Ort der Haupt- Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts,
verhandlung sollen ihm rechtzeitig mitgeteilt wer- das für die Hauptverhandlung zuständig wäre, von
den. der Erhebung der öffentlichen Klage absehen.
1396 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
(2) Ist diP Klage bereits erhoben, so kann das regel der Sicherung und Besserung, zu der die Ver-
Gericht bis zum Beginn dc)r Hauptverhandlung mit folgung führen kann, neben einer Strafe oder Maß-
Zustimmung der Staatsanwdll.schaft und des An- regel der Sicherung und Besseruny, die gegen den
geschuldigten das Verführen einstellen. Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig
verhängt worden ist oder die er wegen einer ande-
ren Tat zu erwarten hat, nicht ins Gewicht fällt.
§ 153 b
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so
Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft
einer Tat absehen, das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
1. die ein deutscher Staatsangehöriger im Ausland
begangen hat, (3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine we-
gen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannte
2. die ein Ausländer im Ausland oder die er im Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung
Inland auf einem ausländischen Schiff oder Luft- vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht
fahrzlmg begangen hat, inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder auf-
3. wenn wegen der Tat im Ausland schon eine genommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte
Strafe gegen den Beschuldigten vollstreckt wor- Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung
den ist und die im Inland zu erwartende Strafe nachträglich wegfällt.
nach Anrechnung der ausländischen nicht ins Ge-
wicht fiele. (4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen
einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maß-
§ 153 C regel der Sicherung und Besserung vorläufig ein-
gestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen
(1) Hat das Verfahren Straftaten
Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten
1. der Staatsgefährdung nach den §§ 90 bis 93 des nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat er-
Stra.fgesetzbuch(~s. gehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
2. des Landesverrats nach den §§ 100 bis 100 e des
Strafgesetzbuches, (5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig ein-
gestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines
3. gegen diP Landesverteidigung nach den §§ 109f, Gerichtsbeschlusses.
109 g des Strafgesetzbuches,
4. der Beteiligung an verbotenen Vereinigungen,
die politische Zwecke verfolgen, nach den §§ 128, § 154a
129 des Strafgesetzbuches oder § 20 Abs. 1 Nr. 1 (1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat
des Vereinsgesetzes oder oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen,
die durch eine und dieselbe Handlung begangen
5. der Nichtanzeige eines Landesverrats nach § 138
worden sind, für die zu erwartende Strafe oder
des Strafgesetzbuches
Maßregel der Sicherung und Besserung nicht ins
zum Gegenstand, so kann der Generalbundesanwalt Gewicht, so kann die Staatsanwaltschaft die Ver-
mit Zustimmung des Bundesgerichtshofes von der folgung auf die übrigen Teile der Tat oder die
Erhebung der öffentlichen Klage wegen einer sol- übrigen Gesetzesverletzungen beschränken. Die Be-
chen Tat absehen, wenn der Täter nach der Tat, be- schränkung ist aktenkundig zu machen.
vor ihm deren Entdeckung bekannt geworden ist,
dazu beigetragen hat, eine Gefahr für die Sicherheit (2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das
der Bundesrepublik Deutschland oder die verfas- Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustim-
sungsmäßige Ordnung abzuwenden. Dasselbe gilt, mung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vor-
wenn der Täter einen solchen Beitrag dadurch ge- nehmen.
leistet hat, daß er nach der Tat sein mit ihr zusam-
(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens
menhängendes Wissen über landesverräterische
ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesver-
oder staatsgefährdende Bestrebungen offenbart hat.
letzungen in das Verfahren wieder einbeziep.en.
(2) Für die in Absatz 1 Nr. 2, 3 und 5 bezeichneten Einern Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbezie-
Straftaten gilt dasselbe, soweit die Durchführung hung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene
des Verfahrens über die in der Tat selbst liegende Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265
Gefährdung hinaus die Sicherheit der Bundesrepu- Abs. 4 entsprechend anzuwenden.
blik Deutschland beeinträchtigen würde.
(4) Während der Voruntersuchung stehen die in
(3) Ist die Klage bereits erhoben, so kann der den Absätzen 2 und 3 bezeichneten Befugnisse dem
Bundesgerichtshof mit Zustimmung des General- Untersuchungsrichter zu.
bundesanwalts das Verfahren unter den in den Ab-
sätzen 1 oder 2 bezeichneten Voraussetzungen ein-
stellen. § 154 b
(1) Von der Erhebung der öffentlichen Klage kann
§ 154
abgesehen werden, wenn der Beschuldigte wegen
(1) Von der Erhebung der öffentlichen Klage kann der Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert
abgesehen werden, wenn die Strafe oder die Maß- wird.
Nr.54 -Tag der Ausgabe: Bonn, den 25.September 1965 1397
(2) Dasselbe gilt, wenn er wegen einer anderen Zweiter Abschnitt
Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert wird Vorbereitung der öffentlichen Klage
und die Strafe oder die Maßregel der Sicherung und
Besserung, zu der die inländische Verfolgung führen § 158
kann, neben der Strafe oder der Maßregel der
Sicherung und Besserung, die gegen ihn im Ausland (1) Anzeigen strafbarer Handlungen oder Anträge
rechtskräftig verhängt worden ist oder die er im auf Strafverfolgung können bei der Staatsanwalt-
Ausland zu erwarten hat, nicht ins Gewicht fällt. schaft, den Behörden und Beamten des Polizei-
dienstes und den Amtsgerichten mündlich oder
(3) Von der Erhebung der öffentlichen Klage kann schriftlich angebracht werden. Die mündliche An-
auch abgesehen werden, wenn der Beschuldigte aus zeige ist zu beurkunden.
dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes aus-
gewiesen wird. (2) Bei strafbaren Handlungen, deren Verfolgung
nur auf Antrag eintritt, muß der Antrag bei einem
(4) Ist in den Fällen der Absätze 1 bis 3 die öffent- Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich oder
liche Klage bereits erhoben, so stellt das Gericht auf zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich
Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren vor- angebracht werden.
läufig ein. § 154 Abs. 3 bis 5 gilt mit der Maßgabe
§ 159
entsprechend, daß die Frist in Absatz 4 ein Jahr
beträgt. (1) Sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß
jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist,
§ 154c oder wird der Leichnam eines Unbekannten ge-
Ist eine Nötigung oder Erpressung durch die funden, so sind die Polizei- und Gemeindebehörden
Drohung begangen worden, eine Straftat zu offen- zur sofortigen Anzeige an die Staatsanwaltschaft
baren, so kann die Staatsanwaltschaft von der Ver- oder an den Amtsrichter verpflichtet.
folgung der Tat, deren Offenbarung angedroht (2) Zur Bestattung ist die schriftliche Genehmi-
worden ist, absehen, wenn nicht wegen der Schwere gung der Staatsanwaltschaft oder des Amtsrichters
der Tat eine Sühne unerläßlich ist. erforder lieh.
§ 160
§ 154d (1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine An-
Hängt die Erhebung der öffentlichen Klage wegen zeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht
eines Vergehens von der Beurteilung einer Frage einer strafbaren Handlung Kenntnis erhält, hat sie
ab, die nach bürgerlichem Recht oder nach Ver- zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche
waltungsrecht zu beurteilen ist, so kann die Staats- Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.
anwaltschaft zur Austragung der Frage im bürger- (2) Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur
lichen Streitverfahren oder im Verwaltungsstreit- Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienen-
verfahren eine Frist bestimmen. Hiervon ist der den Umstände zu ermitteln und für die Erhebung
Anzeigende zu benachrichtigen. Nach fruchtlosem der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu
Ablauf der Frist kann die Staatsanwaltschaft das besorgen ist.
Verfahren einstellen.
(3) Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen
sich auch auf die Umstände erstrecken, die für die
§ 155 Strafbemessung, die Strafaussetzung zur Bewährung
(1) Die Untersuchung und Entscheidung erstreckt und die Anordnung von Maßregeln der Sicherung
sich nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und und Besserung von Bedeutung sind.
auf die durch die Klage beschuldigten Personen.
§ 161
(2) Innerhalb dieser Grenzen sind die Gerichte zu
Zu dem im vorstehenden Paragraphen bezeich-
einer selbständigen Tätigkeit berechtigt und ver-
pflichtet; insbesondere sind sie bei Anwendung des neten Zweck kann die Staatsanwaltschaft von allen
Strafgesetzes an die gestellten Anträge nicht ge- öffentlichen Behörden Auskunft verlangen und Er-
bunden. mittlungen jeder Art, mit Ausschluß eidlicher Ver-
nehmungen, entweder selbst vornehmen oder durch
§ 156 die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vor-
nehmen lassen. Die Behörden und Beamten des
Die öffentliche Klage kann nach Eröffnung der Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder
Voruntersuchung oder des Hauptverfahrens nicht Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen.
zurückgenommen werden.
§ 162
§ 157 (1) Erachtet die Staatsanwaltschaft die Vornahme
einer richterlichen Untersuchungshandlung für er-
Im Sinne dieses Gesetzes ist
forderlich, so stellt sie ihre Anträge bei dem Amts-
Angeschuldigter der Beschuldigte, gegen den die richter des Bezirks, in dem diese Handlung vorzu-
öffentliche Klage erhoben ist, nehmen ist.
Angeklagter der Beschuldigte oder Angeschuldigte, (2) Der Amtsrichter hat zu prüfen, ob die be-
gegen den die Eröffnung des Hauptverfahrens antragte Handlung nach den Umständen des Falles
beschlossen ist. gesetzlich zulässig ist.
1398 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
§ 163 (2) Der Richter kann, wenn die Beweiserhebung
(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes in einem anderen Amtsbezirk vorzunehmen ist, den
haben strafbare Handlungen zu erforschen und alle Amtsrichter des letzteren um ihre Vornahme er-
keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu suchen.
treffen, um die Verdunkelung der Sache zu ver- § 167
hüten. In den Fällen der §§ 165 und 166 gebührt der
(2) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes Staatsanwaltschaft die weitere Verfügung.
übersenden ihre Verhandlungen ohne Verzug der
Staatsanwaltschaft. Erscheint die schleunige Vor- § 168
nahme richterlicher Untersuchungshandlungen er- Die Beurkundung der von dem Amtsrichter vor-
forderlich, so kann die Ubersendung unmittelbar an zunehmenden Untersuchungshandlungen und die
den Amtsrichter erfolgen. Zuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäfts-
stelle oder eines sonstigen Protokollführers erfolgt
§ 163a nach den für die Voruntersuchung geltenden Vor-
schriften.
(1) Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Ab-
schluß der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, § 168a
daß das Verfahren zur Einstellung führt. In ein- (1) In Sachen, die zur Zuständigkeit des Bundes-
fachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit ge- gerichtshofes im ersten Rechtszug gehören, können
geben wird, sich schriftlich zu äußern. die im vorbereitenden Verfahren dem Amtsrichter
(2) Beantragt der Beschuldigte zu seiner Ent- obliegenden Geschäfte auch durch einen ode1
lastung die Aufnahme von Beweisen, so sind sie mehrere Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes
zu erheben, wenn sie von Bedeutung sind. wahrgenommen werden.
(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten durch (2) Der Präsident des Bundesgerichtshofes bestellt
die Staatsanwaltschaft sind die §§ 136 und 136 a die Ermittlungsrichter und regelt die Verteilung der
anzuwenden. Geschäfte für die Dauer eines Geschäftsjahres. Zum
Ermittlungsrichter kann jedes Mitglied eines deut-
(4) Bei der ersten Vernehmung des Beschuldigten schen Gerichts und jeder Amtsrichter bestellt wer-
durch Beamte des Polizeidienstes ist dem Beschul- den.
digten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt
§ 169
wird. Im übrigen sind bei der Vernehmung des
Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes (1) Für die Teilnahme an einer richterlichen Ver-
§ 136 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2, 3 und § 136 a an- nehmung des Beschuldigten sind die für die Vor-
zuwenden. untersuchung geltenden Vorschriften anzuwenden.
(5) Bei der Vernehmung eines Zeugen oder Sach- (2) Auch die Befugnis, an sonstigen richterlichen
verständigen durch die Staatsanwaltschaft oder Verhandlungen teilzunehmen, bestimmt sich nach
durch Beamte des Polizeidienstes sind § 52 Abs. 2, den Vorschriften über die Voruntersuchung: Für
§ 55 Abs. 2 und § 136 a entsprechend anzuwenden. den Beschuldigten, seinen Verteidiger und die von
ihm benannten Sachverständigen gilt dies nur, wenn
der Beschuldigte als solcher vom Richter vernommen
§ 164 ist oder sich in Untersuchungshaft befindet.
Bei Amtshandlungen an Ort und Stelle ist der
Beamte, der sie leitet, befugt, Personen, die seine § 169a
amtliche Tätigkeit vorsätzlich stören oder sich den (1) Erwägt die Staatsanwaltschaft, die öffentliche
von ihm innerhalb seiner Zuständigkeit getroffenen Klage durch Einreichung einer Anklageschrift zu
Anordnungen widersetzen, festnehmen und bis zur erheben, so vermerkt sie den Abschluß der Ermitt-
Beendigung seiner Amtsverrichtungen, jedoch nicht lungen in den Akten.
über den nächstfolgenden Tag hinaus, festhalten zu
lassen. (2) Hält die Staatsanwaltschaft die sachliche Zu-
ständigkeit des Schöffengerichts oder eines Gerichts
§ 165 höherer Ordnung für begründet, so teilt sie dem
Bei Gefahr im Verzug hat der Amtsrichter die Beschuldigten und seinem Verteidiger den Abschluß
erforderlichen Untersuchungshandlungen von Amts der Ermittlungen mit und stellt ihnen anheim, bin-
wegen vorzunehmen. nen einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob sie
einzelne Beweiserhebungen beantragen oder Ein-
wendungen gegen die Einreichung der Anklage-
§ 166 schrift vorbringen wollen.
(1) Wird der Beschuldigte von dem Amtsrichter
vernommen und beantragt er bei dieser Verneh- § 169b
mung zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebun- (1) In den Fällen des § 169 a Abs. 2 kann der
gen, so hat der Amtsrichter diese, soweit er sie für Beschuldigte innerhalb der gesetzten Frist auch
erheblich erachtet, vorzunehmen, wenn der Verlust beantragen, daß er durch den Staatsanwalt zu dem
der Beweise zu besorgen ist oder die Beweiserhe- Ergebnis der Ermittlungen mündlich gehört wird
bung die Freilassung des Beschuldigten begründen (Schlußgehör). Erwägt die Staatsanwaltschaft, die
kann. Anklageschrift beim Schöffengericht einzureichen,
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1399
so ist sie nur dann verpflichtet, das Schlußgehör zu In dem Bescheid ist der Antragsteller, der zugleich
gewähren, wenn es mit Rücksicht auf Art und Um- der Verletzte ist, über die Möglichkeit der Anfech-
fang der Beschuldigung oder aus anderen Gründen tung und die dafür vorgesehene Frist (§ 172 Abs. 1)
zweckmäßig erscheint. zu belehren.
(2) Hat der Beschuldigte einen Verteidiger, so ist § 172
auch dieser berechtigt, an dem Schlußgehör teil- (1) Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte,
zunehmen oder den Beschuldigten dabei zu ver- so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen
treten. Das Recht zur Teilnahme hat auch der zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Be-
gesetzliche Vertreter des Beschuldigten. schwerde an den vorgesetzten Beamten der Staats-
(3) Uber das Recht, das Schlußgehör zu beantra- anwaltschaft zu. Durch die Einlegung der Beschwerde
gen, sind der Beschuldigte, falls sein Aufenthalt bei der Staatsanwaltschaft wird die Frist gewahrt.
bekannt ist, und sein Verteidiger bei der Mitteilung Sie läuft nicht, wenn die Belehrung nach § 171 Satz 2
über den Abschluß der Ermittlungen (§ 169 a Abs. 2) unterblieben ist.
zu belehren. Die §§ 297, 299 gelten entsprechend. (2) Gegen den ablehnenden Bescheid des vor-
(4) Sind weitere Ermittlungen vorgenommen wor- gesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der
den, nachdem das Schlußgehör in derselben Sache Antragsteller binnen einem Monat nach der Be-
bereits gewährt worden ist, so ist die Staatsanwalt- kanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen.
schaft nur dann verpflichtet, das Schlußgehör noch- Hierüber und über die dafür vorgesehene Form ist
mals zu gewähren, wenn es wegen der Bedeutung er zu belehren; die Frist läuft nicht, wenn die Be-
der neuen Tatsachen oder Beweismittel zweckmäßig lehrung unterblieben ist. Der Antrag ist nicht zu-
erscheint. lässig, wenn das Verfahren ausschließlich eine Uber-
(5) Das wesentliche Ergebnis des Schlußgehörs ist tretung oder ein Vergehen, das vom Verletzten im
aktenkundig zu machen. Wege der Privatklage verfolgt werden kann, zum
Gegenstand hat oder wenn die Staatsanwaltschaft
§ 169 C nach § 153 Abs. 2 oder § 153 a Abs. 1 von der Er-
hebung der öffentlichen Klage abgesehen hat; das-
(1) Die Pflicht zur Gewährung des Schlußgehörs
selbe gilt in den Fällen der §§ 153 b, 154 Abs. 1,
entfällt, wenn
§§ 154 b und 154 c.
1. der Aufenthalt des Beschuldigten unbekannt ist,
(3) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß
2. seine Teilnahme in angemessener Zeit wegen
die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen
großer Entfernung unverhältnismäßige Schwie-
Klage begründen sollen, und die Beweismittel an-
rigkeiten bereiten würde oder
geben. Er muß von einem Rechtsanwalt unterzeich-
3. der Beschuldigte in dem festgesetzten Termin net sein; für das Armenrecht gelten dieselben Vor-
ohne genügende Entschuldigung ausbleibt und schriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.
nicht durch einen Verteidiger vertreten ist. Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zu-
(2) Hat der Beschuldigte einen Verteidiger, so ständigen Gericht einzureichen.
wird in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 (4) Zur Entscheidung über den Antrag ist das
das Schlußgehör dem Verteidiger gewährt. Jedoch Oberlandesgericht zuständig; der Bundesgerichtshof
entfällt die Pflicht zur Gewährung des Schluß- entscheidet in den Sachen, die zu seiner Zuständig-
gehörs auch in diesen Fällen, wenn der Verteidiger keit im ersten Rechtszug gehören.
in dem festgesetzten Termin ohne genügende Ent-
schuldigung ausbleibt. § 173
§ 170 (1) Auf Verlangen des Gerichts hat ihm die Staats-
anwaltschaft die bisher von ihr geführten Verhand-
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß lungen vorzulegen.
zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die
Staatsanwaltschaft sie entweder durch einen Antrag (2) Das Gericht kann den Antrag unter Bestim-
auf gerichtliche Voruntersuchung oder durch Ein- mung einer Frist dem Beschuldigten zur Erklärung
reichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen mitteilen.
Gericht. (3) Das Gericht kann zur Vorbereitung seiner
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltscha.ft das Entscheidung Ermittlungen anordnen und mit ihrer
Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten Vornahme eines seiner Mitglieder, den Unter-
in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden suchungsrichter oder den Amtsrichter beauftragen.
ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; das-
selbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat § 174
oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekannt- (1) Ergibt sich kein genügender Anlaß zur Er-
gabe ersichtlich ist. hebung der öffentlichen Klage, so verwirft das Ge-
§ 171 richt den Antrag und setzt den Antragsteller, die
Gibt die Staatsanwaltschaft einem Antrag auf Er- Staatsanwaltschaft und den Beschuldigten von der
hebung der öffentlichen Klage keine Folge oder Verwerfung in Kenntnis.
verfügt sie nach dem Abschluß der Ermittlungen (2) Ist der Antrag verworfen, so kann die öffent-
die Einstellung des Verfahrens, so hat sie den An- liche Klage nur auf Grund neuer Tatsachen oder
tragsteller unter Angabe der Gründe zu bescheiden. Beweismittel erhoben werden.
1400 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
§ 175 § 180
Erachtet das Gericht nach Anhörung des Beschul- (1) Der Antrag kann nur wegen Unzuständigkeit
digten den Antrag für begründet, so beschließt es des Gerichts oder wegen Unzulässigkeit der Straf-
die Erhebung der öffentlichen Klage. Die Durch- verfolgung oder der Voruntersuchung (§ 178), oder
führung dieses Beschlusses liegt der Staatsanwalt- weil die in dem Antrag bezeichnete Tat unter kein
schaft ob. Strafgesetz fällt, abgelehnt werden. Hierzu bedarf
es eines Beschlusses des Gerichts.
§ 176
(2) Der Angeschuldigte kann vor der Beschluß-
(1) Durch Beschluß des Gerichts kann dem Antrag- fassung gehört werden.
steller vor der Entscheidung über den Antrag die
Leistung einer Sicherheit für die Kosten auferlegt § 181
werden, die durch das Verfahren über den Antrag
und durch · die Untersuchung voraussichtlich der (1) Gegen die Verfügung, durch die auf Antrag
Staatskasse und dem Beschuldigten erwachsen. Die der Staatsanwaltschaft die Voruntersuchung eröffnet
Sicherheitsleistung ist durch Hinterlegung in barem worden ist, kann der Angeschuldigte aus einem der
Geld oder in Wertpapieren zu bewirken. Die Höhe in § 180 Abs. 1 bezeichneten Gründe Einwand er-
der zu leistenden Sicherheit wird vom Gericht nach heben. Uber den Einwand entscheidet das Gericht.
freiem Ermessen festgesetzt. Es hat zugleich eine (2) Diese Vorschrift gilt nicht, wenn die Vor-
Frist zu bestimmen, binnen welcher die Sicherheit untersuchung infolge des Beschlusses des Gerichts
zu leisten ist. eröffnet und der Angeschuldigte vorher gehört
worden ist.
(2) Wird die Sicherheit in der bestimmten Frist
nicht geleistet, so hat das Gericht den Antrag für § 182
zurückgenommen zu erklären. (1) Gegen den Beschluß des Gerichts, durch den
der von dem .Angeschuldigten bei seiner Anhörung
(§ 180 Abs. 2) oder im Falle des § 181 Abs. 1 er-
§ 177
hobene Einwand der Unzuständigkeit (§ 16) ver-
Die durch das Verfahren über den Antrag veran- worfen wird, steht dem Angeschuldigten sofortige
laßten Kosten sind in den Fällen der §§ 174 und 176 Beschwerde zu.
Abs. 2 dem Antragsteller aufzuedegen.
(2) Im übrigen kann der Beschluß des Gerichts,
durch den der Einwand des Angeschuldigten ver-
worfen oder die Eröffnung der Voruntersuchung
angeordnet worden ist, nicht angefochten werden.
Dritter Abschnitt
Gerichtliche Voruntersuchung § 183
§ 178
Gegen den Beschluß des Gerichts, der den Antrag
der Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten
(1) Die Voruntersuchung findet in den Strafsachen auf Eröffnung oder Ergänzung der Voruntersuchung
statt, die zur Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes, ablehnt, ist sofortige Beschwerde zulässig.
des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszuge oder
des Schwurgerichts gehören. In den zur Zuständig- § 184
keit des Schwurgerichts gehörenden Sachen entfällt
Die Voruntersuchung wird von dem Unter-
die Voruntersuchung, wenn der Beschuldigte durch
suchungsrichter eröffnet und geführt.
einen Richter vernommen ist, der Tatbestand einfach
liegt und die Voruntersuchung nach dem Ermessen
§ 185
der Staatsanwaltschaft nicht erforderlich ist. Doch
kann der Angeschuldigte in der Erklärung über die Durch Beschluß des Landgerichts kann auf Antrag
Anklageschrift (§ 201) die Durchführung einer Vor- der Staatsanwaltschaft die Führung der Vorunter-
untersuchung beantragen; dem Antrag ist stattzu- suchung einem Amtsrichter übertragen werden. Um
geben. die Vornahme einzelner Untersuchungshandlungen
kann der Untersuchungsrichter die Amtsrichter er-
(2) In den zur Zuständigkeit der Strafkammer im suchen. Auf Amtsrichter, die mit dem Untersuchungs-
ersten Rechtszug und zur Zuständigkeit des Schöffen- richter denselben Amtssitz haben, sind diese Vor-
gerichts gehörenden Sachen findet eine Vorunter- schriften nicht anzuwenden.
suchung statt, wenn der Angeschuldigte in der
Erklärung über die Anklageschrift (§ 201) oder die § 186
Staatsanwaltschaft dies beantragt und erhebliche
Gründe geltend macht, aus denen eine Vorunter- (1) Bei dem Bundesgerichtshof wird der Unter-
suchung erforderlich erscheint. suchungsrichter für jede Strafsache aus der Zahl der
Mitglieder durch den Präsidenten bestellt.
(2) Der Präsident kann auch jedes Mitglied eines
§ 179 anderen deutschen Gerichts und jeden Amtsricht~r
Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröffnung zum Untersuchungsrichter oder für einen Teil der
der Voruntersuchung muß den Beschuldigten und Geschäfte des Untersuchungsrichters zu seinem Ver-
die ihm zur Last gelegte Tat bezeichnen. treter bestellen.
Nr. 54 -- Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1401
(3) Der Untersuchungsrichter und dessen Vertreter § 190
können um die Vornahme einzelner Untersuchungs- (1) Die Voruntersuchung ist nicht weiter auszu-
handlungen die Amtsrichter ersuchen. dehnen, als erforderlich ist, um eine Entscheidung
(4) Für die zur ZusUindigkeil der Oberlandes- darüber zu begründen, ob das Hauptverfahren zu
gerichte gehörenden Strafsachen gelten diese Vor- eröffnen oder der Angeschuldigte außer Verfolgung
schriften mit der Maßgabe, daß der Präsident des zu setzen ist.
Oberlandesgerichts jeden Richter, der in dem dem (2) Auch sind Beweise, deren Verlust für die
Oberlandesgericht zugewiesenen Bezirk (§ 120 Abs. 2 Hauptverhandlung zu besorgen ist oder deren
des Gerichtsverfassungsgesetzes) angestellt ist, zum Aufnahme zur Vorbereitung der Verteidigung des
Untersuchungsrichter bestellen kann. Angeschuldigten erforderlich erscheint, in der Vor-
untersuchung zu erheben.
§ 187
Bei der Vernehmung des Angeschuldigten, der § 191
Zeugen und Sachverständigen sowie bei der Ein- (1) Ergibt sich im Laufe der Voruntersuchung
nahme des Augenscheins hat der Untersuchungs- Anlaß zu ihrer Ausdehnung auf eine in dem Antrag
richter einen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft nicht bezeichnete Person oder
zuzuziehen. In dringenden Fällen kann der Unter- Tat, so hat der Untersuchungsrichter in dringenden
suchungsrichter eine von ihm zu beeidigende Person Fällen die in dieser Beziehung erforderlichen Unter-
als Protokollführer zuziehen. suchungshandlungen von Amts wegen vorzunehmen.
(2) Die weitere Verfügung gebührt auch in solchen
§ 188 Fällen der Staatsanwaltschaft.
(1) Dber jede Untersuchungshandlung ist ein
Protokoll aufzunehmen. Das Protokoll ist von dem § 192
Untersuchungsrichter sowie dem Protokollführer zu
(1) Der Angeschuldigte ist in der Voruntersuchung
unterschreiben.
zu vernehmen, auch wenn er schon vor ihrer Er-
(2) Das Protokoll muß Ort und Tag der Verhand- öffnung vernommen worden ist. Ihm ist hierbei die
lung sowie die Namen der mitwirkenden oder Verfügung, durch welche die Voruntersuchung
beteiligten Personen angeben und ersehen lassen, eröffnet worden ist, bekanntzumachen.
ob die wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens
(2) Der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger
beobachtet sind.
ist die Anwesenheit bei der Vernehmung zu gestat-
(3) Das Protokoll ist den bei der Verhandlung ten. Von dem Termin sind die zur Anwesenheit
beteiligten Personen, soweit es sie betrifft, zur Berechtigten vorher zu benachrichtigen, soweit dies
Genehmigung vorzulesen oder zur eigenen Durch- ohne Aufenthalt für die Sache geschehen kann. Auf
lesung vorzulegen. Die Genehmigung ist zu ver- die Verlegung eines Termins wegen Verhinderung
merken und das Protokoll von den Beteiligten ent- haben die zur Anwesenheit Berechtigten keinen
weder zu unterschreiben oder darin anzugeben, Anspruch.
weshalb die Unterschrift unterblieben ist.
(4) Niederschriften über die Erklärung des An- § 193
geschuldigten, über die Angaben von Zeugen und (1) Findet die Einnahme eines Augenscheins statt,
Sachverständigen und über das Ergebnis eines so ist der Staatsanwaltschaft, dem Angeschuldigten
Augenscheins können in einer gebräuchlichen Kurz- und dem Verteidiger die Anwesenheit bei der Ver-
schrift als Anlage des Protokolls aufgenommen handlung zu gestatten.
werden. Die Anlage ist den Beteiligten vorzulesen
und allein von dem Protokollführer zu unter- (2) Dasselbe gilt, wenn ein Zeuge oder Sach-
verständiger vernommen werden soll, dessen Er-
schreiben. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß
die Verlesung geschehen und die Genehmigung scheinen in der Hauptverhandlung für eine längere
erfolgt ist, oder welche Einwendungen erhoben oder ungewisse Zeit Krankheit oder Gebrechlichkeit
worden sind. Nach Beendigung der Verhandlung ist oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse
unverzüglich eine Dbertragung der Anlage des Pro- entgegenstehen, oder dem das Erscheinen in der
tokolls in die gewöhnliche Schrift anzufertigen und Hauptverhandlung wegen großer Entfernung nicht
von dem Protokollführer zu beglaubigen. Die Dber- zugemutet werden kann.
tragung tritt für das weitere Verfahren an die (3) Von den Terminen sind die ~ur Anwesenheit
Stelle der Anlage. Der Nachweis der Unrichtigkeit Berechtigten vorher zu benachrichtigen, soweit dies
der Dbertragung ist zulässig. ohne Aufenthalt für die Sache geschehen kann.
(4) Einen Anspruch auf Anwesenheit hat der nicht
§ 189 auf freiem Fuß befindliche Angeschuldigte nur bei
Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes solchen Terminen, die an der Gerichtsstelle des
sind verpflichtet, Ersuchen oder Aufträgen des Ortes abgehalten werden, wo er sich in Haft befindet.
Untersuchungsrichters um Ausführung einzelner (5) Auf die Verlegung eines Termins wegen Ver-
Maßregeln oder um Vornahme von Ermittlungen zu hinderung haben die zur Anwesenheit Berechtigten
genügen. keinen Anspruch.
1402 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
§ 194 § 199
Der Richter kann einen Angeschuldigten von der (1) Hat keine Voruntersuchung stattgefunden, so
Anwesenheit bei der Verhandlung ausschließen, entscheidet das Gericht, das für die Hauptverhand-
wenn zu befürchten ist, daß ein Zeuge in seiner lung zuständig ist, darüber, ob das Hauptverfahren
Gegenwmt die Wahrheit nicht sagen wird. zu eröffnen oder das Verfahren vorläufig einzu-
stellen ist.
(2) Die Anklageschrift enthält den Antrag, das
§ 195
Hauptverfahren zu eröffnen. Mit ihr werden die
(1) Findet die Einnahme eines Augenscheins unter Akten dem Gericht vorgelegt.
Zuziehung von Sachverstündigen statt, so kann der
Angeschuldigte beantragen, daß die von ihm für
die Hauptverhandlung vorzuschlagenden Sachver- § 200
ständigen zu dem Termin geladen werden, und,
(1) Die Angeklageschrift hat den Angeschuldig-
wenn der Richter den Antrag ablehnt, sie selbst
ten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit
laden lassen.
und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merk-
(2) Den vom Angeschuldigten benannten Sach- male der strafbaren Handlung und die anzuwen-
verständigen ist die Teilnahme am Augenschein und denden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklage-
an den erforderlichen Untersuchungen insoweit zu satz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das
gestatten, als dadurch die Tätigkeit der vom Richter Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden
bestellten Sachverständigen nicht behindert wird. soll, und der Verteidiger anzugeben.
(2) In der Anklageschrift wird auch das wesent-
liche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon
§ 196
kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Amts-
Die Staatsanwaltschaft kann stets, ohne daß richter als Einzelrichter erhoben wird.
jedoch das Verfahren dadurch aufgehalten werden
darf, von dem Stand der Voruntersuchung durch
Einsicht der Akten Kenntnis nehmen und die ihr § 201
geeignet scheinenden Anlräge stellen. (1) Der Vorsitzende des Gerichts teilt die An-
klageschrift dem Angeschuldigten mit und fordert
ihn zugleich auf, innerhalb einer zu bestimmenden
§ 197
Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner
(1) Erachtet der Untersuchungsrichter den Zweck Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die
der Voruntersuchung für erreicht, so übersendet er Eröffnung des Hauptverfahrens beantragen oder
die Akten der Staatsanwaltschaft. Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptver-
fahrens vorbringen wolle. Hat keine Vorunter-
(2) Beantragt die Staatsanwaltschaft eine Ergän-
zung der Voruntersuchung, so hat der Unter- suchung stattgefunden, so ist der Angeschuldigte
suchungsrichter, wenn er dem Antrag nicht statt- auf sein Recht, eine Voruntersuchung zu beantragen
(§ 178), hinzuweisen und zur Erklärung darüber auf-
geben will, die Entscheidung des Gerichts einzu-
holen. zufordern, ob er eine Voruntersuchung beantragen
wolle.
(3) Hält die Staatsanwaltschaft weitere Ermitt-
lungen nicht für erforderlich oder sind diese ab- (2) Uber Anträge und Einwendungen beschließt
geschlossen, so wendet sie die § § 169 a bis 169 c das Gericht. Beantragt der Angeschuldigte in einer
entsprechend an. zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehörenden
Sache eine Voruntersuchung, so lehnt der Amts-
richter den Antrag ab, wenn erhebliche Gründe für
die Anordnung der Voruntersuchung nicht vorlie-
Vierter Abschnitt gen. Anderenfalls legt er die Akten mit dem Antrag
des Angeschuldigten durch Vermittlung der Staats-
Entscheidung über die Eröffnung
anwaltschaft dem Landgericht zur Entscheidung dar-
des Hauptverfahrens
über vor, ob eine Voruntersuchung zu eröffnen ist.
Die Beschlüsse können nur nach Maßgabe des § 182
§ 198
Abs. 1 und des§ 183 angefochten werden.
(1) Hat eine Voruntersuchung stattgefunden, so (3) Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 gelten
entscheiden in den zur Zuständigkeit des Bundes- auch, wenn Anklage beim Amtsrichter als Einzel-
gerichtshofes oder der Oberlandesgerichte gehören- richter erhoben. worden ist. Seine Beschlüsse können
den Sachen diese Gerichte, sonst das Landgericht nur nach Maßgabe des § 182 Abs. 1 angefochten
darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder werden.
der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen oder
das Verfahren vorläufig einzustellen ist. § 202
(2) Die Staatsanwaltschaft legt zu diesem Zweck (1) Bevor das Gericht über die Eröffnung des
die Akten mit ihrem Antrag dem Gericht. vor. Der Hauptverfahrens entscheidet, kann es zur besseren
Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgt. Aufklärung der Sache einzelne Beweiserhebungen
dm;ch Einreichung einer Anklageschrift. anordnen.
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1403
(2) In den Fällen des § 178 kann das Gericht auch 2. die Verfolgung nach § 154 a auf einzelne abtrenn-
eine Voruntersuchung oder eine Ergänzung der Vor- bare Teile einer Tat beschränkt wird oder solche
untersuchung anordnen. Hält der Amtsrichter zur Teile in das Verfahren wieder einbezogen wer-
besseren Aufklärung der Sache eine Vorunter- den,
suchung für nötig, so hat er die Akten mit einer 3. die Tat rechtlich abweichend von der Anklage-
Begründung seiner Auffassung durch Vermittlung schrift gewürdigt wird oder
der Staatsanwaltschaft dem Landgericht zur Ent- 4. die Verfolgung nach § 154 a auf einzelne von
scheidung darüber vorzulegen, ob eine Vorunter- mehreren Gesetzesverletzungen, die durch eine
suchung zu eröffnen ist. und dieselbe Handlung begangen worden sind,
(3) Die Beschlüsse sind nicht anfechtbar. beschränkt wird oder solche Gesetzesverletzun-
gen in das Verfahren wieder einbezogen werden.
§ 203 (3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 und 2 reicht
Das Gericht beschließt die Eröffnung des Haupt- die Staatsanwaltschaft eine dem Beschluß entspre-
verfahrens, wenn nach den Ergebnissen der Vor- chende neue Anklageschrift ein. Von der Darstel-
untersuchung oder, falls eine solche nicht statt- lung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen
gefunden hat, nach den Ergebnissen des vorbereiten- kann abgesehen werden.
den Verfahrens der Angeschuldigte einer strafbaren (4) Das Gericht beschließt zugleich von Amts
Handlung hinreichend verdächtig erscheint. wegen über die Anordnung oder Fortdauer der
Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unter-
§ 204 bringung.
(1) Beschließt das Gericht, das Hauptverfahren
nicht zu eröffnen, so muß aus dem Beschluß hervor- § 208
gehen, ob er auf tatsächlichen oder auf Rechts- (1) Beantragt die Staatsanwaltschaft, den Ange-
gründen beruht. schuldigten außer Verfolgung zu setzen, so kann
(2) Hat eine Voruntersuchung stattgefunden, so das Gericht das Hauptverfahren nur eröffnen, nach-
dem es den Angeschuldigten aufgefordert hat, sich
ist auszusprechen, daß der Angeschuldigte außer
Verfolgung zu setzen ist. innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären,
ob er eine Ergänzung der Voruntersuchung oder die
(3) Der Beschluß ist dem Angeschuldigten be- Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der
kanntzumachen. Hauptverhandlung beantragen oder Einwendungen
§ 205 gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbrin-
gen wolle.
Steht der Hauptverhandlung für lä.ngere Zeit die
Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes (2) Beschließt das Gericht die Eröffnung des
in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so Hauptverfahrens, so bezeichnet es in dem Beschluß
kann das Gericht das Verfahren durch Beschluß den Angeklagten und die Tat gemäß § 200 Abs. 1
vorläufig einstellen. Der Vorsitzende sichert, soweit Satz 1 sowie das Gericht, vor dem die Hauptver-
nötig, die Beweise. handlung stattfinden soll. Die Staatsanwaltschaft
reicht eine dem Beschluß entsprechende Anklage-
§ 206 schrift ein.
Das Gericht ist bei der Beschlußfassung an die
Anträge der Staatsanwaltschaft nicht gebunden. § 209
(1) Das Landgericht kann das Hauptverfahren vor
§ 206 a den erkennenden Gerichten jeder Ordnung, nicht
(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens aber vor dem Bundesgerichtshof eröffnen.
ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht (2) In den Fällen des § 24 Abs. 1 Nr. 2 und 3, des
außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren § 25 Nr. 2 Buchstabe c und Nr. 3, des § 26 Abs. 1
durch Beschluß einstellen. Satz 1, des § 74 Abs. 1 Satz 2 und des § 74 b Satz 1
(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde des Gerichtsverfassungsgesetzes kann das Gericht,
anfechtbar. bei dem die Anklageschrift eingereicht ist, das
Hauptverfahren auch vor einem anderen Gericht
§ 207
seines Bezirks eröffnen, wenn nach seiner Auffas-
(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfah- sung die für seine Zuständigkeit maßgebenden Vor-
ren eröffnet wird, läßt das Gericht die Anklage zur aussetzungen nicht erfüllt sind.
Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht,
vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll. (3) Hält das Gericht die Zuständigkeit eines Ge-
richts höherer Ordnung für begründet, so legt e
(2) Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft
welchen Änderungen es die Anklage zur Hauptver- diesem Gericht zur Entscheidung vor. Dies gilt auch
handlung zuläßt, wenn in den Fällen des Absatzes 2, wenn nach der Auf-
1. wegen mehrerer Taten Anklage erhoben ist und fassung des Gerichts, bei dem die Anklageschrift
wegen einzelner von ihnen die Eröffnung des eingereicht ist, die für seine Zuständigkeit maß-
Hauptverfahrens abgelehnt wird, gebenden Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
1404 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
§ 210 (2) Die Aburteilung im beschleunigten Verfahren
(1) Der Beschluß, durch den das Hauptverfahren kann auch in der Hauptverhandlung bis zur Ver-
e~öffnet worden ist, kann von dem Angeklagten kündung des Urteils abgelehnt werden. Der Be-
mchl angefochten werden. schluß ist nicht anfechtbar.
(2) Gegen den Beschluß, durch den die Eröffnung (3) Wird die Aburteilung im beschleunigten Ver-
des Hauptverfahrens abgelehnt oder abweichend fahren abgelehnt, so bedarf es der Einreichung
von dem Antrag der Staatsanwaltschaft die Ver- einer neuen Anklageschrift.
weisung an ein Gericht niederer Ordnung aus-
gesprochen worden ist, steht der Staatsanwaltschaft
sofortige Beschwerde zu. Fünfter Abschnitt
(3) Gibt das Beschwerdegericht der Beschwerde Vorbereitung der Hauptverhandlung
statt, so kann es zugleich bestimmen, daß die Haupt-
verhandlung vor einer anderen Kammer des Ge- § 213
richts, das den _Beschluß nach Absatz 2 erlassen hat, Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem
oder vor einem zu demselben Land gehörenden Vorsitzenden des Gerichts anberaumt.
benachbarten Gericht gleicher Ordnung stattzufin-
den hat.
§ 211
§ 214
(1) Die zur Hauptverhandlung erforderlichen
Ist die Eröffnung des Hauptverfahrens durch
Ladungen und die Herbeischaffung der als Beweis-
einen nicht mehr anfechtbaren Beschluß abgelehnt,
mittel dienenden Gegenstände bewirkt die Staats-
so kann die Klage nur auf Grund neuer Tatsachen
anwaltschaft. Sie können auch vom Gericht bewirkt
oder Beweismittel wieder aufgenommen werden.
werden.
§ 212 (2) Ist anzunehmen, daß die Hauptverhandlung
(1) Im Verfahren vor dem Amtsrichter und dem sich auf längere Zeit erstreckt, so kann der Vor-
Schöffengericht kann die Staatsanwaltschaft schrift- sitzende bestimmen, daß sämtliche oder einzelne
lich oder mündlich den Antrag auf Aburteilung im Zeugen und Sachverständige zu einem späteren
beschleunigten Verfahren stellen, wenn der Sach- Zeitpunkt als dem Beginn der Hauptverhandlung
verhalt einfach und die sofortige Aburteilung geladen werden.
möglich ist. § 215
(2) Der Antrag steht im Sinne des § 147 Abs. 5 Der Beschluß über die Eröffnung des Haupt-
und des § 169 a Abs. 1 der Einreichung einer An- verfahrens ist dem Angeklagten spätestens mit der
klageschrift gleich. § 169 a Abs. 2 und § 169 b sind Ladung zuzustellen. Entsprechendes gilt in den Fäl-
nicht anzuwenden. len des § 207 Abs. 3 und des § 208 Abs. 2 für die
§ 212 a nachgereichte Anklageschrift.
(1) Stellt die Staatsanwaltschaft den Antrag, so
wird die Hauptverhandlung sofort durchgeführt oder § 216
mit kürzester Frist anberaumt, ohne daß es einer
Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfah- (1) Die Ladung eines auf freiem Fuß befindlichen
rens bedarf. Angeklagten geschieht schriftlich unter der War-
nung, daß im Falle seines unentschuldigten Aus-
(2) Der Einreichung einer Anklageschrift bedarf bleibens seine Verhaftung oder Vorführung erfol-
es nicht. Wird eine Anklageschrift nicht eingereicht, gen werde. Die Warnung kann in den Fällen des
so wird die Anklage bei Beginn der Hauptverhand- § 232 unterbleiben.
lung mündlich erhoben und ihr wesentlicher Inhalt
in das Sitzungsprotokoll aufgenommen. (2) Der nicht auf freiem Fuß befindliche Ange-
klagte wird durch Bekanntmachung des Termins
(3) Der Ladung des Beschuldigten bedarf es nur, zur Hauptverhandlung gemäß § 35 geladen. Dabei
wenn er sich nicht freiwillig zur Hauptverhandlung ist der Angeklagte zu befragen, ob und welche
stellt oder nicht dem Gericht vorgeführt wird. Mit Anträge er zu seiner Verteidigung für die Haupt-
der Ladung wird ihm mitgeteilt, was ihm zur Last verhandlung zu stellen habe.
gelegt wird. Die Ladungsfrist beträgt vierund-
zwanzig Stunden.
§ 217
§ 212 b
(1) Zwischen der Zustellung der Ladung (§ 216)
(1) Der Amtsrichter oder das Schöffengericht lehnt und dem Tag der Hauptverhandlung muß eine Frist
die Aburteilung im beschleunigten Verfahren ab, von mindestens einer Woche liegen.
wenn sich die Sache zur Verhandlung in diesem
Verfahren nicht eignet oder wenn eine höhere (2) Ist die Frist nicht eingehalten worden, so kann
Strafe als ein Jahr Gefängnis zu erwarten ist. Zucht- der Angeklagte bis zum Beginn seiner Vernehmung
haus oder eine Maßregel der Sicherung und Besse- zur Sache die Aussetzung der Verhandlung ver-
rung darf in diesem Verfahren nicht verhängt langen.
werden. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist zu- (3) Der Angeklagte kann auf die Einhaltung der
lässig. Frist verzichten.
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25, September 1965 1405
§ 218 § 223
(1) Neben dem Angeklagten ist der bestellte Ver- (1) Wenn dem Erscheinen eines Zeugen oder
teidiger stets, der gew äh I te Verteidiger dann zu Sachverständigen in der Hauptverhandlung für eine
laden, wenn die Wahl dem Gericht angezeigt wor- längere oder ungewisse Zeit Krankheit oder Ge-
den ist. § 217 gilt entsprechend. brechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende
(2) Im Falle des § 146 wird dem Verteidiger nur Hindernisse entgegenstehen, so kann das Gericht
eine Ladung zugestellt. In der Ladung sind sämt- seine Vernehmung durch einen beauftragten oder
liche Angeklagten zu bezeichnen, gegen welche die ersuchten Richter anordnen.
Hauptverhandlung stattfinden soll, soweit der Ver- (2) Dasselbe gilt, wenn einem Zeugen oder Sach-
teidiger für sie auftritt. verständigen das Erscheinen wegen großer Ent-
fernung nicht zugemutet werden kann.
§ 219 (3) Die Vernehmung von Zeugen hat eidlich zu
(1) Verlangt der Angeklagte die Ladung von erfolgen, soweit nicht Ausnahmen vorgeschrieben
Zeugen oder Sc1chverständigen oder die Herbei- oder zugelassen sind.
schaffung anderer Beweismittel zur Hauptverhand- § 224
lung, so hat er unter Angabe der Tatsachen, über (1) Von den zum Zweck dieser Vernehmung an-
die der Beweis erhoben werden soll, seine Anträge beraumten Terminen sind die Staatsanwaltschaft,
bei dem Vorsitzenden des Gerichts zu stellen. Die der Angeklagte und der Verteidiger vorher zu be-
hierauf ergehende Verfügung ist ihm . bekanntzu- nachrichtigen, soweit dies nicht wegen Gefahr im
machen. Verzug untunlich ist; ihrer Anwesenheit bei der
(2) Beweisanträge des Angeklagten sind, soweit Vernehmung bedarf es nicht. Das aufgenommene
ihnen stattgegeben ist, der Staatsanwaltschaft mit- Protokoll ist der Staatsanwaltschaft und dem Ver-
zuteilen. teidiger vorzulegen.
(2) Der nicht auf freiem Fuß befindliche Ange-
§ 220 klagte hat einen Anspruch auf Anwesenheit nur bei
(1) Lehnt der Vorsitzende den Antrag auf Ladung solchen Terminen, die an der Gerichtsstelle des
einer Person ab, so kann der Angeklagte sie Ortes abgehalten werden, wo er sich in Haft be-
unmittelbar laden lassen. Hierzu ist er auch ohne findet.
vorgängigen Antrag befugt. § 225
(2) Eine unmittelbar geladene Person ist nur dann Ist zur Vorbereitung der Hauptverhandlung noch
zum Erscheinen verpflichtet, wenn ihr bei der La- ein richterlicher Augenschein einzunehmen, so sind
dung die gesetzliche Entschädigung für Reisekosten die Vorschriften des § 224 anzuwenden.
und Versäumnis bar dargeboten oder deren Hinter-
legung bei der Geschäftsstelle nachgewiesen wird.
(3) Ergibt sich in der Hauptverhandlung, daß die Sechster Abschnitt
Vernehmung einer unmittelbar geladenen Person
zur Aufklärung der Sache dienlich war, so hat das Hauptverhandlung
Gericht auf Antrag anzuordnen, daß ihr die gesetz-
§ 226
liche Entschädigung aus der Staatskasse zu gewäh-
ren ist. Die Hauptverhandlung erfolgt in ununterbroche-
ner Gegenwart der zur Urteilsfindung berufenen
§ 221 Personen sowie der Staatsanwaltschaft und eines
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.
Der Vorsitzende des Gerichts kann auch von
Amts wegen die Ladung von Zeugen und Sach- § 227
verständigen sowie die Herbeischaf fung anderer
Beweismittel anordnen. Es können mehrere Beamte der Staatsanwaltschaft
und mehrere Verteidiger in der Hauptverhandlung
mitwirken und ihre Verrichtungen unter sich teilen.
§ 222
(1) Gericht und Staatsanwaltschaft haben, wenn § 228
sie außer den in der Anklageschrift benannten oder
auf Antrag des Angeklagten geladenen Zeugen oder (1) Uber Anträge auf Aussetzung einer Haupt-
Sachverständigen noch andere Personen laden, dem verhandlung entscheidet das Gericht. Kürzere Unter-
Angeklagten diese Personen rechtzeitig namhaft zu brechungen ordnet der Vorsitzende an.
machen und ihren Wohn- oder Aufenthaltsort (2) Eine Verhinderung des Verteidigers gibt, un-
anzugeben. beschadet der Vorschrift des § 145, dem Angeklag-
(2) Der Angeklagte hat die von ihm unmittelbar ten kein Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu
geladenen oder zur Hauptverhandlung zu stellenden verlangen.
Zeugen und Sachverständigen rechtzeitig dem (3) Ist die Frist des § 217 Abs. 1 nicht eingehalten
Gericht und der Staatsanwaltschaft namhaft zu worden, so soll der Vorsitzende den Angeklagten
machen und ihren Wohn- oder Aufenthaltsort an- mit der Befugnis, Aussetzung der Verhandlung zu
zugeben. verlangen, bekanntmachen ..
1406 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
§ 229 (2) Wird der Angeklagte von der Verpflichtung
Eine unterbrochene Hauptverhandlung muß späte- zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden,
stens am elften Tage nach der Unterbrechung fort- so muß er durch einen beauftragten oder ersuchten
gesetzt werden, widrigenfalls mit dem Verfahren Richter über die Anklage vernommen werden. Dabei
von neuem zu beginnen ist. wird er über die bei Verhandlung in seiner Ab-
wesenheit zulässigen Strafen und Maßnahmen be-
§ 230
lehrt sowie befragt, ob er seinen Antrag auf Be-
freiung vom Erscheinen in der Hauptverhandlung
(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten aufrechterhalte.
findet eine Hauptverhandlung nicht statt.
(3) Von dem zum Zweck der Vernehmung anbe-
(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht ge- raumten Termin sind die Staatsanwaltschaft und
nügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzu- der Verteidiger zu benachrichtigen; ihrer Anwesen-
ordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen. heit bei der Vernehmung bedarf es nicht. Das Proto-
koll über die Vernehmung ist in der Hauptverhand-
§ 231
lung zu verlesen.
(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der
§ 234
Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann
die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung Soweit die Hauptverhandlung ohne Anwesenheit
zu verhindern; auch kann er den Angeklagten wäh- des Angeklagten stattfinden kann, ist er befugt, sich
rend einer Unterbrechung der Verhandlung in Ge- durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen
wahrsam halten lassen. Verteidiger vertreten zu lassen.
(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder
bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen § 235
Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Ab- Hat die Hauptverhandlung gemäß § 232 ohne den
wesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über Angeklagten stattgefunden, so kann er gegen das
die Anklage schon vernommen war und das Gericht Urteil binnen einer Woche nach seiner Zustellung
seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich er- die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter
achtet. den gleichen Voraussetzungen wie gegen die Ver-
säumung einer Frist nachsuchen; hat er von der
§ 232
Ladung zur Hauptverhandlung keine Kenntnis er-
(1) Die Hauptverhandlung kann ohne den Ange- langt, so kann er stets die Wiedereinsetzung in den
klagten durchgeführt werden, wenn er ordnungs- vorigen Stand beanspruchen. Hierüber ist der An-
gemäß geladen und in der Ladung darauf hinge- geklagte bei der Zustellung des Urteils zu belehren.
wiesen worden ist, daß in seiner Abwesenheit ver-
handelt werden kann, und wenn nur Haft, Geld-
§ 236
strafe, Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung oder
Unbrauchbarmachung, allein oder nebeneinander, Das Gericht ist stets befugt, das persönliche Er-
zu erwarten ist. Eine höhere Strnf e oder eine Maß- scheinen des Angeklagten anzuordnen und durch
regel der Sicherung und Besserung darf in diesem einen Vorführungsbefehl oder Haftbefehl zu er-
Verfahren nicht verhängt werden. Die Entziehung zwingen.
der Fahrerlaubnis ist zulässig, wenn der Angeklagte § 237
in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen
worden ist. Das Gericht kann im Falle eines Zusammenhangs
zwischen mehreren bei ihm anhängigen Strafsachen
(2) Auf Grund einer Ladung durch öffentliche Be- ihre Verbindung zum Zwecke gleichzeitiger Ver-
kanntmachung findet die Hauptverhandlung ohne handlung anordnen, auch wenn dieser Zusammen-
den Angeklagten nicht statt. hang nicht der in § 3 bezeichnete ist.
(3) Die Niederschrift über eine richterliche Ver-
nehmung des Angeklagten wird in der Hauptver- § 238
handlung verlesen.
(1) Die Leitung der Verhandlung, die Verneh-
(4) Das in Abwesenheit des Angeklagten er- mung des Angeklagten und die Aufnahme des Be-
gehende Urteil muß ihm mit den Urteilsgründen weises erfolgt durch den Vorsitzenden.
durch Ubergabe zugestellt werden.
(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche An-
§ 233 ordnung des Vorsitzenden von einer bei der Ver-
handlung beteiligten Person als unzulässig bean-
(1) Der Angeklagte kann auf seinen Antrag von standet, so entscheidet das Gericht.
der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptver-
handlung entbunden werden, wenn nur Freiheits-
§ 239
strafe bis zu sechs Monaten, Geldstrafe, Fahrverbot,
Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung, (1) Die Vernehmung der von der Staatsanwalt-
allein oder nebeneinander, zu erwarten ist. Eine schaft und dem Angeklagten benannten Zeugen und
höhere Strafe oder eine Maßregel der Sicherung und Sachverständigen ist der Staatsanwaltschaft und dem
Besserung darf in seiner Abwe-senheit nicht ver- Verteidiger auf deren übereinstimmenden Antrag
hängt werden. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist von dem Vorsitzenden zu überlassen. Bei den von
zulässig. der Staatsanwaltschaft benannten Zeugen und Sach-
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1407
verständigen hat diese, bei den von dem Angeklag- § 244
ten benannten der Verteidiger in erster Reihe das
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt
Recht zur Vernehmung.
die Beweisaufnahme.
(2) Der Vorsitzende hat auch nach dieser Verneh-
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit
mung die ihm zur weiteren Aufklärung der Sache
die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tat-
erforderlich scheinenden Frngen an die Zeugen und
sachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die
Sachverständigen zu richten.
Entscheidung von Bedeutung sind.
§ 240 (3) Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die
Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im übrigen
(1). Der Vorsitzende hat den beisitzenden Richtern darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
auf Verlangen zu gestatten, Fragen an den Ange- eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit über-
klagten, die Zeugen und die Sachverständigen zu flüssig ist, wenn die Tatsache, die bewiesen werden
stellen. soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung oder
(2) Dasselbe hat der Vorsitzende der Staats- schon erwiesen ist, wenn das Beweismittel völlig
anwaltschaft, dem Angeklagten und dem Verteidiger ungeeignet oder wenn es unerreichbar ist, wenn der
sowie den Geschworenen und den Schöffen zu ge- Antrag zum Zweck der Prozeßverschleppung ge-
statten. Die unmittelbare Befragung eines Ange- stellt ist oder wenn eine erhebliche Behauptung, die
klagten durch einen Mitangeklagten ist unzulässig. zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden
soll, so behandelt werden kann, als wäre die be-
hauptete Tatsache wahr.
§ 241
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sach-
(1) Dem, welcher im Falle des § 239 Abs. 1 die
verständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt
Befugnis der Vernehmung mißbraucht, kann sie von
ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst
dem Vorsitzenden entzogen werden.
die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung
(2) In den Fällen des § 239 Abs. 1 und des § 240 eines weiteren Sachverständigen kann auch dann
Abs. 2 kann der Vorsitzende ungeeignete oder nicht abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gut-
zur Sache gehörende Fragen zurückweisen. achten das Gegenteil der behaupteten Tatsache be-
reits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sach-
§ 242 kunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn
sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen
Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage ent- Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten
scheidet in allen Fällen das Gericht. Widersprüche enthält oder wenn der neue Sach-
verständige über Forschungsmittel verfügt, die
§ 243 denen eines früheren Gutachters überlegen er-
(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Auf- scheinen.
ruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der (5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augen-
Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die scheins kann abgelehnt werden, wenn der Augen-
Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die ge- schein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Ge-
ladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen richts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforder-
sind. lich ist.
(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der (6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf
Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine eines Gerichtsbeschlusses.
persönlichen Verhältnisse.
(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklage- § 245
satz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 Die Beweisaufnahme ist auf die sämtlichen vor-
die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des geladenen und auch erschienenen Zeugen und Sach-
§ 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den An- verständigen sowie auf die anderen herbeigeschaff-
klagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde ten Beweismittel zu erstrecken, es sei denn, daß
liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem die Beweiserhebung unzulässig oder zum Zweck der
kann er seine abweichende Rechtsauffassung Prozeßverschleppung beantragt ist. Dies gilt auch
äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berück- dann, wenn die Ladung und das Erscheinen der Ze11-
sichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der gen oder Sachverständigen oder die Herbeischaffung
Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung be- der anderen Beweismittel erst während der Haupt-
schlossen hat. verhandlung erfolgt. Von der Erhebung einzelner
(4) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewie- Beweise kann abgesehen werden, wenn die Staats-
sen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu anwaltschaft und der Angeklagte damit einverstan-
äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der An- den sind.
geklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach
Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. § 246
Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit fest- (1) Eine Beweiserhebung darf nicht deshalb ab-
gestellt werden, als sie für die Entscheidung von gelehnt werden, weil das Beweismittel oder die zu
Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, be- beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden
stimmt der Vorsitzende. sei.
1408 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
(2) Ist jedoch ein zu vernehmender Zeuge oder § 250
Sachverständiger dc:m Gegner des Antragstellers so Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahr-
spät namhaft gemilcht oder eine zu beweisende Tat- nehmung einer Person, so ist diese in der Haupt-
sache so spät vorrscbracht worden, daß es dem Geg- verhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf
ner an der zur Einziehung von Erkundigungen er- nicht durch Verlesung des über eine frühere Ver-
forderlichen Zeit gefehlt hat, so kann er bis zum nehmung auf genommenen Protokolls oder einer
Schluß der Beweisaufnahme die Aussetzung der schriftlichen Erklärung ersetzt werden.
IIauptverhandiung zum Zweck U('r Erkundigung be-
antragen.
§ 251
(3) Dieselbe Bcfuunis haben die Staatsanwalt-
(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverstän-
schaft und der Angeklagte bei den auf Anordnung
digen oder Mitbeschuldigten darf durch Verlesung
des Vorsitzenden oder des Gerichts geladenen Zeu-
der Niederschrift über seine frühere richterliche Ver-
gen oder Sachverständigen.
nehmung ersetzt werden, wenn
(4) Uber die Anträge cntscheidel das Gericht nach 1. der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte
frei<~m Ermessen. verstorben oder in Geisteskrankheit verfallen ist
oder wenn sein Aufenthalt nicht zu ermitteln ist;
§ 246 a
2. dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen
Ist damit zu rechnen, daß die Unterbringung des oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung
Angeklagten in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit,
Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt an- Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende
geordnet werden wird, so ist in der Hauptverhand- Hindernisse entgegenstehen;
lung ein Arzt als SachverstJ.ndiger über den gei-
3. dem Zeugen oder Sachverständigen das Erschei-
stigen und körperlichen Zustand des Angeklagten
nen in der Hauptverhandlung wegen großer Ent-
zu vernehmen. Hat der Sachverständige den Ange-
fernung unter Berücksichtigung der Bedeutung
klagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm
seiner Aussage nicht zugemutet werder kann;
dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit ge-
geben werden. 4. der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Ange-
klagte mit der Verlesung einverstanden sind.
§ 247
(2) Ist ein Zeuge, Sachverständiger oder Mitbe-
(1) Das Gericht kann den Angeklagten, wenn zu schuldigter verstorben oder kann er aus einem an-
befürchten ist, daß ein Mitangeklagter oder ein deren Grund in absehbarer Zeit gerichtlich nicht ver-
Zeuge bei seiner Vernehmung in Gegenwart des nommen werden, so dürfen auch Niederschriften
Angeklagten die Wahrheit nicht sagen werde, wäh- über eine andere Vernehmung sowie Urkunden, die
rend dieser Vernehmung aus dem Sitzungszimmer eine von ihm stammende schriftliche Äußerung ent-
abtreten lassen. Dassülbe gilt für die Dauer von halten, verlesen werden.
Erörterungen über den körperlichen oder geistigen
(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als un-
Zustand des Angeklagten, wenn ein erheblicher
mittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vor-
Nacht.eil für seine Gesundheit zu ·befürchten ist. Der
bereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die
Vorsitzende hat jedoch den Angeklagten, sobald
Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sol-
dieser wieder vorgelassen worden ist, von dem
len so dürfen Vernehmungsniederschriften, Urkun-
wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was wäh-
de~ und andere als Beweismittel dienende Schrift-
rend seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst ver-
stücke auch sonst verlesen werden.
handelt worden ist.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt
(2) In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn das
das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der
Gericht wegen ordnungswidrigen Benehmens des
Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird
Angeklagten zeitweise dessen Entfernung aus dem
die Niederschrift über eine richterliche Vernehmung
Sitzungszimmer angeordnet hat.
verlesen, so wird fest.gestellt, ob der Vernommene
vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nach-
§ 248 geholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint
und noch ausführbar ist.
Die vernommenen Zeugen und Sachverständigen
dürfen sich nur mit Genehmigung oder auf Anwei-
§ 252
sung des Vorsitzenden von der Gerichtsstelle ent-
fernen. Die Staatsanwaltschaft. und der Angeklagte Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung
sind vorher zu hören. vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptver-
handlung von seinem Recht, das Zeugnis zu ver-
weigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen
§ 249
werden.
Urkunden und andere als Beweismittel dienende
§ 253
Schriftstücke werden in der Hauptverhandlung ver-
lesen. Dies gilt insbesondere von früher ergangenen (1) Erklärt ein Zeuge oder Sachverständiger, daß
Strafurteilen, von Straflisten und von Auszügen aus er sich einer Tatsache nicht mehr erinnere, so kann
Kirchenbüchern und Personenstandsregistern und der hierauf bezügliche Teil des Protokolls üQer seine
findet auch Anwendung auf Protokolle über die Ein- frühere Vernehmung zur Unterstützung seines Ge-
nahme des richterlichen Augenscheins. dächtnisses verle,sen werden.
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1409
(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der (2) Dasselbe gilt von einem tauben Angeklagten,
Vernehmung lH~rvortrelendcr Widerspruch mit der sofern nicht eine schriftliche Verständigung erfolgt.
früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Un-
terbrechung der lfouptverhandlung festgestellt oder § 260
behoben werden kann.
(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf
§ 254 die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.
Das Urteil lautet auf Freisprechung, Verurteilung,
(1) Erklti.rungen des Angeklagten, die in einem Anordnung einer Maßregel der Sicherung und Bes-
richterlichen Protokoll enthalten sind, können zum
serung oder Einstellung des Verfahrens.
Zweck der Beweisaufnahme über ein Geständnis
verlesen werden. (2) Wird auf Untersagung der Berufsausübung
erkannt, so ist im Urteil der Beruf, das Gewerbe
(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung untersagt
Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der
wird, genau zu bezeichnen.
früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Un-
terbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder (3) Die Einstellung des Verfahrens ist auszu-
behoben werden kann. sprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Der Urteilsspruch gibt die rechtliche Bezeich-
§ 255 nung der Tat an, deren der Angeklagte schuljig
In den Fällen der §§ 253 und 254 ist die Verlesung gesprochen wird. Wird die Strafe zur Bewährung
und ihr Grund auf Antrag der Staatsanwaltschaft ausgesetzt oder wird unter Schuldigsprechung von
oder des Angeklagten im Protokoll zu erwähnen. Strafe abgesehen, so ist dies im Urteilsspruch zum
Ausdruck zu bringen. Strafen oder Maßregeln der
Sicherung und Besserung, die neben anderen ver-
§ 256
wirkten Strafen oder Maßregeln nicht vollstreckt
(1) Die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthalten- werden können, werden in den Urteilsspruch nicht
den Erklärungen öffentlicher Behörden mit Aus- aufgenommen; sie werden nur in den Urteilsgrün-
schluß von Leumundszcuqnissen sowie ärztliche den aufgeführt. Im übrigen unterliegt die Fassung
Atteste über Körperverletzungen, die nicht zu den des Urteilsspruchs dem Ermessen des Gerichts.
schweren gehön!n, können verlesen werden.
(2) Ist das Cutachten einer kollegialen Fachbe- § 261
hörde eingeholt worden, so kann das Gericht die
Behörde ersuchen, eines ihrer Mitglieder mit der · Uber das Ergebnis der Beweisaufnahme entschei-
Vertretung des Gutachlens in der Hauptverhandlung det das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff
zu beauftragen und dem Gericht zu bezeichnen. der Verhandlung geschöpften Uberzeugung.
§ 257 § 262
Nach der Vernehmung eines jeden Zeugen, Sach- (1) Hängt die Strafbarkeit einer Handlung von
verständigen oder Mitangeklagten sowie nach der der Beurteilung eines bürgerlichen Rechtsverhält-
Verlesung eines jeden Schriftstücks soll der Ange- nisses ab, so entscheidet das Strafgericht auch über
klagte befragt werden, ob er etwas zu erklären dieses nach den für das Verfahren und den Beweis
habe. in Strafsachen geltenden Vorschriften.
§ 257 a (2) Das Gericht ist jedoch befugt, die Unter-
Auf Verlangen ist dem Staatsanwalt und dem suchung auszusetzen und einem der Beteiligten zur
Verteidiger Gele9enheit zur Abgabe von Erklärun- Erhebung der Zivilklage eine Frist zu bestimmen
gen zu geben. oder das Urteil des Zivilgerichts abzuwarten.
§ 258
§ 263
(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhal-
ten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu (1) Zu einer jeden dem Angeklagten nachteiligen
ihren Ausführungen und Anlrägen das Wort. Entscheidung, welche die Schuldfrage, die Bemes-
(2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Er- sung der Strafe, die Anordnung einer Nebenstrafe
widerung zu; dem AngeklaglPn gebührt das letzte oder Nebenfolge oder die Anordnung einer M~ß-
Wort. regel der Sicherung und Besserung betrifft, ist eine
Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erforder-
(3) Der Angeklagte ist, auch wenn ein Verteidiger lich.
für ihn gesprochen hat, zu befragen, ob er selh.st
noch etwas zu seiner Verteidigung e.:::i'Zuführen habe. (2) Die Schuldfrage umfaßt auch solche vom Straf-
gesetz besonders vorgesehene Umstände, welche
§ 259 die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder er-
höhen.
(1) Einern der Gerichtssprache nicht mächtigen An-
geklagten müssen aus den Schlußvorträgen minde- (3) Die Schuldfrage umfaßt nicht die Voraus-
stens die Anträge des Staatsanwalts und des Ver- setzungen des Rückfalls und der Verjährung.
teidigers durch den Dolmetscher bekanntgemacht (4) Uber die Strafaussetzung zur Bewährung wird
werden. mit einfacher Mehrheit entschieden.
1410 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
§ 264 (2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz
(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der besonders vorgesehene Umstände behauptet wor-
Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Er- den, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermin-
gebnis der Verhandlung darstellt. dern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe
sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für
(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet wer-
dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfah- den.
rens zugrunde liegt, nicht gebunden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das
zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen
§ 265
und die Umstände anführen, die für die Zumessung
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das
anderen als des in der gerichtlich zugelassenen An- Strafgesetz die Anwendung einer geringeren Strafe
klage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, von dem Vorhandensein mildernder Umstände im
ohne daß er zuvor auf die Veränderung des recht- allgemeinen abhängig, so müssen die Urteilsgründe
lichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und die hierüber getroffene Entscheidung ergeben, so-
ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden fern das Vorhandensein solcher Umstände angenom-
ist. men oder einem in der Verhandlung gestellten An-
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn sich erst in der trag entgegen verneint wird. Die Urteilsgründe müs-
Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene sen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewäh-
Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen rung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung ge-
oder die Anordnung einer Maßregel der Sicherung stellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden
und Besserung rechtfertigen. ist; dies gilt entsprechend für das Absehen von
Strafe.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behaup-
tung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbe- (4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten
reitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, auf Rechtsmittel, so genügt die Angabe der für er-
welche die Anwc-mdung eines schwereren Straf- wiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetz-
gesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des lichen Merkmale der strafbaren Handlung gefunden
in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführ- werden, und des zur Anwendung gebrachten Straf-
ten oder die zu dc-m im zweiten Absatz bezeichneten gesetzes.
gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhand- (5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müs-
lung auszusetzen. sen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte
für nicht überführt oder ob und aus welchen Grün-
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder
von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, den die für erwiesen angenommene Tat für nicht
strafbar erachtet worden ist.
falls dies infolge der verändE~rten Sachlage zur ge-
nügenden Vorbereitung der Anklage oder der Ver- (6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, wes-
teidigung angemessen erscheint. halb eine Maßregel der Sicherung und Besserung
angeordnet oder einem in der Verhandlung gestell-
§ 266 ten Antrag entgegen nicht angeordnet worden ist.
Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre
(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptver- nach § 42 n Abs. 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches nicht
handlung die Anklage auf weitere Straftaten des angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der
Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Be- strafbaren Handlung in Betracht kam, so müssen
schluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maß-
sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt. regel nicht angeordnet worden ist.
(2) Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben
werden. Ihr Inhalt entspricht dem § 200 Abs. 1. Sie
§ 268
wird in die Sitzungsniederschrift aufgenommen. Der
Vorsitzende gibt dem Angeklagten Gelegenheit, sich (1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes.
zu verteidigen. (2) Die Verkündung des Urteils erfolgt durch Ver-
(3) Die Verhandlung wird unterbrochen, wenn es lesung der Urteilsformel und Eröffnung der Urteils-
der Vorsitzende für erforderlich hält oder wenn der gründe am Schluß der Verhandlung oder spätestens
Angeklagte es beantragt und sein Antrag nicht am vierten Tage nach dem Schluß der Verhandlung.
offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Die Eröffnung der Urteilsgründe geschieht durch
Verfahrens gestellt ist. Auf das Recht, die Unter- Verlesung oder durch mündliche Mitteilung ihres
brechung zu beantragen, wird der Angeklagte hin- wesentlichen Inhalts. Die Verlesung der Urteils-
gewiesen. formel hat in jedem Falle der Mitteilung der Urteils-
gründe voranzugehen.
§ 267
(3) War die Verkündung des Urteils ausgesetzt,
(1) Wird der Anqeklagte verurteilt, so müssen die so sind die Urteilsgründe tunlichst vorher schriftlich
Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen festzustellen.
angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der
strafbaren Handlung gefunden werden. Soweit der § 268a
Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sol- (1) Wird in dem Urteil die Strafe zur Bewährung
len auch diese Tatsachen angegeben werden. ausgesetzt, so trifft das Gericht die Anordnungen,
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1411
die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung 2. die Namen der Richter, Geschworenen und
beziehen (§ 24 des Strafgesetzbuches), durch Be- Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft,
schluß; dieser ist mit dem Urteil zu verkünden. des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und
(2) Der Vorsitzende belehrt den Angeklagten des zugezogenen Dolmetschers;
über die Bedeutung der Strafaussetzung zur Bewäh- 3. die Bezeichnung der strafbaren Handlung nach
rung, die Bewährungszeit und die Bewährungsauf- der Anklage;
lagen sowie darüber, daß er den Widerruf der Aus- 4. die Namen der Angeklagten, ihrer Verteidiger,
setzung zu erwarten habe, wenn er das in ihn der Privatkläger, Nebenkläger, Verletzten, die
gesetzte Vertrauen nicht rechtfertige, insbesondere Ansprüche aus der Straftat geltend machen,
den Bewährungsauflagen zuwiderhandle. Zugleich gesetzlichen Vertreter, Bevollmächtigten und
ist ihm aufzugeben, jeden Wechsel seines Aufent- Beistände;
halts während der Bewährungszeit anzuzeigen. Die 5. die Angabe, daß öffentlich verhandelt oder die
Belehrung ist in der Regel im Anschluß an die Ver- Offentlichkeit ausgeschlossen ist.
kündung des Beschlusses nach Absatz 1 zu erteilen.
§ 273
§ 268b
(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergeb-
Bei der Urteilsfällung ist zugleich von Amts wegen
nisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wie-
über die Fortdauer der Untersuchungshaft oder
dergeben und die Beobac}ltung aller wesentlichen
einstweiligen Unterbringung zu entscheiden. Der
Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeich-
Beschluß ist mit dem Urteil zu verkünden.
nung der verlesenen Schriftstücke sowie die im
Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die er-
§ 269 gangenen Entscheidungen und die Urteilsformel ent-
Das Gericht darf sich nicht für unzuständig erklä- halten.
ren, weil die Sache vor ein Gericht niederer Ord- (2) Aus der Hauptverhandlung sind außerdem die
nung gehöre. wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das
§ 270 Protokoll aufzunehmen.
(1) Hält ein Gericht nach dem Ergebnis der Haupt- (3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs
verhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Ge- in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer
richts höherer Ordnung für begründet, so verweist Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vor-
es die Sache durch Beschluß an das zuständige sitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an
Gericht. der Verhandlung beteiligten Person die vollstän-
(2) In dem Beschluß bezeichnet das Gericht den dige Niederschreibung und Verlesung anzuordnen.
Angeklagten und die Tat gemäß § 200 Abs. 1 Satz 1. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so ent-
(3) Der Beschluß hat die Wirkung eines das scheidet auf Antrag einer an der Verhandlung betei-
Hauptverfahren eröffnenden Beschlusses. Seine An- ligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu
fechtbarkeit bestimmt sich nach § 210. vermerken, daß die Verlesung geschehen und die
Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen
(4) Ist der Verweisungsbeschluß von einem Amts- erhoben worden sind.
richter oder einem Schöffengericht ergangen, so
(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das
kann der Angeklagte, falls nicht eine V orunter-
suchung stattgefunden hat, innerhalb einer bei der Urteil nicht zugestellt werden.
Bekanntmachung des Beschlusses zu bestimmenden
Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen § 274
vor der Hauptverhandlung beantragen. Uber den Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung
Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts,
vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch
an das die Sache verwiesen worden ist.
das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese
Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls
§ 271 ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(1) Uber die Hauptverhandlung ist ein Protokoll
aufzunehmen und von dem Vorsitzenden und dem § 275
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschrei-
ben. Der Tag der Fertigstellung ist darin anzugeben. (1) Das Urteil mit den Gründen ist binnen einer
Woche nach der Verkündung zu den Akten zu
(2) Ist der Vorsitzende verhindert, so unter- bringen, falls es nicht bereits. vollständig in das
schreibt für ihn der älteste beisitzende Richter. Ist Protokoll auf genommen worden ist.
der Vorsitzende das einzige richterliche Mitglied des
Gerichts, so genügt bei seiner Verhinderung die (2) Es ist von den Richtern, die bei der Entschei-
Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäfts- dung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein
stelle. · Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen,
§ 272
so wird dies unter der Angabe des Verhinderungs-
grundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Ver-
Das Protokoll über die Hauptverhandlung ent- hinderung von dem ältesten beisitzenden Richter
hält unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der
1. den Ort und den Tag der Verhandlung; Schöffen und der Geschworenen bedarf es nicht.
1412 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie 2. die Straftat, die ihm zur Last gelegt wird, mit
die Namen der Richter, der Geschworenen, der ihren gesetzlichen Merkmalen sowie der Ort und
Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des die Zeit der Begehung;
Verteidigers und des Urkundsbeamten der Ge- 3. die anwendbaren Strafvorschriften;
schäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen
4. Ort und Zeit der Hauptverhandlung.
haben, sind in das Urteil aufzunehmen.
(3) In der Ladung ist der Abwesende darauf hin-
(4) Die Ausfertigungen und Auszüge der Urteile
zuweisen, daß die Hauptverhandlung auch bei
sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle
seinem Ausbleiben stattfinden wird und das Urteil
zu unterschreiben und mil dem Gerichtssiegel zu
vollstreckbar ist.
versehen.
§ 280
(1) Die Ladung ist in mindestens einem öffent-
Siebenter Abschnitt lichen Blatt, dessen Auswahl die Staatsanwaltschaft
Verfahren gegen Abwesende trifft, bekanntzumachen. Sie gilt als erfolgt, wenn
seit dem Erscheinen des Blattes, in dem die erste
§ 276
Bekanntmachung erfolgt ist, zwei Wochen ver-
flossen sind.
(1) Ein Beschuldigter gilt als abwesend, wenn sein
Auf enthalt unbekannt ist oder wenn er sich im (2) Eine beglaubigte Abschrift der Ladung soll
Ausland aufhält und seine Gestellung vor das zu- zwei Wochen an die Gerichtstafel des Gerichts des
ständige Gericht nicht ausführbar oder nicht ange- ersten Rechtszuges angeheftet werden.
messen erscheint. (3) Ist der Aufenthalt des Abwesenden, seiner
(2) Für das Verfahren gelten die allgemeinen Angehörigen oder anderer ihm nahestehender Per-
Vorschriften, soweit ihnen nicht die Abwesenheit sonen bekannt, so soll ihnen die Ladung unter Bei-
des Beschuldigten entgegensteht oder in den folgen- fügung der Anklageschrift mitgeteilt werden.
den Vorschriften anderes bestimmt ist. (4) Die Staatsanwaltschaft kann auch weitere
Maßnahmen treffen, um die Ladung zur Kenntnis
§ 277 des Abwesenden zu bringen.
(1) Gegen einen Abwesenden findet eine Haupt-
verhandlung nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft § 281
statt.
Angehörige des Angeklagten sind, auch ohne
(2) Die Staatsanwaltschaft darf den Antrag nur Vollmacht, als Vertreter zuzulassen.
stellen, wenn die den Gegenstand der Untersuchung
bildende Tat nur mit Haft, Geldstrafe oder Ein-
ziehung, allein oder in Verbindung miteinander, § 282
bedroht ist. Ergibt die Hauptverhandlung, daß sich in ,Ab-
(3) Ist den Umständen nach anzunehmen, daß sich wesenheit des Angeklagten weder seine Schuld
der Beschuldigte im Ausland aufhält, so soll die noch seine Nichtschuld feststellen läßt, so stellt das
Staatsanwaltschaft den Antrag nur stellen, wenn Gericht das Verfahren vorläufig ein. Der Beschluß
mit einer alsbaldigen Gestellung des Abwesenden ist nicht anfechtbar.
nicht gerechnet werden kann oder seine Ausliefe-
rung nicht möglich ist oder auf Schwierigkeiten § 282a
stößt. Ist anzunehmen, daß er sich im Inland verbor- (1) Das Urteil ist als Abwesenheitsurteil zu kenn-
gen hält, so soll sie den Antrag nur stellen, wenn zeichnen und nach § 40 Abs. 2 zuzustellen. Die in
die Ermittlungen nach dem Aufenthalt des Abwesen- § 316 Abs. 2 und § 343 Abs. 2 vorgeschriebenen Zu-
den ergebnislos geblieben sind. stellungen erfolgen an den Verteidiger.
(4) Gegen einen abwesenden Ausländer soll der (2) Das Urteil ist zu vollstrecken, soweit es mög-
Antrag nicht gestellt werden. lich ist. Die Staatsanwaltschaft kann das Urteil
öffentlich bekanntmachen.
§ 278
(weggefallen)
§ 282b
§ 279 Die in § 281 bezeichneten Personen können von
den dem Beschuldigten zustehenden Rechtsmitteln
(1) Der Abwesende wird zur Hauptverhandlung Gebrauch machen.
öffentlich geladen. Einer Zustellung der Anklage-
schrift und des Eröffnungsbeschlusses bedarf es § 282c
nicht.
(1) Wird der Verurteilte ergriffen oder stellt er
(2) In der Ladung sollen angegeben werden sich freiwillig, so ist ihm das Abwesenheitsurteil
1. der Name und, soweit bekannt, der Rufname, der erneut zuzustellen. Bei der Zustellung ist er über
Beruf, der frühere Wohn- oder Aufenthaltsort und die Form und die Frist für die Wiederaufnahme des
der Geburtsort des Abwesenden; Verfahrens (Absatz 2) zu belehren.
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1413
(2) Binnen einer Woche seit der Zustellung kann § 287
der Verurteilte, auch wenn die in § 359 vorgesehe-
(1) Dem abwesenden Beschuldigten steht ein An-
nen Gründe für die Wiederm1fnahme des Verfahrens
spruch auf Benachrichtigung über den Fortgang des
nicht vorliegen, die Wiederaufnahme des Verfah-
Verfahrens nicht zu.
rens beantragen. Sie findet statt, wenn der Ab-
wesende sein Ausbleiben durch triftige Gründe (2) Der Richter ist jedoch befugt, einem Abwesen-
rechtfertigt oder wenn sonstige Umstände vorliegen, den, dessen Aufenthalt bekannt ist, Benachrichtigun-
die eine Erneuerung der Hauptverhandlung als not- gen zugehen zu lassen.
wendig erscheinen lassen.
(3) Im übrigen gelten für das Verfahren die allge- § 288
meinen Vorschriften. Der Abwesende, dessen Aufenthalt unbekannt ist,
kann in einem oder mehreren öffentlichen Blättern
§ 283 zum Erscheinen vor Gericht oder zur Anzeige seines
Soweit es nach dem Ermessen des Richters zur Aufenthaltsortes aufgefordert werden.
Deckung der den Angeschuldigten möglicherweise
treffenden höchsten Geldstrafe und der Kosten des § 289
Verfahrens erforderlich ist, können einzelne zum Stellt sich erst nach Eröffnung des Hauptverfah-
Vermögen des Angeschuldigten gehörende Gegen- rens die Abwesenheit des Angeklagten heraus, so
stände mit Beschlag belegt werden. Für diese Be- erfolgen die noch erforderlichen Beweisaufnahmen
schlagnahme gelten die Vorschriften der Zivil- durch einen beauftragten oder ersuchten Richter.
prozeßordnung über die Vollziehung und die Wir-
kungen des dinglichen Arrestes entsprechend. Die
§ 290
Beschlagnahme ist aufzuheben, wenn ihr Grund
weggefallen ist. Liegen gegen den Abwesenden, gegen den die
öffentliche Klage erhoben ist, Verdachtsgründe vor,
§ 284 die den Erlaß eines Haftbefehls rechtfertigen wür-
(1) Soweit eine Deckung durch eine Beschlag- den, so kann sein im Geltungsbereich dieses Bundes-
nahme gemäß § 283 nicht ausführbar erscheint, kann gesetzes befindliches Vermögen durch Beschluß des
durch Beschluß des Gerichts das im Geltungsbereich Gerichts mit Beschlag belegt werden.
dieses Bundesgesetzes befindliche Vermögen des
Angeschuldigten mit Beschlag belegt werden. Der § 291
Beschluß ist durch den Bundesanzeiger und nach
Ermessen des Gerichts auch durch andere Blätter zu Der die Beschlagnahme verhängende Beschluß ist
veröffentlichen. durch den Bundesanzeiger bekanntzumachen und
kann nach dem Ermessen des Gerichts auch durch
(2) Verfügungen, die der Angeschuldigte über andere Blätter veröffentlicht werden.
sein mit Beschlag belegtes Vermögen nach der
ersten durch den Bundesanzeiger bewirkten Ver-
öffentlichung des Beschlusses vornimmt, sind der § 292
Staatskasse gegenüber nichtig. (1) Mit dem Zeitpunkt der. ersten Bekanntmachung
(3) Die Beschlagnahme des Vermögens ist aufzu- im Bundesanzeiger verliert der Angeschuldigte das
heben, sobald ihr Grund weggefallen oder die Recht, über das in Beschlag genommene Vermögen
Deckung der Staatskasse durch eine Beschlagnahme unter Lebenden zu verfügen.
gemäß § 283 bewirkt ist. (2) Der die Beschlagnahme verhängende Beschluß
(4) Die Aufhebung der Beschlagnahme ist durch ist der Behörde mitzuteilen, die für die Einleitung
dieselben Blätter bekanntzumachen, durch welche einer Pflegschaft über Abwesende zuständig ist.
die Beschlagnahme veröffentlicht worden ist. Diese Behörde hat eine Pflegschaft einzuleiten.
§ 285 § 293
(1) In anderen als den in § 277 bezeichneten Fällen (1) Die Beschlagnahme ist aufzuheben, wenn ihre
findet gegen einen Abwesenden eine Hauptverhand- Gründe weggefallen sind.
lung nicht statt. Das gegen den Abwesenden einge-
(2) Die Aufhebung der Beschlagnahme ist durch
leitete Verfahren hat die Aufgabe, für den Fall
dieselben Blätter bekanntzumachen, durch welche
seiner künftigen Gestellung die Beweise zu sichern.
die Beschlagnahme selbst veröffentlicht worden war.
(2) Für dieses Verfahren gelten die Vorschriften
der § § 286 bis 294.
§ 294
§ 286
(1) Für das nach Erhebung der öffentlichen Klage
(1) Für den Angeklagten kann ein Verteidiger eintretende Verfahren gelten im übrigen die Vor-
auftreten. Auch Angehörige des Angeklagten sind, schriften über die Voruntersuchung entsprechend.
auch ohne Vollmacht, als Vertreter zuzulassen.
(2) In dem nach Beendigung dieses Verfahrens
(2) Zeugen sind, soweit nicht Ausnahmen vorge- ergehenden Beschluß (§ 198) ist zugleich über die
schrieben oder zugelassen sind, eidlich zu ver- Fortdauer oder Aufhebung der Beschlagnahme zu
nehmen. entscheiden.
1414 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
§ 295 § 302
(1) Das Gericht kann einem abwesenden Beschul- (1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie
digten sicheres Geleit erteilen; es kann diese Er- der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels
teilung an Bedingungen knüpfen. kann auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung
(2) Das sichere Geleit gewährt Befreiung von der wirksam erfolgen. Ein von der Staatsanwaltschaft
Untersuchungshaft, jedoch nur wegen der strafbaren zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechts-
Handlung, für die es erteilt ist. mittel kann jedoch ohne dessen Zustimmung nicht
zurückgenommen werden„
(3) Es erlischt, wenn ein auf Freiheitsstrafe lau-
tendes Urteil ergeht oder wenn der Beschuldigte (2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer
Anstalten zur Flucht trifft oder wenn er die Be- ausdrücklichen Ermächtigung.
dingungen nicht erfüllt, unter denen ihm das sichere
Geleit erteilt worden ist. § 303
Wenn die Entscheidung über das Rechtsmittel auf
· Grund mündlicher Verhandlung stattzufinden hat,
Drittes Buch so kann die Zurücknahme nach Beginn der Haupt-
Rechtsmittel verhandlung nur mit Zustimmung des Gegners er-
folgen.
Erster Abschnitt
Allgemeine Vorschriften Zweiter Abschnitt
Beschwerde
§ 296
(1) Die zulässigen Rechtsmittel gegen gerichtliche § 304
Entscheidungen stehen sowohl der Staatsanwalt- (1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerich-
schaft als dem Beschuldigten zu. ten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren
(2) Die Staatsanwaltschaft kann von ihnen auch erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen
zugunsten des Beschuldigten Gebrauch machen. des Vorsitzenden, des Untersuchungsrichters, des
Amtsrichters und eines beauftragten oder ersuchten
§ 297 Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht aus-
Für den Beschuldigten kann der Verteidiger, je- drücklich einer Anfechtung entzieht.
doch nicht gegen dessen ausdrücklichen Willen, (2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere
Rechtsmittel einlegen. Personen können gegen Beschlüsse und Verfügun-
gen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde
§ 298 erheben.
(1) Der gesetzliche Vertreter eines Beschuldigten (3) Die Beschwerde gegen Entscheidungen über
kann binnen der für den Beschuldigt.Ern laufenden Kosten, Gebühren und Auslagen ist nur zulässig,
Frist selbständig von den zulässigen Rechtsmitteln wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes fünfzig
Gebrauch machen. Deutsche Mark übersteigt.
(2) Auf ein solches Rechtsmittel und auf das (4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen der Ober-
Verfahren sind die für die Rechtsmittel des Be- landesgerichte und des Bundesgerichtshofes ist keine
schuldigten geltenden Vorschriften entsprechend Beschwerde zulässig.
anzuwenden.
§ 305
§ 299
Entscheidungen der erkenrienden Gerichte, die der
(1) Der nicht auf freiem Fuß befindliche Beschul-
Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der
digte kann die Erklärungen, die sich auf Rechts-
Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen
mittel beziehen, zu Protokoll der Geschäftsstelle des
über Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung,
Amtsgerichts geben, in dessen Bezirk die Anstalt
Beschlagnahmen, die vorläufige Entziehung der
liegt, wo er auf behördliche Anordnung verwahrt
Fahrerlaubnis oder Straffestsetzungen sowie alle
wird.
Entscheidungen, durch die dritte Personen betroffen
(2) Zur Wahrung einer Frist genügt es, wenn werden.
innerhalb der Frist das Protokoll aufgenommen
§ 305a
wird.
(1) Gegen den Beschluß nach § 268 a Abs. 1 ist
§ 300
Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt
Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen werden, daß eine getroffene Anordnung gesetz-
Rechtsmittels ist unschädlich. widrig ist oder einen einschneidenden, unzumut-
baren Eingriff in die Lebensführung des Beschwerde-
§ 301 führers darstellt.
Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte (2) Wird gegen den Beschluß Beschwerde und
Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene gegen das Urteil eine zulässige Revision eingelegt,
Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten ab- so ist das Revisionsgericht auch zur Entscheidung
geändert oder aufgehoben werden kann. über die Beschwerde zuständig.
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1415
§ 306 (3) Das Gericht ist zu einer Abänderung seiner
(1) Die Beschwerde wird bei dem Gericht, von durch Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht
befugt. Es hilft jedoch der Beschwerde ab, wenn
dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene
es zum Nachteil des Beschwerdeführers Tatsachen
Entscheidung erlassen ist, zu Protokoll der Ge-
oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen die-
schäftsstelle oder schriftlich eingelegt. Sie kann in
ser noch nicht gehört worden ist, und es auf Grund
dringenden Fällen auch bei dem Beschwerdegericht
eingelegt werden. des nachträglichen Vorbringens die Beschwerde für
begründet erachtet.
(2) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende,
de::;sen Entscheidung angefochten wird, die B~- § 311 a
schwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; (1) Hat das Beschwerdegericht einer Beschwerde
andernfalls ist die Beschwerde sofort, spätestens ohne Anhörung des Gegners des Beschwerdefüh-
vor Ablauf von drei Tagen, dem Beschwerdegericht rers stattgegeben und kann seine Entscheidung nicht
vorzulegen.
angefochten werden, so hat es diesen, sofern der
(3) Diese Vorschriften gelten auch für die Ent- ihm dadurch entstandene Nachteil noch besteht, von
scheidungen des Amtsrichters im Vorverfahren, des Amts wegen oder auf Antrag nachträglich zu hören
beauftragten oder ersuchten Richters und des Unter- und auf einen Antrag zu entscheiden. Das Be-
suchungsrichters. schwerdegericht kann seine Entscheidung auch ohne
§ 307 Antrag ändern.
(1) Durch Einlegung der Beschwerde wird der (2) Für das Verfahren gelten die §§ 307, 308
Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht ge- Abs. 2 und § 309 Abs. 2 entsprechend.
hemmt.
(2) Jedoch kann das Gericht, der Vorsitzende oder
Dritter Abschnitt
der Richter, dessen Entscheidung angefochten wird,
sowie auch das Beschwerdegericht anordnen, daß Berufung
die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung
auszusetzen ist. § 312
§ 308 Gegen die Urteile des Amtsrichters und des
Schöffengerichts ist Berufung zulässig.
(1) Das Beschwerdegericht darf die angefochtene
Entscheidung nicht zum Nachteil des Gegners des
§ 313
Beschwerdeführers ändern, ohne daß diesem die
Beschwerde zur Gegenerklärung mitgeteilt worden Ein Urteil des Amtsrichters kann nicht mit Beru-
ist. Dies gilt nicht in den Fällen des § 33 Abs. 4 fung angefochten werden, wenn es ausschließlich
Satz 1. Ubertretungen zum Gegenstand hat und der An-
(2) Das Beschwerdegericht kann Ermittlungen an- geklagte entweder freigesprochen oder ausschließ-
ordnen oder selbst vornehmen. lich zu Geldstrafe verurteilt worden ist.
§ 314
§ 309
(1) Die Berufung muß bei dem Gericht des ersten
(1) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht
Rechtszuges binnen einer Woche nach Verkündung
ohne mündliche Verhandlung, in geeigneten Fällen
des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder
nach Anhörung der Staatsanwaltschaft.
schriftlich eingelegt werden.
(2) Wird die Beschwerde für begründet erachtet,
so erläßt das Beschwerdegericht zugleich die in der (2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in An-
Sache erforderliche Entscheidung. wesenheit des Angeklagten stattgefunden, so be-
ginnt für diesen die Frist mit der Zustellung.
§ 310
§ 315
(1) Beschlüsse, die von dem Landgericht auf die
Beschwerde hin erlassen worden sind, können, so- (1) Der Beginn der Frist zur Einlegung der Be-
fern sie Verhaftungen oder die einstweilige Unter- rufung wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß
bringung betreffen, durch weitere Beschwerde an- gegen ein auf Ausbleiben des Angeklagten ergange-
gefochten werden. nes Urteil eine Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand nachgesucht werden kann.
(2) 1m übrigen findet eine weitere Anfechtung der
auf eine Beschwerde ergangenen Entscheidungen (2) Stellt der Angeklagte ein Gesuch um Wieder-
nicht statt. einsetzung in den vorigen Stand, so wird die
Berufung dadurch gewahrt, daß sie sofort für den
§ 311
Fall der Verwerfung jenes Gesuchs rechtzeitig ein-
(1) Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten gelegt wird. Die weitere Verfügung in bezug auf die
die nachfolgenden besonderen Vorschriften. Berufung bleibt dann bis zur Erledigung des Gesuchs
(2) Die Beschwerde ist binnen einer Woche ein- um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus-
zulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung gesetzt.
(§ 35) der Entscheidung. Die Einlegung bei dem Be- (3) Die Einlegung der Berufung ohne Verbindung
schwerdegericht genügt zur Wahrung der Frist, auch mit dem Gesuch um Wiedereinsetzung in den vori-
wenn der Fall nicht für dringlich erachtet wird. gen Stand gilt als Verzicht auf die letztere.
1416 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
§ 316 § 323
(1) Durch rechtzeitige Einlegung der Berufung (1) Für die Vorbereitung der Hauptverhandlung
wird die Rechtskraft des Urteils, soweit es an- gelten die Vorschriften der §§ 214, 216 bis 225. In
gefochten ist, gehemmt. der Ladung ist der Angeklagte auf die Folgen des
Ausbleibens ausdrücklich hinzuweisen.
(2) Dem Beschwerdeführer, dem das Urteil mit
den Gründen noch nicht zugestellt war, ist es nach (2) Die Ladung der im ersten Rechtszug vernom-
Einlegung der Berufung sofort zuzustellen. menen Zeugen und Sachverständigen kann nur dann
unterbleiben, wenn ihre wiederholte Vernehmung
zur Aufklärung der Sache nicht erforderlich
§ 317
erscheint.
Die Berufung kann binnen einer weiteren Woche
(3) Neue Beweismittel sind zulässig
nach Ablaut der Frist zur Einlegung des Rechts-
mittels oder, wenn zu dieser Zeit das Urteil noch (4) Bei der Auswahl der zu ladenden Zeugen und
nicht zugestellt war, nach dessen Zustellung bei Sachverständigen ist auf die von dem Angeklagten
dem Gericht des ersten Rechtszuges zu Protokoll der zur Rechtfertigung der Berufung benannten Per-·
Geschä.ftsstellP oder in einer Beschwerdeschrift ge- sonen Rücksicht zu nehmen.
rechtfertigt werden.
§ 324
§ 318 (1) Nachdem die Hauptverhandlung nach Vor-
Die Berufung kann auf bestimmte Beschwerde- schrift des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein
punkte beschränkt werden. Ist dies nicht geschehen Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen
oder eine Rechtfertigung überhaupt nicht erfolgt, so Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Ver„
gilt der ganze Inhalt des Urteils als angefochten. fahrens. Das Urteil des ersten Rechtszuges ist zu
verlesen; von der Verlesung der Urteilsgründe kann
abgesehen werden, soweit sie für die Berufung nicht
§ 319 von Bedeutung sind.
(1) Ist die Berufung verspätet eingelegt, so hat (2) Sodann erfolgt die Vernehmung des Ange
das Gericht des ersten Rechtszuges das Rechtsmittel klagten und die Beweisaufnahme.
als unzulässig zu verwerfen.
§ 325
(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer
Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Ent- Bei der Berichterstattung und der Beweisauf-
scheidung des Berufungsgerichts antragen. In die- nahme können Schriftstücke verlesen werden; Pro-
sem Falle sind die Akten an das Berufungsgericht tokolle über Aussagen der in der Hauptverhand-
einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird lung des ersten Rechtszuges vernommenen Zeugen
jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des und Sachverständigen dürfen, abgesehen von den
§ 35 a gilt entsprechend. Fällen der §§ 251 und 253, ohne die Zustimmung
der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten nicht
verlesen werden, wenn die wiederholte Vorladung
§ 320
der Zeugen oder Sachverständigen erfolgt ist oder
Ist die Berufung _rechtzeitig eingelegt, so hat nach von dem Angeklagten rechtzeitig vor der Hauptver-
Ablauf der Frist zur Rechtfertigung die Geschäfts- handlung beantragt worden war.
stelle ohne Rücksicht darauf, ob eine Rechtfertigung
stattgefunden hat oder nicht, die Akten der Staats- § 326
anwaltschaft vorzulegen. Diese stellt, wenn die Be- Nach dem Schluß der Beweisaufnahme werden
rufung von ihr eingelegt ist, dem Angeklagten die die Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagte und
Schriftstücke über Einlegung und Rechtfertigung der sein Verteidiger mit ihren Ausführungen und An-
Berufung zu.
trägen, und zwar der Beschwerdeführer zuerst,
gehört. Dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.
§ 321
Die Staatsanwaltschaft übersendet die Akten an § 327
die Staatsanwaltschaft bei dem Berufungsgericht.
Diese übergibt die Akten binnen einer Woche dem Der Prüfung des Gerichts unterliegt das Urteil
Vorsitzenden des Gerichts. nur, soweit es angefochten ist.
§ 328
§ 322
(1) Soweit die Berufung für begründet befunden
(1) Erachtet das Berufungsgericht die Vorschriften wird, hat das Berufungsgericht unter Aufhebung
über die Einlegung der Berufung nicht für be- des Urteils in der Sache selbst zu erkennen.
obachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß
als unzulässig verwerfen. Andernfalls entscheidet (2) Leidet das Urteil an einem Mangel, der die
es darüber durch Urteil. Revision wegen Verletzung einer Rechtsnorm über
das Verfahren begründen würde, so kann das Beru-
(2) Der· Beschluß kann mit sofortiger Beschwerde fungsgericht unter Aufhebung des Urteils die Sache,
angefochten werden. wenn die Umstände des Falles es fordern, zur Ent-
Nr.54-Tag der Ausgabe: Bonn, den 25.September 1965 1417
scheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges § 335
zurückverweisen. Die Zurückverweisung ist auch (1) Ein Urteil, gegen das Berufung zulässig ist,
zulässig, wenn das Gericht abtrennbare Teile einer kann statt mit Berufung mit Revision angefochten
Tat, die Gegenstand der öffentlichen Klage sind, werden.
über die aber im angefochtenen Urteil nach seinen
Gründen nicht entschieden worden ist, in das Ver- (2) Uber die Revision entscheidet das Gericht, das
fahren einbezieht (§ 154 a). zur Entscheidung berufen wäre, wenn die Revision
nach durchgeführter Berufung eingelegt worden
(3) Hat das Gericht des ersten Rechtszuges mit wäre.
Unrecht seine Zuständigkeit angenommen, so hat
das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils (3) Legt gegen das Urteil ein Beteiligter Revision
die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen. und ein anderer Berufung ein, so wird, solange die
Berufung nicht zurückgenommen oder als unzulässig
§ 329 verworfen ist, die Revision als Berufung behandelt.
Die Revisionsanträge und deren Begründung sind
(1) Ist bei dem Beginn der Hauptverhandlung gleichwohl in der vorgeschriebenen Form und Frist
weder der Angeklagte noch in den Fällen, in denen anzubringen und dem Gegner zuzustellen (§§ 344 bis
dies zulässig ist, ein Vertreter des Angeklagten er- 347). Gegen das Berufungsurteil ist Revision nach
schienen und das Ausbleiben nicht genügend ent- den allgemein geltenden Vorschriften zulässig.
schuldigt, so ist, soweit der Angeklagte die
Berufung eingelegt hat, diese sofort zu verwerfen; § 336
soweit die Staatsanwaltschaft die Berufung eingelegt
hat, ist über diese zu verhandeln oder die Vor- Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen
führung oder Verhaftung des Angeklagten anzu- auch die Entscheidungen, die dem Urteil voraus-
ordnen. gegangen sind, sofern es auf ihnen beruht.
(2) Der Angeklagte kann binnen einer Woche
§ 337
nach der Zustellung des Urteils die Wiederein-
setzung in den vorigen Stand unter den in den §§ 44 (1) Die Revision kann nur darauf gestützt wer-
und 45 bezeichneten Voraussetzungen beanspruchen .. den, daß das Urteil auf einer Verletzung des Ge-
setzes beruhe.
§ 330
(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm
Ist von dem gesetzlichen Vertreter die Berufung nid:tt oder nicht richtig angewendet worden ist.
eingelegt worden, so hat das Gericht auch den An-
geklagten zu der Hauptverhandlung vorzuladen und § 338
kann ihn bei seinem Ausbleiben zwangsweise vor-
führen lassen. Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung de~
Gesetzes beruhend anzusehen,
§ 331
1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschrifts·
(1) Das Urteil darf in Art und Höhe der Strafe mäßig besetzt war;
nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert wer- 2. wenn bei dem Urteil ein Richter, Geschworener
den, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gun- oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Aus-
sten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher übung des Richteramtes kraft Gesetzes aus-
Vertreter Berufung eingelegt hat. geschlossen war;
(2) Diese Vorschrift steht der Anordnung der 3. wenn bei dem Urteil ein Richter, Geschworener
Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen
einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungs- Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und
anstalt nicht entgegen. das Ablehnungsgesuch entweder für begründet
erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden
§ 332 ist;
Im übrigen gelten die im sechsten Abschnitt des 4. wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht
zweiten Buches über die Hauptverhandlung gege- angenommen hat;
benen Vorschriften. 5. wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der
Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren An-
wesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden
Vierter Abschnitt hat;
Revision 6 wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Ver-
handlung ergangen ist, bei der die Vorschriften
§ 333 über die Offentlichkeit des Verfahrens verletzt
Gegen die Urteile der Strafkammern und der sind;
Schwurgerichte ist Revision zulässig. 7. wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe ent-
hält;
§ 334 8. wenn die Verteidigung in einem für die Ent-
Gegen die Urteile des Amtsrichters ist Revision scheidung wesentlichen Punkt durch einen B~•
insoweit zulässig, als nach § 313 die Berufung aus- schluß des Gerichts unzuläsefy beschrankt wor-
geschlossen ist. den ist,
1418 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
§ 339 Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubrin-
Die Verletzung von Rechtsnormen, die lediglich gen. War zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zu-
zugunsten des Angeklagten gegeben sind, kann von gestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung.
der Staatsanwaltschaft nicht zu dem Zweck geltend (2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in
gemacht werden, um eine Aufhebung des Urteils einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt
zum Nachteil des Angeklagten herbeizuführen. unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Ge-
schäftsstelle geschehen.
§ 340
(weggefallen) § 346
(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder
§ 341 sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder
(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form
Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach angebracht worden, so hat das Gericht, dessen
Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäfts- Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch
stelle oder schriftlich eingeh,~gt werden. Beschluß als unzulässig zu verwerfen.
(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in An- (2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer
wesenheit des Angeklagten slattgefunden, so be- Woche nach ·'Zustellung des Beschlusses auf die
ginnt für diesen die Frist mit der Zustellung. Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In
diesem Falle sind die Akten an das Revisions-
§ 342 gericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils
wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vor-
(1) Der Beginn der Frist zur Einlegung der Re-
schrift des § 35 a gilt entsprechend.
vision wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß gegen
ein auf Ausbleiben des Angeklagten ergangenes
Urteil eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 347
nachgesucht werden kann. (1) Ist die Revision rechtzeitig eingelegt und sind
(2) Stellt der Angeklagte ein Gesuch um Wieder- die Revisionsanträge rechtzeitig und in der vor-
einsetzung in den vorigen Stand, so wird die geschriebenen Form angebracht, so ist die Revi-
Revision dadurch gewahrt, daß sie sofort für den sionsschrift dem Gegner des Beschwerdeführers zu-
Fall der Verwerfung jenes Gesuchs rechtzeitig ein- zustellen. Diesem steht frei, binnen einer Woche
gelegt und begründet wird. Die weitere Verfügung eine schriftliche Gegenerklärung einzureichen. Der
in bezug auf die Revision bleibt dann bis zur Er- Angeklagte kann letztere auch zu Protokoll der
ledigung des Gesuchs um Wiedereinsetzung in den Geschäftsstelle abgeben.
vorigen Stand ausgesetzt. (2) Nach Eingang der Gegenerklärung oder nach
(3) Die Einlegung der Revision ohne Verbindung Ablauf der Frist sendet die Staatsanwaltschaft die
mit dem Gesuch um Wiedereinsetzung in den vori- Akten an das Revisionsgericht.
gen Stand gilt als Verzicht auf die letztere.
§ 348
§ 343 (1) Findet das Gericht, an das die Akten gesandt
(1) Durch rechtzeitige Einlegung der Revision sind, daß die Verhandlung und Entscheidung über
wird die Rechtskraft des Urteils, soweit es ange- das Rechtsmittel zur Zuständigkeit eines anderen
fochten ist, gehemmt. Gerichts gehört, so hat es durch Beschluß seine
Unzuständigkeit auszusprechen.
(2) Dem Beschwerdeführer, dem das Urteil mit
den Gründen noch nicht zugestellt war, ist es nach (2) Dieser Beschluß, in dem das zuständige Re-
Einlegung der Revision zuzustellen. visionsgericht zu bezeichnen ist, unterliegt keiner
Anfechtung und ist für das in ihm bezeichnete
§ 344 Gericht bindend.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung ab- (3) Die Abgabe der Akten erfolgt durch die
zugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und Staa tsan w al tschaf t.
dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge),
und die Anträge zu begründen. § 349
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob (1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften
das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über über die Einlegung der Revision oder die über die
das Verfahren oder wegen Verletzung einer ande- Anbringung der Revisionsanträge nicht für be-
ren Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls obachtet, so kann· es das Rechtsmittel durch Be-
müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen schluß als unzulässig verwerfen.
angegeben werden.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag
§ 345 der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch
(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die
sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf Revision einstimmig für offensichtlich unbegrün-
der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem det erachtet.
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1419
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach § 354
Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer (1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen
mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes
Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellun-
Revisionsgericht einreichen. gen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche
des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Ein-
für begründet, so kann es das angefochtene Urteil stellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu
durch Beschluß aufheben. erkennen ist oder das Revisionsgericht in Uber-
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 einstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft
oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechts- die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen
mittel durch Urteil. von Strafe für angemessen erachtet.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine
§ 350 andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes,
(1) Dem Angeklagten und dem Verteidiger sind dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu
Ort und Zeit der Hauptverhandlung mitzuteilen. Ist demselben Land gehörendes anderes Gericht
die Mitteilung an den Angeklagten nicht ausführ- gleicher Ordnung zurückzuverweisen.
bar, so genügt die Benachrichtigung des Verteidi- (3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht
gers. niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage
(2) Der Angeklagte kann in_ der Hauptverhand- kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständig-
lung erscheinen oder sich durch einen mit schriftlicher keit gehört.
Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen. § 354 a
Der Angeklagte, der nicht auf freiem Fuße ist, hat
keinen Anspruch auf Anwesenheit. Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu
verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur
(3) Hat der Angeklagte, der nicht auf freiem Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein
Fuße ist, keinen Verteidiger gewählt, so wird anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der
ihm, falls er zu der Hauptverhandlung nicht vor- angefochtenen Entscheidung.
geführt wird, auf seinen Antrag vom Vorsitzen-
den ein Verteidiger für die Hauptverhandlung
§ 355
bestellt. Der Antrag ist binnen einer Woche zu
stellen, nachdem dem Angeklagten der Termin Wird ein Urteil aufgehoben, weil das Gericht des
für die Hauptverhandlung unter Hinweis auf sein vorangehenden Rechtszuges sich mit Unrecht für
Recht, die Bestellung eines Verteidigers zu bean- zuständig erachtet hat, so verweist das Revisions-
tragen, mitgeteilt worden ist. gericht gleichzeitig die Sache an das zuständige
Gericht.
§ 351 § 356
(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Vor- Die Verkündung des Urteils erfolgt nach Maß-
trag eines Berichterstatters. gabe des § 268.
(2) Hierauf werden die Staatsanwaltschaft sowie § 357
der Angeklagte und sein Verteidiger mit ihren Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Auf-
Ausführungen und Anträgen, und zwar der Be- hebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei
schwerdeführer zuerst, gehört. Dem Angeklagten Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich
gebührt das letzte Wort. das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf
andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt
§ 352 haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls
(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen Revision eingelegt hätten.
nur die gestellten Revisionsanträge und, soweit die
Revision auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, § 358
nur die Tatsachen, die bei Anbringung der Re- (1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten
visionsanträge bezeichnet worden sind. Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat
(2) Eine weitere Begründung der Revisionsan- die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des
träge als die in § 344 Abs. 2 vorgeschriebene ist Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entschei-
nicht erforderlich und, wenn sie unrichtig ist, un- dung zugrunde zu legen.
schädlich. (2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe
§ 353 der Strafe nicht zum Nachteil des Angeklagten ge-
ändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu
(1) Soweit die Revision für begründet erachtet seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein
wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Diese
(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde Vorschrift steht der Anordnung der Unterbringung
liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie an einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheil-
durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, anstalt oder einer Entziehungsanstalt nicht ent-
wegen deren das Urteil aufgehoben wird. gegen.
1420 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
Viertes Buch 2. wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei
einem zugunsten des Angeklagten abgelegten
Wiederaufnahme
Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vor-
eines durch recbtskräitiges Urteil
sätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eides-
abgeschlossenen V eriahrens
pflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneid-
lichen Aussage schuldig gemacht hat;
§ 359
3. wenn bei dem Urteil ein Richter, Geschworener
Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Be-
Urteil abyeschlossenen Verfahrens zugunsten des ziehung auf die Sache einer Verletzung seiner
Verurteilten ist zulässig, Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern diese
1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Verletzung mit einer im Wege des gerichtlichen
Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde un- Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen
echt oder verfälscht war; Strafe bedroht ist;
2. wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei 4. wenn von dem Freigesprochenen vor Gericht
einem zuungunsten des Verurteilten abgelegten oder außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständ-
Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vor- nis der strafbaren Handlung abgelegt wird.
sätzlichen oder fuhrlässigen Verletzung der Eides-
pflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneid- § 363
lichen Aussage schuldig gemacht hat;
(1) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu dem
3. wenn bei dem Urteil ein Richter, Geschworener Zweck, eine andere Strafbemessung auf Grund des-
oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Be- selben Strafgesetzes herbeizuführen, ist nicht zu-
ziehung auf die Sache einer Verletzung seiner lässig.
Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern die
Verletzung mit einer im Wege des gerichtlichen (2) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu dem
Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Zweck, eine Milderung der Strafe wegen verminder-
Strafe bedroht und nicht vom Verurteilten selbst ter Zurechnungsfähigkeit herbeizuführen, ist gleich-
vernnlaßt ist; t alls ausgeschlossen.
4. wenn ein zivilgerichtliches Urteil, auf welches § 364
das Strafurteil gegründet ist, durch ein anderes Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens,
rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben ist; der auf die Behauptung einer strafbaren Handlung
5. wenn neue Tatsachen oder Beweismittel bei- gegründet werden soll, ist nur dann zulässig, wenn
gebracht sind, die allein oder in Verbindung mit wegen dieser Handlung eine rechtskräftige Ver-
den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung urteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung
des Angeklagten oder in Anwendung eines mil- oder Durchführung eines Strafverfahrens aus
deren Strafgesetzes eine geringere Bestrafung anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis
oder eine wesentlich andere Entscheidung über nicht erfolgen kann. Dies gilt nicht im Falle des
eine Maßregel der Sicherung und Besserung zu § 359 Nr. 5.
begründen geeignet sind.
§ 365
§ 360 Die allgemeinen Vorschriften über Rechtsmittel
gelten auch für den Antrag auf Wiederaufnahme
(1) Durch den Antrag auf Wiederaufnahme des
des Verfahrens.
Verfahrens wird die Vollstreckung des Urteils nicht
gehemmt. § 366
(2) Das Gericht kann jedoch einen Aufschub sowie (1) In dem Antrag müssen der gesetzliche Grund
eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen. der Wiederaufnahme des Verfahrens sowie die
Beweismittel angegeben werden.
§ 361 (2) Von dem Angeklagten und den in§ 361 Abs. 2
(1) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Ver- bezeichneten Personen kann der Antrag nur mittels
fahrens wird weder durch die erfolgte Strafvoll- einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt
streckung noch durch den Tod des Verurteilten unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Ge-
ausgeschlossen. schäftsstelle angebracht werden.
(2) Im Falle des Todes sind der Ehegatte, die § 367
Verwandten auf- und absteigender Linie sowie die
(1) Uber die Zulassung des Antrags auf Wieder-
Geschwister des Verstorbenen zu dem Antrag be-
aufnahme des Verfahrens entscheidet das Gericht,
fugt.
dessen Urteil mit dem Antrag angefochten wird.
§ 362 Wird ein im Revisionsverfahren erlassenes Urteil
Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges aus anderen Gründen als auf Grund des § 359 Nr. 3
Urteil abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des oder des § 362 Nr. 3 angefochten, so entscheidet das
Angeklagten ist zulässig, Gericht, gegen dessen Urteil die Revision eingelegt
1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen war.
Gunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht (2) Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Ver-
oder verfälscht war; handlung.
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1421
§ 368 eine Maßregel der Sicherung und Besserung er-
(1) Ist der Antrag nicht in der vorgeschriebenen kannt, so tritt an die Stelle der Freisprechung die
Form angebracht oder ist darin kein gesetzlicher Aufhebung des früheren Urteils.
Grund der Wiederaufnahme geltend gemacht oder (4) Die Aufhebung ist auf Verlangen des Antrag-
kein geeignetes Beweismittel angeführt, so ist der stellers durch den Bundesanzeiger bekanntzumachen
Antrag als unzulässig zu verwerfen. und kann nach dem Ermessen des Gerichts auch
durch andere Blätter veröffentlicht werden.
(2) Andernialls ist er dem Gegner des Antrag-
stellers unter Bestimmung einer Frist zur Erklärung
§ 372
zuzustellen.
Alle Entscheidungen, die aus Anlaß eines Antrags
§ 369 auf Wiederaufnahme des Verfahrens von dem
(1) Wird der Antrag für zulässig befunden, so Gericht im ersten Rechtszug erlassen werden,
beauftragt das Gericht mit der Aufnahme der an- können mit sofortiger Beschwerde angefochten
getretenen Beweise, soweit dies erforderlich ist, werden. Der Beschluß, durch den das Gericht die
einen Richter. Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneue-
rung der Hauptverhandlung anordnet, kann von der
(2) Dem Ermessen des Gerichts bleibt es über- Staatsanwaltschaft nicht angefochten werden.
lassen, ob die Zeugen und Sachverständigen eidlich
vernommen werden sollen. § 373
(3) Bei der Vernehmung eines Zeugen oder Sach- (1) In der erneuten Hauptverhandlung ist ent-
verständigen und bei der Einnahme eines richter- weder das frühere Urteil aufrechtzuerhalten oder
lichen Augenscheins ist der Staatsanwaltschaft, dem unter seiner Aufhebung anderweit in der Sache zu
Angeklagten und dem Verteidiger die Anwesenheit erkennen.
zu gestatten. Die §§ 194, 224 Abs. 1 und § 225 gelten
entsprechend. Befindet sich der Angeklagte nicht (2) Das frühere Urteil darf in Art und Höhe der
auf freiem Fuß, so hat er einen Anspruch auf An- Strafe nicht zum Nachteil des Verurteilten geändert
wesenheit nur, wenn der Termin an der Gerichts- werden, wenn lediglich der Verurteilte, zu seinen
stelle des Ortes abgehalten wird, wo er sich in Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetz-
Haft befindet, oder seine Mitwirkung der mit der licher Vertreter die Wiederaufnahme des Verfahrens
Beweiserhebung bezweckten Klärung dienlich ist. beantragt hat. Diese Vorschrift steht der Anordnung
der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt,
(4) Nach Schluß der Beweisaufnahme sind die einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungs-
Staatsanwaltschaft und der Angeklagte unter Be- anstalt nicht entgegen.
stimmung einer Frist zu weiterer Erklärung auf-
zufordern.
§ 373a
§ 370 Für die Wiederaufnahme eines durch rechts-
(1) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Ver- kräftigen Strafbefehl abgeschlossenen Verfahrens
fahrens wird ohne mündliche Verhandlung als un- gelten die Vorschriften der §§ 359 bis 373 ent-
begründet verworfen, wenn die darin aufgestellten sprechend.
Behauptungen keine genügende Bestätigung ge--
funden haben oder wenn in den Fällen des § 359
Nr. 1 und 2 oder des § 362 Nr. 1 und 2 nach Lage
Fünftes Buch
der Sache die Annahme ausgeschlossen ist, daß die Beteiligung des Verletzten am Verfahren
in diesen Vorschriften bezeichnete Handlung auf die
Entscheidung Einfluß gehabt hat. Erster Abschnitt
(2) Andernfalls ordnet das Gericht die Wieder- Privatklage
aufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der
Hauptverhandlung an. § 374 3 }
(1) Im Wege der P_rivatklage können vom Ver-
letzten verfolgt werden, ohne daß es einer vor-
§ 371 gängigen Anrufung der Staatsanwaltschaft bedarf,
(1) Ist der Verurteilte bereits verstorben, so hat 1. das Vergehen des Hausfriedensbruchs im Falle
ohne Erneuerung der Hauptverhandlung das Ge- des § 123 des Strafgesetzbuches;
richt nach Aufnahme des etwa noch erforderlichen 2. die Vergehen der Beleidigung in den Fällen der
Beweises entweder auf Freisprechung zu erkennen §§ 185 bis 187 a und 189 des Strafgesetzbuches,
oder den Antrag auf Wiederaufnahme abzulehnen. wenn nicht eine der im § 197 bezeichneten politi-
(2) Auch in anderen Fällen kc1nn das Gericht, bei schen Körperschaften beleidigt ist;
öffentlichen Klagen jedoch nur mit Zustimmung der 3. die Vergehen der Körperverletzung in den Fällen
Staatsanwaltschaft, den Verurteilten sofort frei- der§§ 223, 223 a und 230 des Strafgesetzbuches;
sprechen, wenn dazu genügende Beweise bereits
3) § 374 Abs. 1 Nr. 8, neugefaßt durch § 139 des Urheberrechtsgesetzes
vorliegen. vom 9. September 1965 (Bundes~Jeseizbl. I S. 1273), gilt bis zum
Inkrafttreten des Änderungsgesetzes am !. Januar 1966 in folgender
(3) Mit der Freisprechung ist die Aufhebung des Fassung:
.,8. alle Verletzungen des literarischen, künstlerischen und gewerb-
früheren Urteils zu verbinden. War lediglich auf lichen Urheberrechts, soweit sie als Vergehen strafbar sind."
1422 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
4. das Vergehen der Bedrohung im Falle des § 241 § 378
des Strafgesetzbuches;
Der Privatkläger kann im Beistand eines Rechts-
5. das Vergehen der Verletzung fremder Geheim- anwalts erscheinen oder sich durch einen mit schrift-
nisse im Falle des § 299 des Strafgesetzbuches; licher Vollmacht versehenen Rechtsanwalt vertreten
6. das Vergehen der Sachbeschädigung im Falle des lassen. Im letzteren Falle können die Zustellungen
§ 303 des Strafgesetzbuches; an den Privatkläger mit rechtlicher Wirkung an den
1. alle nach dem Gesetz gegen den unlauteren Anwalt erfolgen. Die Vorschriften des § 146 Abs. 2
Wettbewerb strafbaren Vergehen; und des § 218 Abs. 2 gelten entsprechend.
8. alle Verletzungen des Patent-, Gebrauchsmuster-,
Warenzeichen- und Geschmacksmusterrechtes, so- § 379
weit sie als Vergehen strafbar sind, sowie die
Vergehen nach den §§ 106 bis 108 des Urheber- (1) Der Privatkläger hat für die dem Beschuldigten
rechtsgesetzes. voraussichtlich erwachsenden Kosten unter densel-
ben Voraussetzungen Sicherheit zu leisten, unter
(2) Die gleiche Befugnis steht denen zu, welchen denen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten der Klä-
in den Strafgesetzen das Recht, selbständig auf Be- ger auf Verlangen des Beklagten Sicherheit wegen
strafung anzutragen, beigelegt ist. der Prozeßkosten zu leisten hat.
(3) Hat der Verletzte einen gesetzlichen Vertre- (2) Die Sicherheitsleistung ist durch Hinterlegung
ter, so wird die Befugnis zur Erhebung der Privat- in barem Geld oder in Wertpapieren zu bewirken.
klage durch diesen und, wenn Körperschaften, Ge-
sellschaften und andere Personenvereine, die als (3) Für die Höhe der Sicherheit und die Frist- zu
solche in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten klagen ihrer Leistung sowie für das Armenrecht gelten die-
können, die Verletzten sind, durch dieselben Per- selben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechts-
sonen wahrgenommen, durch die sie in bürgerlichen streitigkeiten.
Rechtsstreitigkeiten vertreten werden.
§ 319a
(1) Zur Zahlung des Gebührenvorschusses nach
§ 315
§ 113 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes soll, sofern
(1) Sind wegen derselben strafbaren Handlung nicht dem Privatkläger das Armenrecht bewilligt ist
mehrere Personen zur Privatklage berechtigt, so ist oder Gebührenfreiheit zusteht, vom Gericht eine
bei Ausübung dieses Rechts ein jeder von dem an- Frist bestimmt werden; hierbei soll auf die nach
deren unabhängig. Absatz 3 eintretenden Folgen hingewiesen werden.
(2) Hat jedoch einer der Berechtigten die Privat- (2) Vor Zahlung des Vorschusses soll keine ge-
klage erhoben, so steht den übrigen nur der Beitritt richtliche Handlung vorgenommen werden, es sei
zu dem eingeleiteten Verfahren, und zwar in der denn, daß glaubhaft gemacht wird, daß die Verzöge-
Lage zu, in der es sich zur Zeit der Beitritts- rung dem Privatkläger einen nicht oder nur schwer
erklärung befindet. zu ersetzenden Nachteil bringen würde.
(3) Jede in der Sache selbst ergangene Entschei- (3) Nach fruchtlosem Ablauf der nach Absatz 1 ge-
dung äußert zugunsten des Beschuldigten ihre Wir- stellten Frist wird die Privatklage zurückgewiesen.
kung auch gegenüber solchen Berechtigten, welche Der Beschluß kann mit sofortiger Beschwerde an-
die Privatklage nicht erhoben haben. gefochten werden. Er ist von dem Gericht, das ihn
erlassen hat, von Amts wegen aufzuheben, wenn
§ 316 sich herausstellt, daß die Zahlung innerhalb der
gesetzten Frist eingegangen ist.
Die öffentliche Klage wird wegen der in § 374
bezeichneten strafbaren Handlungen von der Staats-
anwaltschaft nur dann erhoben, wenn dies im öffent- § 380
lichen Interesse liegt. (1) Wegen Hausfriedensbruchs, Beleidigung, leich-
ter vorsätzlicher oder fahrlässiger Körperverletzung,
§ 311
Bedrohung, Sachbeschädigung und Verletzung frem-
(1) Im Privatklageverfahren ist der Staatsanwalt der Geheimnisse (§ 299 des Strafgesetzbuches) ist
zu einer Mitwirkung nicht verpflichtet. Das Gericht die Erhebung der Klage erst zulässig, nachdem von
legt ihm die Akten vor, wenn es die Ubernahme der einer durch die Landesjustizverwaltung zu bezeich-
Verfolgung durch ihn für geboten hält. nenden Vergleichsbehörde die Sühne erfolglos ver-
(2) Auch kann die Staatsanwaltschaft in jeder sucht worden ist. Der Kläger hat die Bescheinigung
Lage der Sache bis zum Eintritt der Rechtskraft des hierüber mit der Klage einzureichen.
Urteils durch eine ausdrückliche Erklärung die Ver- (2) Die Landesjustizverwaltung kann bestimmen,
folgung übernehmen. In der Einlegung eines Rechts- daß die Vergleichsbehörde ihre Tätigkeit von der
mittels ist die Ubernahme der Verfolgung enthalten. Einzahlung eines angemessenen Kostenvorschusses
(3) Ubernimmt die Staatsanwaltschaft die Ver- abhängig machen darf.
folgung, so richtet sich das weitere Verfahren nach (3) Die Vorschriften der Absätze 1 und 2 gelten
den Vorschriften, die im zweiten Abschnitt dieses nicht, wenn der amtliche Vorgesetzte nach § 196 oder
Buches für den Anschluß des Verletzten als Neben- § 232 Abs. 3 des Strafgesetzbuches befugt ist, Straf-
kläger gegeben sind. antrag zu stellen.
Nr. 54 --·- Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1423
(4) Wohnen die Parteien nicht in demselben Ge- (3) Zwischen der Zustellung der Ladung des Pri-
meindebezirk, so kann nach näherer Anordnung der vatklägers zur Hauptverhandlung und dem Tag der
Landesjustizverwaltung von einem Sühneversuch letzteren muß eine Frist von mindestens einer
abgesehen werden. Woche liegen.
§ 381 (4) Das Recht der Akteneinsicht kann der Privat-
Die Erhebung der Klage geschieht zu Protokoll kläger nur durch einen Anwalt ausüben.
der Geschäftsstelle oder durch Einreichung einer (5) In den Fällen des § 154 a ist dessen Absatz 3
Anklageschrift.' Die Klage muß den in § 200 Abs. 1 Satz 2 nicht anzuwenden.
bezeichneten Erfordernissen entsprechen. Mit der {6) Im Revisionsverfahren ist ein Antrag des Pri-
Anklageschrift sind zwei Abschriften einzureichen. vatklägers nach § 349 Abs. 2 nicht erforderlich. § 349
Abs. 3 ist nicht anzuwenden.
§ 382
§ 386
Ist die Klage vorschriftsmi-ißig erhoben, so teilt
das Gericht sie dem Beschuldigten unter Bestim- (1) Der Vorsitzende des Gerichts bestimmt, welche
mung einer Frist zur Erklärung mit. Personen als Zeugen oder Sachverständige zur
Hauptverhandlung geladen werden sollen.
§ 383 (2) Dem Privatkläger wie dem Angeklagten steht
das Recht der unmittelbaren Ladung zu.
(1) Nach Eingang der Erklärung des Beschuldigten
oder Ablauf der Frist entscheidet das Gericht dar-
§ 387
über, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder die
Klage zurückzuweisen ist, nach Maßgabe der Vor- (1) In der Hauptverhandlung kann auch der An-
schriften, die bei einer von der Staatsanwaltschaft geklagte im Beistand eines Rechtsanwalts erschei-
unmittelbar erhobenen Anklage anzuwenden sind. nen oder sich auf Grund einer schriftlichen Voll-
In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren er- macht durch einen solchen vertreten lassen.
öffnet wird, bezeichnet das Gericht den Angeklagten (2) Die Vorschrift des § 139 gilt für den Anwalt
und die Tat gemäß § 200 Abs. 1 Satz 1. des Klägers und für den des Angeklagten.
(2) Ist die Schuld des Täters gering, so kann das (3) Das Gericht ist befugt, das persönliche Erschei-
Gericht das Verfahren einstellen. Die Einstellung ist nen des Klägers sowie des Angeklagten anzuord-
auch noch in der Hauptverhandlung zulässig. Der nen, auch den Angeklagten vorführen zu lassen.
Beschluß kann mit sofortiger Beschwerde angefoch-
ten werden. § 388
§ 384 (1) Hat der Verletzte die Privatklage erhoben, so
(1) Das weitere Verfahren richtet sich nach den kann der Beschuldigte bis zur Beendigung der
Vorschriften, die für das Verfahren auf erhobene Schlußvorträge (§ 258) im ersten Rechtszug mittels
öffentliche Klage gegeben sind. Jedoch dürfen Maß- einer Widerklage die Bestrafung des Klägers be-
regeln der Sicherung und Besserung nicht angeord- antragen, wenn er von diesem gleichfalls durch ein
net werden. Vergehen verletzt worden ist, das im Wege der
(2) § 243 ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß Privatklage verfolgt werden kann und mit dem den
der Vorsitzende den Beschluß über die Eröffnung Gegenstand der Klage bildenden Vergehen in Zu-
des Hauptverfahrens verliest. sammenhang steht.
(2) Ist der Kläger nicht der Verletzte (§ 374
(3) Das Gericht bestimmt unbeschadet des § 244
Abs. 2), so kann der Beschuldigte die Widerklage
Abs. 2 den Umfang der Beweisaufnahme.
gegen den Verletzten erheben. In diesem Falle be-
(4) Die Vorschrift des § 265 Abs. 3 über das Recht, darf es der Zustellung der Widerklage an den Ver-
die Aussetzung der Hauptverhandlung zu verlan- letzten und dessen Ladung zur Hauptverhandlung,
gen, ist nicht anzuwenden. sofern die Widerklage nicht in der Hauptverhand-
(5) Vor dem Schwurgericht kann eine Privatklage- lung in Anwesenheit des Verletzten erhoben wird.
sache nicht gleichzeitig mit einer auf öffentliche (3) Uber Klage und Widerklage ist gleichzeitig zu
Klage anhängig gemachten Sache verhandelt wer- erkennen.
den. (4) Die Zurücknahme der Klage ist auf das Ver-
§ 385 fahren über die Widerklage ohne Einfluß.
(1) Soweit in dem Verfahren auf erhobene öffent-
liche Klage die Staatsanwaltschaft zuzuziehen und § 389
zu hören ist, wird in dem Verfahren auf erhobene (1) Findet das Gericht nach verhandelter Sache,
Privatklage der Privalkläger zugezogen und gehört. daß die für festgestellt zu erachtenden Tatsachen
Alle Entscheidungen, die dort der Staatsanwalt- eine strafbare Handlung darstellen, auf die das in
schaft bekanntgemacht werden, sind hier dem Pri- diesem Abschnitt vorgeschriebene Verfahren nicht
vatkläger bekanntzugeben. anzuwenden ist, so hat es durch Urteil, das diese
(2) Es werden jedoch die auf richterliche Anord- Tatsachen hervorheben muß, die Einstellung des
nung ergehenden Ladungen nicht durch die Staats- Verfahrens auszusprechen.
anwaltschaft, sondern durch die Geschäftsstelle be- (2) Die Verhandlungen sind in diesem Falle der
wirkt. Staatsanwaltschaft mitzuteilen.
1424 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
§ 390 (2) Eine Privatklage wegen Beleidigung kann
(1) Dem Privatkläger stehen die Rechtsmittel zu jedoch nach dem Tode des Klägers von dessen
die in dem Verfahren auf erhobene öffentliche Klag~ Eltern, Kindern, Geschwistern oder dem Ehegatten
der Staatsanwaltschaft zustehen. Dasselbe gilt von fortgesetzt werden.
dem Antrag auf Wiederaufnahme de Verfahrens in (3) Die Fortsetzung ist von dem Berechtigten bei
den Fällen des § 362. Die Vorschrift des § 301 ist auf Verlust des Rechts binnen zwei Monaten, vom Tode
das Rechtsmittel des Privatklägers anzuwenden. des Privatklägers an gerechnet, bei Gericht zu er-
(2) Revisionsanträge und Anträge auf Wieder- klären.
aufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil ab-
§ 394
geschlossenen Verfahrens kann der Privatkläger
nur mittels einer von einem Rechtsanwalt unter- Die Zurücknahme der Privatklage und der Tod
zeichneten Schrift anbringen des Privatklägers sowie die Fortsetzung der Privat-
klage sind dem Beschuldigten bekanntzumachen.
(3) Die in den § § 320, 321 und 34 7 angeordnete
Vorlage und Einsendung der Akten erfolgt wie im
Verfahren auf erhobene öffentliche Klage an und
durch die Staatsanwaltschaft. Die Zustellung der zweiter Abschnitt
Berufungs- und Revisionsschriften an den Gegner
des Beschwerdeführers wird durch die Geschäfts- Nebenklage
stelle bewirkt.
§ 395
(4) Die Vorschrift des § 379 a über die Zahlung
des Gebührenvorschusses und die Folgen nicht (1) Wer nach Maßgabe der Vorschrift des § 374
rechtzeitiger Zahlung gilt entsprechend. als Privatkläger aufzutreten berechtigt ist, kann sieb
der erhobenen öffentlichen Klage in jeder Lage des
(5) Die Vorschrift des § 383 Abs. 2 Satz 1 und 2
Verfahrens als Nebenkläger anschließen. Der An-
über die Einstellung wegen Geringfügigkeit gilt
schluß kann zur Einlegung von Rechtsmitteln auch
auch im Berufungsverfahren. Der Beschluß ist nicht
anfechtbar. nach ergangenem Urteil geschehen.
(2) Die gleiche Befugnis steht zu
§ 391
1. den Eltern, Kindern, Geschwistern und dem Ehe-
(1) Die Privatklage kann in jeder Lage des Ver- gatten eines durch eine mit Strafe bedrohte Hand-
fahrens zurückgenommen werden. Nach Beginn der lung Getöteten;
Vernehmung des Angeklagten zur Sache in der
2. dem Verletzten, der durch einen Antrag auf ge-
Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges bedarf
richtliche Entscheidung (§ 172) die Erhebung der
die Zurücknahme der Zustimmung des Angeklagten.
öffentlichen Klage herbeigeführt hat.
(2) Als Zurücknahme gilt es im Verfahren des
ersten Rechtszuges und, soweit der Angeklagte die (3) Im Falle des § 95 des Strafgesetzbuches steht
Berufung eingelegt hat, im Verfahren des zweiten dem Bundespräsidenten und im Falle des § 97 des
Rechtszuges, wenn der Privatkläger in der Haupt- Strafgesetzbuches der betroffenen Person · die Be-
verhandlung weder erscheint noch durch einen fugnis zu, sieb der öffentlichen Klage als Neben-
Rechtsanwalt vertreten wird oder in der Haupt- kläger anzuschließen.
verhandlung oder einem anderen Termin ausbleibt, § 396
obwohl das Gericht sein persönliches Erscheinen
(1) Die Anschlußerk.lärung ist bei dem Gericht
angeordnet hatte, oder eine Frist nicht einhält, die
ihm unter Androhung der Einstellung des Ver- schriftlich einzureichen.
fahrens gesetzt war. (2) Das Gericht hat über die Berechtigung des
(3) Soweit der Privatkläger die Berufung ein- Nebenklägers zum Anschluß nach Anhörung der
gelegt hat, ist sie im Falle der vorbezeichneten Ver- Staatsanwaltschaft zu entscheiden. Erwägt das Ge-
säumungen unbeschadet der Vorschrift des § 301 richt, das Verfahren nach § 153 Abs. 3 einzustellen,
sofort zu verwerfen. so entscheidet es zunächst über die Berechtigung
zum Anschluß.
(4) Der Privatkläger kann binnen einer Woche
nach der Versäumung die Wiedereinsetzung in den (3) Zu einer Sicherheitsleistung ist der Neben-
vorigen Stand unter den in den §§ 44 und 45 be- kläger nicht verpflichtet.
zeichneten Voraussetzungen beanspruchen.
§ 397
§ 392 (1) Der Nebenkläger hat nach erfolgtem Anschluß
Die zurückgenommene Privatklage kann nicht von die Rechte des Privatklägers.
neuem erhoben werden. (2) Wird die Verfolgung nach § 154 a beschränkt,
so berührt dies nicht das Recht, sich der erhobenen
öffentlichen Klage als Nebenkläger anzuschließen.
§ 393 Wird der Nebenkläger zum Verfahren zugelassen,
(1) Der Tod des Privatklägers hat die Einstellung so entfällt eine Beschränkung nach § 154 a Abs. 1
des Verfahrens zur Folge. oder 2, soweit sie die Nebenklage betrifft.
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1425
§ 398 verhandlung auch mündlich bis zum Beginn der
(1) Der Fortgang des Verfahrens wird durch den Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegen-
Anschluß nicht auf9ehalten. stand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen
und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag
(2) Die bereits anberaumte Hauptverhandlung außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird
sowie andere Termine findlm an den bestimmten er dem Beschuldigten zugestellt.
Tagen statt, auch wenn der Nebenkläger wegen
Kürze der Zeit nicht mehr geladen oder benach- (2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen
richtigt werden konnte. wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechts-
streit.
§ 399 (3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhand-
lung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und
(1) Entscheidungen, die schon vor dem Anschluß Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der
ergangen und der Staatsanwaltschaft bekannt- Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der
gemacht waren, bedürfen keiner Bekanntmachung Ehegatte des Antragsberechtigten können an der
an den Nebenkläger. Hauptverhandlung teilnehmen.
(2) Die Anfechtung solcher Entscheidungen steht (4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des
auch dem Nebenkläger nicht mehr zu, wenn für die Urteils zurückgenommen werden.
Staatsanwaltschaft die Frist zur Anfechtung ab-
gelaufen ist.
§ 405
§ 400
Das Gericht sieht von einer Entscheidung über
Ist in der Hauptverhandlung weder der Neben- den Antrag im Urteil ab, wenn der Angeklagte einer
kläger noch Eün Anwalt des Nebenklägers er- Straftat nicht schuldig gesprochen und auch nicht
schienen, so wird das Urteil dem ersteren zugestellt. eine Maßregel der Sicherung und Besserung gegen
ihn angeordnet wird oder soweit der Antrag un-
§ 401 begründet erscheint. Es sieht von der Entscheidung
(1) Der Rechtsmittel kann sich der Nebenkläger auch dann ab, wenn sich der Antrag zur Erledigung
unabhängig von der Staatsanwaltschaft bedienen. im Strafverfahren nicht eignet, insbesondere wenn
Die Vorschrift des § 379 a über die Zahlung des seine Prüfung das Verfahren verzögern würde oder
Gebührenvorschusses und die Folgen nicht recht- wenn der Antrag unzulässig ist; dies kann in jeder
zeitiger Zahlung gilt entsprechend. Lage des Verfahrens auch durch Beschluß geschehen.
(2) Wird auf ein nur von dem Nebenkläger ein-
§ 406
gelegtes Rechtsmittel die angefochtene Entscheidung
aufgehoben, so liegt der Betrieb der Sache wiederum (1) Soweit der Antrag nach dem Ergebnis der
der Staatsanwaltschaft ob. Hauptverhandlung begründet ist, gibt ihm das
Gericht im Urteil statt. Die Entscheidung darf sic9-
§ 402 nicht auf den Grund des geltend gemachten An-
spruchs beschränken.
Die Anschlußerklärung verliert durch Widerruf
(2) Das Gericht kann die Entscheidung für vor-
sowie durch den Tod des Nebenklägers ihre
Wirkung. läufig vollstreckbar erklären. Es kann die vorläufige
Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung ab-
hängig machen; es kann auch dem Angeklagten
Dritter Abschnitt gestatten, sie durch Sicherheitsleistung abzuwenden.
Entschädigung des Verletzten Diese Anordnungen können durch unanfechtbaren
Beschluß auch nachträglich getroffen, geändert oder
§ 403 aufgehoben werden.
(1) Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den (3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem
Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Endurteil
vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständig- gleich. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist,
keit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht kann er anderweit geltend gemacht werden.
anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im (4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des
Strafverfahren geltend machen, im Verfahren vor Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.
dem Amtsgericht jedoch nur insoweit, als der An-
spruch zu dessen Zuständigkeit gehört.
§ 406a
(2) Der Verletzte oder sein Erbe soll von dem
(1) Dem Antragsteller steht, auch soweit das
Strafverfahren möglichst frühzeitig Kenntnis er-
Gericht von einer Entscheidung absieht, ein Rechts-
halten; dabei soll er auf die Möglichkeit, seinen
mittel nicht zu.
Anspruch auch im Strafverfahren geltend zu machen,
hingewiesen werden. (2) Soweit das Gericht dem Antrag stattgibt, kann
der Angeklagte die Entscheidung auch ohne den
§ 404
strafrechtlichen Teil des Urteils mit dem sonst zu-
(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend lässigen Rechtsmittel anfechten. In diesem Falle
gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zur kann über das Rechtsmittel durch Beschluß in nicht-
Niederschrift des Urkundsbeamten, in der Haupt- öffentlicher Sitzung entschieden werden.
1426 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
(3) Wird auf ein Rechtsmittel unter Aufhebung barmachung, Verfallerklärung, Bekanntmachung
der Verurteilung der Angeklagte einer Straftat nicht der Entscheidung und Befugnis zur Beseitigung
schuldig gesprochen und cmch nicht eine Maßregel eines gesetzwidrigen Zustandes sowie
der Sicherung und Besserung gegen ihn angeordnet, 2 Entziehung der Fahrerlaubnis, bei der die Sperre
so ist zugleich die dem Antrag stattgebende Ent- nicht mehr als ein Jahr beträgt.
scheidung aufzuheben, auch wenn das Urteil inso-
(3) Die Staatsanwaltschaft kann bei dem Antrag
weit nicht angefochten ist.
auf Erlaß des Strafbefehls zugleich den in § 25
Nr. 2 c des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeich-
§ 406b neten Antrag für den Fall stellen, daß der Amts-
Die Vollstreckung richtet sich nach den Vor- richter die Sache zur Hauptverhandlung bringt
schriften, die für die Vollstreckung von Urteilen in oder der Beschuldigte Einspruch erhebt
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten. Für das (4) Der Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls steht
Verfahren nach den§§ 731, 767, 768, 887 bis 890 der im Sinne des § 147 Abs. 5 und des § 169 a Abs. 1
Zivilprozeßordnung ist das Gericht der bürgerlichen der Einreichung einer Anklageschrift gleich. § 169 a
Rechtspflege zuständig, in dessen Bezirk das Straf- Abs. 2 und § 169 b sind nicht anzuwenden. Der vor-
gericht des ersten Rechtszuges seinen Sitz hat. Ein- herigen Anhörung des Beschuldigten durch das Ge-
wendungen, die den Anspruch selbst betreffen, sind richt (§ 33 Abs. 3) bedarf es nicht.
nur insoweit zuliissig, als die Gründe, auf denen sie
beruhen, nach Schluß der Hauptverhandlung des
ersten Rechtszuges und, wenn das Berufungsgericht § 408
entschieden hat, nach Schluß der Hauptverhandlung
(1) Der Antrag ist auf eine bestimmte Strafe,
im Berufungsrechtszug entstanden sind.
Nebenfolge oder Maßregel der Sicherung und
Besserung zu richten. Der Amtsrichter hat ihm zu
§ 406c entsprechen, wenn dem Erlaß des Strafbefehls Be-
(1) Den Antrag auf Wiederaufnahme ries Ver- denken nicht entgegenstehen
fahrens kann der Angeklagte darauf beschränken, (2) Der Amtsrichter hat Hauptverhandlung an-
eine wesentlich andere Entscheidung über den An- zuberaumen, wenn er Bedenken hat, ohne Haupt-
spruch herbeizuführen. Das Gericht entscheidet dann verhandlung zu entscheiden. Dasselbe gilt, wenn der
ohne Erneuerung der Hauptverhandlung durch Amtsrichter eine andere als die beantragte Strafe,
Beschluß. Nebenfolge oder Maßregel der Sicherung und Bes-
(2) Richtet sich der Antrag auf Wiederaufnahme serung festsetzen oder über die Strafaussetzung zur
des Verfahrens nur gegen den strafrechtlichen Teil Bewährung abweichend vom Antrag der Staats-
des Urteils, so gilt § 406 a Abs. 3 entsprechend. anwaltschaft entscheiden will und die Staats-
anwaltschaft bei ihrem Antrag beharrt.
§ 406d
· (1) Verlangt der Verletzte nach den Vorschriften § 409
des Strafrechts eine Buße, so sind die vorstehenden
Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, soweit (1) Der Strafbefehl muß außer der Festsetzung
nichts anderes bestimmt ist. der Strafe, Nebenfolge oder Maßregel der Siche-
rung und Besserung die strafbare Handlung, das
(2) Ist der Antrag auf Zuerkennung einer Buße angewendete Strafgesetz und die Beweismittel be-
unzulässig oder unbegründet, so wird er im Urteil zeichnen, auch die Eröffnung enthalten, daß er voll-
abgelehnt. streckbar wird, wenn der Beschuldigte nicht binnen
einer Woche nach der Zustellung bei dem Amts-
Sechstes Buch gericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäfts-
stelle Einspruch erhebt.
Besondere Arten des Verfahrens
(2) Der Strafbefehl wird auch dem gesetzlichen
Erster Abschnitt Vertreter des Angeklagten mitgeteilt.
(3) Die Vorschriften des § 267 Abs. 6 Satz 2, der
Verfahren bei Strafbefehlen
§§ 297 bis 300 und des § 302 gelten entsprechend.
§ 407
(1) Bei Ubertretungen und Vergehen kann die § 410
Strafe durch schriftlichen Strafbefehl des Amts-
Ein Strafbefehl, gegen den nicht rechtzeitig Ein-
richters ohne Hauptverhandlung festgesetzt werden,
spruch erhoben worden ist, erlangt die Wirkung
wenn die Staatsanwaltschaft schriftlich hierauf an-
eines rechtskräftigen Urteils.
trägt.
(2) Durch Strafbefehl dürfen nur die folgenden
Strafen, Nebenfolgen und Maßregeln der Sicherung § 411
und Besserung, allein oder nebeneinander, fest- (1) Bei rechtzeitigem Einspruch wird zur Haupt-
gesetzt werden: verhandlung geschritten, sofern nicht bis zu ihrem
1. Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, Geldstrafe, Beginn die Staatsanwaltschaft die Klage fallen läßt
Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung, Unbrauch- oder der Einspruch zurückgenommen wird.
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1427
(2) Der Angeklagte kann sich in der Haupt- und führt die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren
verhandlung durch einen mit schriftlicher Vollmacht wegen der Zurechnungsunfähigkeit des Beschul-
versehenen Verteidiger vertrc ten lassen. digten nicht durch, so kann sie den Antrag stellen,
(3) Bei der Urteilsfällung ist das Gericht an den seine Unterbringung in einer Heil- oder Pflege-
im Strafbefehl enthaltenen Ausspruch nicht ge- anstalt selbständig anzuordnen (Sicherungsver-
bunden. fahren).
§ 412 § 429 b
(1) Bleibt der Angeklagte ohne genügende Ent- (1) Für das Sicherungsverfahren gelten sinn-
schuldigung in der I-Iauptverhandlung aus und wird gemäß die Vorschriften über das Strafverfahren,
er auch nicht durch einen Verteidiger vertreten, so soweit nichts anderes bestimmt ist.
wird der Einspruch ohne Beweisaufnahme durch (2) Der Antrag steht der öffentlichen Klage
Urteil verworfen. gleich. An die Stelle der Anklageschrift tritt eine
(2) Ein Angeklagter, dem gegen den Ablauf der Antragsschrift, die den Erfordernissen der Anklage-
Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen schrift entsprechen muß. Wird im Urteil die Unter-
Stand gewährt worden war, kann sie nicht mehr bringung nicht angeordnet, so ist auf Ablehnung
gegen das Urteil beanspruchf-m. des Antrags zu erkennen.
(3) Für das Sicherungsverfahren ist die Straf-
kammer als erkennendes Gericht des ersten Rechts-
Zweiter Abschnitt zuges zuständig.
Verfahren bei Strafverfügungen § 429 C
(1) Ist im Sicherungsverfahren das Erscheinen des
§ 413 Beschuldigten vor Gericht wegen seines Zustandes
(1) Auf Grund landesrechtlicher Bestimmungen unmöglich oder aus Gründen der öffentlichen Sicher-
können die Polizeibehörden bei Ubertretungen ihre heit oder Ordnung unangebracht, so kann das Ge-
Verhandlungen nach Anhörung des Beschuldigten richt die Hauptverhandlung durchführen, ohne daß
statt der Staatsanwaltschaft (§ 163 Abs. 2) dem der Beschuldigte zugegen ist.
Amtsgericht übersenden. Die Beweismittel sowie (2) In diesem Falle ist der Beschuldigte vor der
die anzuwendenden Strafvorschriften sind zu be- Hauptverhandlung durch einen beauftragten Richter
zeichnen; auch ist ein Vorschlag zum Strafmaß zu unter Zuziehung eines Sachverständigen zu ver-
machen. nehmen. Von dem Vernehmungstermin sind die
(2) Der Amtsrichter setzt durch Strafverfügung Staatsanwaltschaft, der Beschuldigte, der Verteidi-
ohne Hauptverhandlung Haft, Geldstrafe, Fahrver- ger und der gesetzliche Vertreter zu benachrichtigen.
bot, Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung Ihrer Anwesenheit bei der Vernehmung bedarf es
oder Befugnis zur Beseitigung eines gesetzwidrigen nicht.
Zustandes, allein oder nebeneinander, fest. An (3) Fordert es die Rücksicht auf den Zustand des
den Vorschlag der Polizeibehörde ist er nicht ge- Beschuldigten oder ist eine ordnungsmäßige Durch-
bunden. Einer Mitwirkung der Staatsanwaltschaft be- führung der Hauptverhandlung sonst nicht möglich,
darf es nicht. so kann das Gericht im Sicherungsverfahren nach
(3) Der Amtsrichter übersendet die Akten der der Vernehmung des Beschuldigten zur Sache die
Staatsanwaltschaft, wenn er Bedenken hat, ohne Hauptverhandlung durchführen, auch wenn der Be-
Hauptverhandlung zu entscheiden, oder wenn er schuldigte nicht oder nur zeitweise zugegen ist.
noch weitere Ermittlungen für nötig erachtet. (4) Soweit eine Hauptverhandlung ohne den Be-
(4) Die §§ 409 bis 412 gelten entsprechend. Der schuldigten stattfindet, können seine früheren Er-
vorherigen Anhörung des Beschuldigten durch das klärungen, die in einem richterlichen Protokoll ent-
Gericht (§ 33 Abs. 3) bedarf es nicht. halten sind, verlesen werden. Das Protokoll über
die Vorvernehmung nach Absatz 2 Satz 1 ist zu ver-
(5) Der Amtsrichter kann das Verfahren unter lesen.
den Voraussetzungen des § 153 Abs. 1 einstellen;
der Beschluß kann nicht angefochten werden. § 429 d
(1) Ergibt sich im Sicherungsverfahren nach der
§§ 414 bis 429 Eröffnung des Hauptverfahrens die Zurechnungs-
(weggefallen) fähigkeit des Beschuldigten und ist das Gericht
für das Strafverfahren nicht zuständig, so spricht
es durch Beschluß seine Unzuständigkeit aus und
verweist die Sache an das zuständige Gericht. § 270
Dritter Abschnitt Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.
Sicherungsverfahren (2) Ergibt sich im Sicherungsverfahren nach der
Eröffnung des Hauptverfahrens die Zurechnungs-
§ 429 a
fähigkeit des Beschuldigten und ist das Gericht
Liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß der Be- auch für das Strafverfahren zuständig, so ist der
schuldigte eine mit Strafe bedrohte Handlung im Beschuldigte auf die veränderte Rechtslage hinzu-
Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen hat weisen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung zu
1428 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
geben. Behi.rnpl.el er, m1J die Verteidigung nicht Verfassungsverrats oder des Landesverrats (§§ 80
genügend vorberni i.ct zu sein, so ist auf seinen An- bis 83, 89, 100 bis 100 b, 100 d Abs. 1 und § 100 f des
trag die Hi:luplverhandlung auszusetzen. Ist auf Strafgesetzbuches) die öffentliche Klage erhoben oder
Grund des § 429 c in Abwesenheit des Beschuldigten Haftbefehl erlassen worden ist, kann mit Beschlag
verhandelt worden, so sind diejenigen Teile der belegt werden. Die Beschlagnahme umfaßt auch das
Hauptverhandlung zu wiecforholEm, bei denen der Vermögen, das dem Beschuldigten später zufällt. Sie
Beschuldigle nicht zugegen war. wirkt, wenn sie nicht vorher aufgehoben wird, bis
zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens.
§ 429 e (2) Die Beschlagnahme wird durch den Richter an-
(weggefallen) geordnet. Bei Gefahr im Verzug kann die Staats-
anwaltschaft die Beschlagnahme vorläufig anordnen;
die vorläufige Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie
Vierter Abschnitt nicht binnen drei Tagen vom Richter bestätigt wird.
Verfahren bei Einziehungen und (3) Die Vorschriften der §§ 291 bis 293 gelten ent-
Vermögensbeschlagnahmen sprechend.
§§ 434 bis 448
§ 430
(weggefallen)
(1) In den Fällen, in denen nach § 42 des Straf-
gesetzbuches oder nach anderen gesetzlichen Vor-
schriften auf Einziehung, Vernichtung oder Un- Siebentes Buch
brauchbarmachung von Gegenständen selbständig
erkannt werden kann, ist der Antrag, sofern die Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens
Entscheidung nicht in Verbindung mit einem Urteil
in der Hauptsache ergeht, seitens der Staatsanwalt- Erster Abschnitt
schaft oder des Privatklägers bei dem Gericht zu Strafvollstreckung
stellen, das für den Fall der Verfolgung einer be-
stimmten Person zuständig sein würde. § 449
(2) An die Stelle des Schwurgerichts tritt die Strafurteile sind nicht vollstreckbar, bevor sie
Strafkammer. rechtskräftig geworden sind.
§ 431
§ 450
(1) Uber den Antrag nach § 430 Abs. 1 wird, wenn
die Staatsanwaltschaft oder ein Beteiligter (Absatz 2) (1) Auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe ist
es beantragt oder das Gericht es anordnet, auf unverkürzt die Untersuchungshaft anzurechnen, die
Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil ent- der Angeklagte erlitten hat, seit er auf Einlegung
schieden. Die Vorschriften über die Hauptverhand- eines Rechtsmittels verzichtet oder das eingelegte
lung gellen entsprechend. Rechtsmittel zurückgenommen hat oder seitdem die
Einlegungsfrist abgelaufen ist, ohne daß er eine
(2) Personen, die einen ff~chtlichen Anspruch auf
Erklärung abgegeben hat.
den Gegenstand d(~r Einziehung, Vernichtung oder
Unbrauchbarmachung haben, sind, soweit dies aus- (2) Führt nach rechtzeitiger Einlegung eines
führbar erscheint, zu dem Termin zu laden. Rechtsmittels ein Beschluß unmittelbar die Rechts-
kraft des Urteils herbei, so gilt für die Berechnung
(3) Sie können alle Befugnisse ausüben, die einem der Strafzeit die Rechtskraft als zu Beginn des Tages
Angl~klagten zustehen, sich auch durch einen mit der Beschlußfassung eingetreten.
schriftlicher Vollmacht versetwnen Verteidiger ver-
treten lassen. Durcih ihr Nidll.erscheirnm wird das (3) Hat nach dem Urteil eine Verwahrung, Sicher-
Verfahren und die Urteilsfällung nicht aufgehalten. st.ellung oder Beschlagnahme des Führerscheins auf
Grund des § 111 a Abs. 5 Satz 2 fortgedauert, so ist
(4) Wird kein Antrag auf mündliche Verhandlung diese Zeit unverkürzt auf das Fahrverbot (§ 37 des
geste1lt, so kann das Gericht nach Anhörung der Strafgesetz buch es) anzurechnen.
Staatsanwaltschaft und der Beteiligten (Absatz 2)
durch Beschluß entscheiden.
§ 451
§ 432 (1) Die Strafvollstreckung erfolgt durch die Staats-
anwaltschaft auf Grund einer von dem Urkunds-
(1) Die Rechtsmittel gegen das Urteil stehen der beamten der Geschäftsstelle zu erteilenden, mit der
Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und den in Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen,
§ 431 bezeichneten Personc~n zu.
beglaubigten Abschrift der Urteilsformel.
(2) Gegen den Beschluß (§ 431 Abs. 4) ist sofor- (2) Den Amtsanwälten steht die Strafvollstreckung
tige Beschwerde zulässig. Absatz 1 gilt entsprechend. nur insoweit zu, als die Landesjustizverwaltung sie
ihnen übertragen hat.
§ 433 (3) Für die zur Zuständigkeit der Amtsgerichte
(1) Das im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes gehörenden Sachen kann durch Anordnung der
befindliche Vermögen eines Beschuldigten, gegen Landesjustizverwaltung die Strafvollstreckung den
den wegen eines Verbrechens des Hochverrats, des Amtsrichtern übertragen werden.
Nr. 54 --- Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1429
§ 452 (2) Gegen die Entscheidung nach Absatz 1 ist
sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der
In Sachen, in denen der Bundesgerichtshof im
Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die
ersten Rechtszug entschieden hat, steht das Be-
bedingte Entlassung anordnet, hat aufschiebende
gnadigungsrecht dem Bund, sonst den Ländern zu.
Wirkung.
(3) Im übrigen gelten die Vorschriften der §§ 453,
§ 453
453 a Abs. 1 und 3, §§ 453 b, 268 a Abs. 2 entspre-
(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich chend. Die Belehrung über die bedingte Entlassung
auf eine Strafaussetzung zur Bewährung beziehen wird mündlich erteilt; sie kann auch dem Leiter der
(§§ 24 und 25 des Strafgesetzbuches), trifft das Ge- Vollzugsbehörde übertragen werden.
richt ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß.
Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu
, § 455
hören. Der Beschluß ist zu begründen.
(1) Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ist auf-
(2) Zuständig ist das Gericht, das in der Strafsache zuschieben, wenn der Verurteilte in Geisteskrankheit
im ersten Rechtszug erkannt oder nach § 460 die verfällt.
Gesamtstrafe gebildet hat. Das Gericht kann die
(2) Dasselbe gilt bei anderen Krankheiten, wenn
nachträglichen Entscheidungen über die Straf-
von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für
aussetzung zur Bewährung ganz oder teilweise dem
Amtsgericht übertragen, in dessen Bezirk der An- den Verurteilten zu besorgen ist.
geklagte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung (3) Die Strafvollstreckung kann auch dann auf-
eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalts- geschoben werden, wenn sich der Verurteilte in
ort hat. Hat das Gericht, dem die nachträglichen einem körperlichen Zustand befindet, bei dem eine
Entscheidungen übertragen worden sind, gegen die sofortige Vollstreckung mit der Einrichtung der
Obernahme Bedenken, so entscheidet das gemein- Strafanstalt unverträglich ist.
schaftliche obere Gericht.
(3) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist § 456
Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt (1) Auf Antrag des Verurteilten kann die Voll-
werden, daß eine getroffene Anordnung gesetz- streckung aufgeschoben werden, sofern durch die
widrig ist oder einen einschneidenden, unzumut- sofortige Vollstreckung dem Verurteilten oder
baren Eingriff in die Lebensführung des Beschwerde- seiner Familie erhebliche, außerhalb des Strafzwecks
führers darstellt oder daß die Bewährungszeit nach- liegende Nachteile erwachsen.
träglich verlängert worden ist. Der Widerruf der
(2) Der Strafaufschub darf den Zeitraum von vier
Aussetzung (§ 25 Abs. 2 des Strafgesetzbuches) kann
mit sofortiger Beschwerde angefochten werden. Der Monaten nicht übersteigen.
Erlaß der Strafe (§ 25 Abs. 1 des Strafgesetzbuches) (3) Die Bewilligung kann an eine Sicherheits-
ist nicht anfechtbar. leistung oder andere Bedingungen geknüpft werden.
§ 453 a
§ 456a
(1) Ist der Angeklagte nicht nach § 268 a Abs. 2
belehrt worden, so wird die Belehrung durch das (1) Die Vollstreckungsbehörde kann von der Voll-
nach § 453 Abs. 2 zuständige Gericht erteilt. Der streckung einer Freiheitsstrafe oder einer Maßregel
Vorsitzende kann mit der Belehrung ein Mitglied der Sicherung und Besserung absehen, wenn der
des Gerichts beauftragen oder einen Amtsrichter Verurteilte wegen einer anderen Tat einer aus-
darum ersuchen. ländischen Regierung ausgeliefert oder wenn er aus
(2) Die Belehrung soll außer in Fällen von ge- dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes aus-
ringer Bedeutung mündlich erteilt werden. gewiesen wird.
(3) Der Angeklagte soll auch über die nachträg- (2) Kehrt der Ausgelieferte oder der Ausgewiesene
lichen Entscheidungen belehrt werden. Absatz 1 gilt zurück, so kann die Vollstreckung nachgeholt werden.
entsprechend. Für die Nachholung einer Maßregel der Sicherung
und Besserung gilt § 42 g des Strafgesetzbuches
§ 453 b entsprechend.
(1) Das Gericht überwacht während der Bewäh- § 456b
rungszeit die Lebensführung des Verurteilten und Eine mit Freiheitsentziehung verbundene Maß-
und die Erfüllung der Auflagen. § 24 a des Strafge- regel der Sicherung und Besserung, die neben einer
setzbuches bleibt unberührt.
Freiheitsstrafe angeordnet ist, wird erst vollzogen,
(2) § 453 Abs. 2 gilt entsprechend. wenn die Freiheitsstrafe verbüßt, bedingt ausgesetzt
oder erlassen ist. Jedoch kann die Unterbringung
§ 454 in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheil-
anstalt oder einer Entziehungsanstalt ganz oder
(1) Die Entscheidung, ob ein Verurteilter bedingt
teilweise vor der Freiheitsstrafe vollzogen werden.
entlassen werden soll (§ 26 des Strafgesetzbuches),
trifft das Gericht ohne mündliche Vc~rhandlung durch
Beschluß. Die Staatsanwaltschaft und die Strafvoll- § 456c
zugsbehörde sind zu hören. Der Beschluß ist zu be- (1) Das Gericht kann bei Erlaß des Urteils auf
gründen. Antrag oder mit Einwilligung des Verurteilten das
1430 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
Inkrafttreten der Untersagung der Berufsausübung § 460
durch Beschluß aufschieben, wenn das sofortige Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Ur-
Inkrafttreten des Verbots für den Verurteilten oder teile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei
seine Angehörigen eine erhebliche, außerhalb seines die Vorschriften über die Zuerkennung einer Ge-
Zwecks liegende, durch späteres Inkrafttreten ver- samtstrafe (§ 79 des Strafgesetzbuches) außer Be-
meidbare Härte bedeuten würde. Hat der Verurteilte tracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch
einen gesetzlichen Vertreter, so ist dessen Ein- eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf
willigung erforderlich. § 462 Abs. 4 gilt entsprechend. eine Gesamtstrafe zurückzuführen.
(2) Die Vollstreckungsbehörde kann unter den-
selben Voraussetzungen die Untersagung der Berufs- § 461
ausübung aussetzen.
(1) Ist der Verurteilte nach Beginn der Strafvoll-
(3) Der Aufschub und die Aussetzung können an streckung wegen Krankheit in eine von der Straf-
die Leistung einer Sicherheit oder an andere Be- anstalt getrennte Krankenanstalt gebracht worden,
dingungen geknüpft werden. Aufschub und Aus- so ist die Dauer des Aufenthalts in der Kranken-
setzung dürfen den Zeitraum von sechs Monaten anstalt in die Strafzeit einzurechnen, wenn nicht der
nicht übersteigen. Verurteilte mit der Absicht, die Strafvollstreckung
(4) Die Zeit des Aufschubs und der Aussetzung zu unterbrechen, die Krankheit herbeigeführt hat.
wird auf die für das Berufsverbot festgesetzte Frist (2) Die Staatsanwaltschaft hat im letzteren Falle
nicht angerechnet. eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.
§ 457
(1) Die Staatsanwaltschaft ist befugt, zur Voll- § 462
streckung einer Freiheitsstrafe einen Vorführungs- (1) Die bei der Strafvollstreckung notwendig wer-
oder Haftbefehl zu erlassen, wenn der Verurteilte denden gerichtlichen Entscheidungen (§§ 458 bis 461)
auf die an ihn ergangene Ladung zum Antritt der werden von dem Gericht des ersten Rechtszuges
Strafe sich nicht gestellt hat oder der Flucht ver- ohne mündliche Verhandlung erlassen.
dächtig ist.
(2) Vor der Entscheidung ist der Staatsanwalt-
(2) Auch kann von der Staatsanwaltschaft zu dem- schaft und dem Verurteilten Gelegenheit zu geben,
selben Zweck ein Steckbrief erlassen werden, wenn Anträge zu stellen und zu begründen.
der Verurteilte flüchtig ist oder sich verborgen hält.
(3) Kommt es auf die Festsetzung einer Gesamt-
(3) Diese Befugnisse stehen im Falle des § 451 strafe an (§ 460) und waren die verschiedenen hier-
Abs. 3 auch dem Amtsrichter zu. durch abzuändernden Urteile von verschiedenen Ge-
richten erlassen, so steht die Entscheidung dem
§ 458 Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei
Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt
(1) Wenn über die Auslegung eines Strafurteils hat falls hiernach aber mehrere Gerichte zuständig
oder über die Berechnung der erkannten Strafe sei~ würden, dem, dessen Urteil zuletzt ergangen
Zweifel entstehen oder wenn Einwendungen gegen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem
die Zulässigkeit der Strafvollstreckung erhoben Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt
werden, so ist die Entscheidung des Gerichts her- das Gericht des ersten Rechtsz\lges die Gesamtstrafe
beizuführen. fest. war eines der Strafurteile von dem Bundes-
(2) Das Gericht entscheidet ferner, wenn in den geri1chtshof oder einem Oberlandesgericht im ersten
Fällen der §§ 455, 456 und 456 c Abs. 2 Einwendun- Rechtszug erlassen, so setzt der Bundesgerichtshof
gen gegen die Entscheidung der Vollstreckungs- oder das Oberlandesgericht die Gesa:r._tstrafe fest.
behörde erhoben werden oder wenn die Vollstrek- (4) Gegen diese Entscheidungen ist, sofern sie
kungsbehörde anordnet, daß an einem Ausgeliefer- nicht von dem Bundesgerichtshof oder einem Ober-
ten oder Ausgewiesenen die Vollstreckung einer landesgericht erlassen sind, sofortige Beschwerde
Strafe oder einer Maßregel der Sicherung und Bes- zulässig.
serung nachgeholt werden soll, und Einwendungen
gegen diese Anordnung erhoben werden. § 462a
(3) Der Fortgang der Vollstreckung wird hierdurch Das Amtsgericht darf seine Strafgewalt auch bei
nicht gehemmt; das Gericht kann jedoch einen Auf- der nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe
schub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung (§ 460) nicht überschreiten. Ist nach § 462 Abs. 3 das
anordnen. In den Fällen des § 456 c Abs. 2 kann das Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig
Gericht eine einstweilige Anordnung treffen. und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entschei-
det die Strafkammer des ihm übergeordneten Land-
gerichts.
§ 459
§ 463
Kann eine Geldstrafe nicht beigetrieben werden
und ist die Festsetzung der für diesen Fall eintreten- Die Vollstreckung der über eine Vermögensstrafe
den Freiheitsstrafe unterlassen worden, so ist die ergangenen Entscheidung richtet sich nach den Vor-
Geldstrafe nachträglich von dem Gericht in diese schriften, die für die Vollstreckung von Urteilen in
Freiheitsstrafe umzuwandeln. bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten.
Nr. 54 - Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1431
§ 463 a § 466
(1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung Mitangeklagte, gegen die in bezug auf dieselbe
gelten für die Vollstreckung von Mc1ßregcln der Tat auf Strafe erkannt oder eine Maßregel der Siche-
Sicherung und Besserung sinngemäß, soweit nichts rung und Besserung angeordnet wird, haften für die
anderes bestimmt ist. Auslagen als Gesamtschuldner. Dies gilt nicht für
(2) Bei der Unterbringung in einer Heil- oder die durch die Vollstreckung, die Untersuchungshaft
Pflegeanstalt ist der Aufschub der Vollstreckung auf oder die einstweilige Unterbringung entstandenen
Grund des § 455 Abs. 1, bei der Sicherungsverwah- Kosten.
rung der Aufschub auf Grund des § 456 nicht zuläs- §467
sig. (1) Wird der Angeschuldigte freigesprochen oder
(3) § 462 gilt auch für die nach den §§ 42 f bis 42 h, außer Verfolgung gesetzt oder wird das Verfahren
42 1 Abs. 4 und § 42 n Abs. 7 des Strafgesetzbuches zu gegen ihn eingestellt, so fallen die Kosten des Ver-
treffenden Entscheidungen. fahrens der Staatskasse zur Last; dem Angeschuldig-
ten werden nur solche Kosten auferlegt, die er durch
eine schuldhafte Versäumnis verursacht hat.
§ 463b
(2) Die dem Angeschuldigten erwachsenen not-
(1) Ist ein Führerschein nach § 37 Abs. 3 Satz 2 wendigen Auslagen können der Staatskasse auf-
des Strafgesetzbuches amtlich zu verwahren und erlegt werden. Sie sind ihr aufzuerlegen, wenn das
wird er nicht freiwillig herausgegeben, so ist er zu Verfahren die Unschuld des Angeschuldigten er-
beschlagnahmen. geben oder dargetan hat, daß gegen ihn ein begrün-
(2) Ausländische Fahrausweise können zur Eintra- deter Verdacht nicht vorliegt; § 2 des Gesetzes be-
gung eines Vermerks über das Fahrverbot oder über treffend die Entschädigung für unschuldig erlittene
die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Sperre Untersuchungshaft gilt entsprechend.
(§ 37 Abs. 3 Satz 3, § 42 o Abs. 2 des Strafgesetz- (3) Diese Vorschriften gelten nicht, wenn gegen
buches) beschlagnahmt werden. den Angeschuldigten die Unterbringung in einer
Heil- oder Pflegeanstalt angeordnet wird.
(4) Ober die Verpflichtung der Staatskasse nach
Absatz 2 entscheidet das Gericht durch besonderen
Zweiter Abschnitt Beschluß gleichzeitig mit der Entscheidung nach Ab-
Kosten des Verfahrens satz 1. Wird eine solche Entscheidung auf ein Rechts-
mittel von neuem getroffen, so wird auch über die
§ 464 Verpflichtung der Staatskasse nach Absatz 2 von
neuem Beschluß gefaßt.
(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl, jede Strafver-
fügung und jede eine Untersuchung einstellende (5) Der Beschluß nach Absatz 4 wird nur durch
Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von Zustellung bekanntgemacht. Er wird erst zugestellt,
wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind. wenn die Entscheidung nach Absatz 1 rechtskräftig
geworden ist. Er kann mit der sofortigen Be-
(2) Die Höhe der Kosten und Auslagen, die ein schwerde angefochten werden. Das Beschwerde-
Beteiligter einem anderen Beteiligten zu erstatten gericht ist an die tatsächlichen Feststellungen in der
hat, wird auf Antrag eines Beteiligten durch den Entscheidung nach Absatz 1 gebunden.
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzt. Auf
das Verfahren und auf die Vollstreckung der Ent-
§ 467a
scheidung sind die Vorschriften der Zivilprozeßord-
nung entsprechend anzuwenden. Nimmt die Staatsanwaltschaft die öffentliche
Klage zurück und stellt sie das Verfahren ein (§ 170
Abs. 2 Satz 1), so kann das Gericht, bei dem die
§ 465 öffentliche Klage erhoben war, auf Antrag der
(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten die
insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren diesem erwachsenen notwendigen Auslagen ganz
wegen einer Tat entstanden sind, wegen deren er oder teilweise der Staatskasse auferlegen. Gegen
verurteilt oder eine Maßregel der Sicherung und die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde
Besserung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verur- statt.
teilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann § 468
vor, wenn das Gericht von Strafe absieht. Zu den
Kosten des Verfahrens gehören auch die durch die Bei wechselseitigen Beleidigungen oder Körper-
Vorbereitung der öffentlichen Klage entstandenen verletzungen wird die Verurteilung eines oder bei-
sowie die Kosten der Vollstreckung einer Strafe, der Teile in die Kosten dadurch nicht ausgeschlos-
Nebenstrafe oder Nebenfolge oder einer vom Ge- sen, daß einer oder beide für straffrei erklärt wer-
richt angeordneten Maßregel der Sicherung und den.
Besserung. § 469
(2) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener (1) Ist ein wenn auch nur außergerichtliches Ver-
Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht fahren durch eine vorsätzlich oder leichtfertig er-
für die Kosten. stattete unwahre Anzeige veranlaßt worden, so
1432 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
kann das Gericht dem Anzeigenden, nachdem er oder wird das Verfahren eingestellt, so sind auf den
gehört worden ist, die der Staatskasse und dem Antragsteller die Vorschriften des § 471 Abs. 2 bis 5
Beschuldigten erwachsenen Kosten auferlegen. entsprechend anzuwenden. Das Gericht kann jedoch
(2) War noch kein Gericht mit der Sache befaßt, so den Antragsteller von der Tragung der Kosten ganz
ergeht die Entscheidung c1.uf Antrag der Staats- oder teilweise befreien.
anwaltschaft durch das Gericht, das für die Eröff- (2) Der Antragsteller ist zu hören, bevor eine Ent
nung des Hauptverfahrens zuständig gewesen wäre. scheidung zu seinem Nachteil ergeht.
(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Be-
schwerde statt. § 472a
§ 470 (1) Soweit dem Antrag auf Zuerkennung eines aus
Wird das Verfahren wegen Zurücknahme des An- der Straftat erwachsenen Anspruchs oder einer
trags, durch den es bedingt war, eingestellt, so hat Buße stattgegeben wird, hat der Angeklagte auch
der Antragsteller die Kosten sowie die dem Be- die dadurch entstandenen besonderen Kosten und
schuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen zu die notwendigen Auslagen des Verletzten zu tragen.
tragen. Sie können dem Angeklagten auferlegt wer- (2) Sieht das Gericht von der Entscheidung über
den, soweit er sich zur Ubernahme bereit erklärt, den Antrag ab, wird ein Teil des Anspruchs dem
der Staatskasse, soweit es unbillig wäre, die Betei- Verletzten nicht zuerkannt, wird die Zuerkennung
ligten damit zu belasten. einer Buße abgelehnt oder nimmt der Verletzte den
Antrag zurück, so entscheidet das Gericht nach
§ 471 pflichtgemäßem Ermessen, wer die insoweit ent-
(1) In einem Verfahren auf erhobene Privatklage standenen gerichtlichen Auslagen ·und die insoweit
hat der Verurteilte 2uch dü~ dem Privatkläger er- den Beteiligten erwachsenen notwendigen Auslagen
wachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten trägt. Die gerichtlichen Auslagen können der Staats-
kasse auferlegt werden, soweit es uhbillig wäre, die
(2) Wird der Beschuldigte außer Verfolgung ge-
Betei.ligten damit zu belasten.
setzt oder freigesprochen oder wird das Verfahren
eingestellt, so fallen dem Privatkläger die Kosten
des Verfahrens sowie die dem Beschuldigten er- § 473
wachsenen notwendigen Auslagen zur Last. (1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder er-
(3) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens folglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es
und die notwendigen Auslagen der Beteiligten an- eingelegt hat. War das Rechtsmittel von der Staats-
gemessen verteilen oder nach pflichtgemäßem Er- anwaltschaft eingelegt, so können die dem Beschul-
messen einem der Beteiligten auferlegen, wenn digten erwachsenen notwendigen Auslagen der
Staatskasse auferlegt werden. Hatte das Rechtsmit-
1. es den Anträgen des Privatklägers nur zum Teil
tel teilweise Erfolg, so kann das Gericht die Gebühr
entsprochen hat;
ermäßigen und die entstandenen Auslagen ange-
2. es das Verfahren nach § 383 Abs. 2 (§ 390 Abs. 5) messen verteilen.
wegen Geringfügigkeit eingestellt hat;
(2) Dasselbe gilt von den Kosten, die durch einen
3. Widerklage erhoben worden ist.
Antrag auf Wiederaufnahme des durch ein rechts-
(4) Mehrere Privatkläger haften als Gesamt- kräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens ver-
schuldner. Das gleiche gilt hinsichtlich der Haftung ursacht worden sind.
mehrerer Beschuldigter für die dem Privatkläger er-
(3) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vori-
wachsenen notwendigen Auslagen.
gen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit
(5) Die zu erstattenden Auslagen umfassen auch sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch
die Entschädigung für die durch notwendige Reisen des Gegners entstanden sind.
oder durch die notwendige Wahrnehmung von Ter-
minen entstandene Zeitversäumnis; die für die Ent- § 474
schädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind
entsprechend anzuwenden. Hat sich der Gegner der In den zur Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes
erstattungspflichtigen Partei eines Rechtsanwalts im ersten Rechtszug gehörenden Sachen sind die von
bedient, so sind die Gebühren und Auslagen des der Staatskasse zu tragenden Kosten der Bundes-
Anwalts insoweit einbegriffen, als solche nach der kasse aufzuerlegen.
Bestimmung des § 91 der Zivilprozeßordnung die § 474a
unterliegende Partei der obsiegenden zu erstatten Wird nach einem Urteil gegen einen Abwesenden
hat. die Hauptverhandlung erneuert (§ 282 c), so können
§ 472 ihm die Kosten der früheren Hauptverhandlung in
(1) Wird im Falle des § 175 der Angeschul- dem neuen Urteil auch dann auferlegt werden, wenn
digte außer Verfolgung gesetzt oder freigesprochen er freigesprochen wird.
Nr. 54 --- Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1433
Bundesgesetzblatt
Teil IJ
Tag Inh a I t Seite
Nr.34, ausgegeben am 17. September 1965
3.9.65 Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Zusammenlegung der deutschen und
niederlündischen Grenzabfertigung im Rheinschiffsverkehr ............................... . 1151
3.8.65 Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Welturheberrechtsabkommens ............. . 1160
16. 8.65 Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Zollübereinkommens über den internationalen
Warentransport mit Carnets TIR (Inkrafttreten für Rumänien) ............................ . 1161
17.8.65 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Ubereinkommens über die Erweiterung der
Zuständigkeit der Behörden, vor denen nichteheliche Kinder anerkannt werden können ..... 1162
17.8.65 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Ubereinkommens über die Feststellung der
mütterlichen Abstammung nichtehelicher Kinder ........................................ . 1163
17.8.65 Bekanntmachung übe1 den Geltungsbereich des Ubereinkommens vom 15. April 1958 über die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht
gegenüber Kindern (Inkrafttreten für die Schweiz) ...................................... . 1164
17.8. 65 Bekanntmachung zum Internationalen Ubereinkommen über den Freibord der Kauffahrtei-
schiffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .......................................................... . 1165
19.8.65 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Abkommens zur Änderung des Abkommens
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Soziale Sicherheit 1166
23. 8.65 Bekanntmachung zu Artikel 4 des deutsch-luxemburgischen Abkommens vom 16. Februar 1962
über die Zusammenlegung der Grenzabfertigung und über die Errichtung von Gemeinschafts-
oder Betriebswechselbuhnhöfen an der deutsch-luxemburgischen Grenze .................. . 1167
23. 8.65 Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Wiener Ubereinkommens über diplomatische
Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............. • • • • • • • · · • · · · · · · · · · · · · · 1168
26.8.65 Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Mehrseitigen Ubereinkommens über Luft-
tüchtigkeitszeugnisse eingeführter Luftfahrzeuge (Inkrafttreten für Luxemburg) ............ . 1168
Nr. 35, ausgegeben am 21. September 1965
13. 9. 65 Gesetz zu dem Abkommen vom 30. April 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Republik Türkei über Soziale Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1169
16. 8. 65 Bekanntmachung zu Artikel 4 des deutsch-französischen Abkommens vom 18. April 1958
über nebeneinanderliegende nationale Grenzabfertigungsstellen und Gemeinschafts- oder
Betriebswechselbahnhöfe an der deutsch-französischen Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1190
20. 8. 65 Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Internationalen Abkommens zur Bekämpfung
der Falschmünzerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1191
26. 8. 65 Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Ubereinkommens über die Zwischenstaatliche
Beratende Seeschiffahrts-Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1192
Nr. 36, ausgegeben am 23. September 1965
14. 9. 65 Gesetz zu dem Vertrag vom 20. Juni 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Republik Türkei übel' die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapital-
anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1193
15. 9. 65 Gesetz über die in Brüssel am 26. Juni 1948 beschlossene Fassung der, Berner Ubereinkunft
vom 9. September 1886 zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst . . . . . . . . . . . . . . 1213
15. 9. 65 Gesetz über das Europäische Abkommen vom 22. Juni 1960 zum Schutz von Fernsehsendungen 1234
15. 9. 65 Gesetz zu dem Internationalen Abkommen vom 26. Oktober 1961 über den Schutz der aus-
übenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen . . . . . . . . . . . . . . 1243
Nr. 37, ausgegeben am 24. September 1965
15. 9. 65 Gesetz zu der Vereinbarung vom 10. Dezember 1964 zur Durchführung des Abkommens vom
20. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich
GroHbritannien und Nordirland über Soziale Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1273
15. 9. 65 Gesetz zu der Vereinbarung vom 20. Dezember 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land und Frankreich über Soziale Sicherheit in bezug auf das Saarland und zu der Sechsten
Zusatzvereinbarung vom 20. Dezember 1963 zum Allgemeinen Abkommen zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale, Sicherheit vom 10. Juli 1950 . . . 1287
15. 9. 65 Gesetz zu dem Abkommen vom 25. Februar 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 1293
1434 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
ORDNER
für Bundesgesetzblatt Teil III
- Sammlung des Bundesrechts -
Die Ordner sind in der jeweiligen Farbe der Sachgebiete mit Compakt-Mechanik,
Kantenschutz und Goldprägung auf dem Rücken hergestellt.
Sachgebiet 1 (Staats- und Verfassungsrecht)
1 Ordner, Preis 7,20 DM einschl. Porto und Verpackung
Sachgebiet 2 (Verwaltung)
2 Ordner, Preis 14,40 DM einschl. Porto und Verpackung
Sachgebiet 3 (Rechtspflege)
1 Ordner, Preis 7,20 DM einschl. Porto und Verpackung
Sachgebiet 4 (Zivil- und Strafrecht)
2 Ordner, Preis 14,40 DM einschl. Porto und Verpackung
Sachgebiet 5 (Verteidigung)
1 Ordner, Preis 7,20 DM einschl. Porto und Verpackung
Nunmehr sind auch diese Ordner lieferbar:
Sachgebiet 6 (Finanzwesen)
2 Ordner, Preis 14,40 DM einschl. Porto und Verpackung
Sachgebiet 7 (Wirtschaftsrecht)
3 Ordner, Preis 21,60 DM einschl. Porto und Verpackung
Sachgebiet 8 (Arbeitsrecht, Sozialversicherung, Kriegsopferversorgung)
1 Ordner, Preis 7,20 DM einschl. Porto und Verpackung
Sachgebiet 9 (Post- und Fernmeldewesen, Verkehrswesen, Bundeswasserstraßen)
2 Ordner, Preis 14,40 DM einschl. Porto und Verpackung
Lieferung nur gegen Voreinsendung des erforderlichen Betrages auf Postscheckkonto
.,Bundesgesetzblatt Teil 111" Köln 1128 oder nach Bezahlung gegen Vorausrechnung.
Nr. 54 -- Tag der Ausgabe: Bonn, den 25. September 1965 1435
EINBANDDECKEN für den Jahrgang 1964
Te i 1 I: 3,- DM (1 Einbanddecke) einschließlich Porto und Verpackung
Te i I II: 6,- DM (2 Einbanddecken) einschließlich Porto und Verpackung
Das Titelblatt, die zeitliche Ubersicht und das Sachverzeichnis für Teil I, die
Titelblätter und die zeitliche Ubersicht für Teil II lagen jeweils der Nr. 3/1965 bei.
Ausführung : Halbleinen, Rücken mit Goldschrift, wie in den vergangenen Jahren.
Lieferung erfolgt gegen Voreinsendung des erforderlichen Betrages auf Postscheckkonto
"Bundesgesetzblatt" Köln 3 99 oder nach Bezahlung auf Grund einer Vorausrechnung.
„BUNDESGESETZBLATT" BONN· POSTFACH
1436 Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1965, Teil I
13undesA·esetzblatt 1949/50 bis 1964
Bisher erschienene Jahrgänge, gebunden
1949/50 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26,- DM
Teil I Teil II
1951 ..................... 26,- DM 1951 ~ 9,- DM
. .
• ••••• •••••••••• fil •••
1952 . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . 26,- DM 1952 • •••• ,1 ••••••••••••••• 26,- DM
1953 .................... 47,- DM 1953 . ..................... 21,- DM
1954 ...................... 21,- DM 1954 . ... " ................ 38,- DM
1955 . . . . . . . . . . . . .. ~ ... . .. 29,- DM 1955 . .................... 31,- DM
1956 ..................... 36,- DM 1956 . .................... 52,- DM
1957 ............ " ........ 52,- DM 1957 ..................... 55,- DM
1958 ..................... 31,- DM 1958 ..................... 31,- DM
1959 ..................... 31,- DM 1959 . .................... 52,- DM
1960 ....................... 39,- DM 1960 . .................... 68.- DM
1961 ....................... 10,-- DM 1961 68,- DM
.....................
• e • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
1962 ...................... 36,- DM 1962 72,- DM
1963 ..... " ............... 43,- DM 1963 . ..................... 62,- DM
1964 ... " .................. 43,- DM 1964 . .................... 75,- DM
*
Einbanddecken der bi.sher erschienenen Jahrgänge
1949/50 3,- DM
Teil 1 Teil II
1951 • i,. 0 •••• • I I • • • • • . · • . • • . 3,- DM 1951 . ...................... 3,- DM
1952 ........................ 3,- DM 1952 ••• e • • • • • • • • • • • • • • • • • •
3,- DM
1953 .......................... $ 6,- DM 1953 • • e • • •• • 11 e • • • • ~ • e • • li 1 •
3,- DM
1954 .. • • • • • • • 11, ••••• fl, ••••••• 3.-- DM 1954 ... ..................
" 6,- DM
1955 ~ • • • • • Q • • II JI, • • • • • • • • II! • • 3,- DM 1955 ...................... 3,- DM
1956 ........................ 3,- DM 1956 ...................... 6,- DM
1957 ~ li' .. • 6.--- DM 1957 6,- DM
.
.. ' ;II • • • • • • • • • • • • • • ..
• • • •• • • a • • • • • • • • • • • • • •
1958 . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . 3,-- DM 1958 ............ ......... ., 3,- DM
1959 .............. ' ......... 3,-- DM 1959 • ••••••••• - ••••••••• 0 6,- DM
1960 ....................... 3.- DM 1960 . ..................... 9,- DM
1961 . . ..... . ..
' 6,--- DM 1961 6,- DM
........
• • • • • • • • • a t •••••••••••••••••••••
1962 III- •••••••••••••• " •••••• 3,- DM 1962 " .............. 6,- DM
1963 ~ " .. . . . ..........
.. .. .. 3,- DM 1963 . ....................... 6,- DM
1964 .......... ............ " 3,- DM 1964 . ..................... 6,- DM
*
Reichsgesetzblatt Teil 1 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5,25 DM
Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1947-1949 13,- DM
Die Preise verstehen sich jeweils einschließlich Versandspesen.
He I ausgebe r : Der Bundc"sministe1 der Justiz. - Ver 1a g: Bunde~auzeige1 Verlagsges. m.b.H .. Bonn/Köln - Druck: Bundesdruckerei.
Das Bundesges,;1:zblatt erscheint iu drei Teilc~n In Teil I und II werden die Gesetze und Verordnungen in zeitlicher Rei:nenfolge nach ihrer
Auslertiqunq verkündet. In Teil II! wird dus als fortqeltend festqestellte Bundesrecht auf Grund des Gesetzes übet die Sammlung des Bundes•
recht!> vorn 10 Juli !D58 (Bunclesqesetzbl I S. 437) nach S1ichqeb1eten qPordnet veröffentlicht Bezug~bedinqungen für Teil III durch den Verlag.
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Köln 3 99 ocl0r nnch Bczahlunq auf Grund einer Vorausrechnunq. Preis dieser Ausqabe DM 1,20 zuzüqlich Versandgebühr DM 0,25